Das Scheitern des gemeinsamen Kampfpanzerprojekts (Main Ground Combat System, MGCS) von Deutschland und Frankreich scheint immer mehr Realität zu werden. Nachdem das Handelsblatt gestern (5.9.2023) von dem möglichen Scheitern des MGCS-Projekts sprach (siehe unten) und damit eine ähnliche Meldung der Deutschen Welle vom Juni 2023 bestätigte und auch Abgeordnete der deutschen Regierungsparteien die Zusammenarbeit öffentlich infrage stellen (siehe unten), legt das Handelsblatt heute, 6.9., nach: Deutschland habe angeblich mit Italien, Spanien und Schweden die Verträge zur Entwicklung eines neuen Kampfpanzers bereits vor einigen Tagen unterschrieben! Die beiden deutschen Rüstungsunternehmen Kraus-Maffei-Wegmann und Rheinmetall sollen dabei die Führung haben. Das will das Handelsblatt aus Kreisen der Industrie und der Politik erfahren haben. Von Frankreich ist in diesem Zusammenhang nicht mehr die Rede.
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Laut N-TV sollen auch das schwedische Unternehmen Saab und das italienische Unternehmen Leonardo an dem neuen Panzerprojekt beteiligt werden. Update 8.9.: Für Spanien wiederum werden die Unternehmen Santa Bárbara Sistemas oder TESS Defence als mögliche Kooperationspartner genannt. Update Ende Die neue Unternehmens-Allianz will sich nun um Fördermittel in Höhe eines dreistelligen Millionenbetrags aus dem European Defence Fund (EDF) bewerben.
Wir haben beim Bundesministerium der Verteidigung um eine Stellungnahme angefragt. Sobald diese uns vorliegt, bringen wir sie hier. Es ist aber zweifelhaft, ob wir eine Stellungnahme erhalten, denn laut N-TV haben bisher weder das Bundesverteidigungsministerium noch das französische Verteidigungsministerium, noch das französische Präsidalamt noch Rheinmetall oder KMW sich zu dem Bericht geäußert.
Frankreich plant angeblich nächstes Kampfflugzeug ohne Deutschland
Ein spanisches Magazin, das auf Verteidigungs- und Militärthemen spezialisiert ist, berichtet, dass Frankreich darüber nachdenkt, seine Zusammenarbeit mit Deutschland und Spanien beim Kampfflugzeug der nächsten Generation zu beenden (dieses Projekt läuft unter dem Kürzel FCAS Future Combat Air System). Stattdessen wolle Frankreich das nächste Kampfflugzeug zusammen mit Indien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Indonesien entwickeln. So wie Deutschland beim Panzerprojekt MGCS die Führungsrolle innehat, hat Frankreich beim Flugzeugprojekt FCAS die Führungsrolle. Frankreichs Umorientierung könnte man also durchaus als Reaktion auf Deutschlands Umschwenken beim MGCS interpretieren.
Der lange Leidensweg des MGCS
Das Main Ground Combat System (MGCS) soll eigentlich einmal den deutschen Kampfpanzer Leopard 2 und den französischen Kampfpanzer Leclerc ersetzen. Irgendwann… weit, weit in der Zukunft. Dafür gründeten die deutsche Panzerschmiede Krauss-Maffei-Wegmann KMW und der französische Rüstungskonzern Nexter im Jahr 2015 sogar eine neue Holding namens KMW+NEXTER Defense Systems N.V. (KNDS).
Doch das deutsch-französische Gemeinschaftsprojekt stand nie unter einem guten Stern und kam bis heute nicht wirklich voran, auch wenn Politiker beider Länder und die beteiligten Unternehmen natürlich immer mal wieder das Gegenteil behaupten. Erst im Juli 2023 versuchte der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius dem lahmenden Projekt neues Leben einzuhauchen, wie man in Leopard-2-Nachfolger: So geht es mit dem Kampfpanzer weiter nachlesen kann.
Am 5. September 2023 berichtete aber das Handelsblatt, dass dem deutsch-französischen Kampfpanzerprojekt das Aus droht. Das Handelsblatt schreibt:
Die Gegensätze zwischen den beiden beteiligten Ländern seien so groß, dass der Erfolg des sogenannten Main Ground Combat System (MGCS) zunehmend infrage stehe.
Das Handelsblatt beruft sich auf Regierungs- und Industriekreise. In wesentlichen Fragen könnten sich KMW (das den Leopard 2 in großen Stückzahlen produziert hat und immer noch produziert und auch an 13 weitere Staaten verkauft hat) und Nexter (das vom Leclerc nur eine deutlich geringere Zahl gefertigt hat; dieser Panzer war zudem kein großer Exporterfolg, nur ein einziges arabisches Land kaufte diesen Panzer) nicht einigen.
Zudem drängt mit Rheinmetall ein drittes Unternehmen in die Kooperation. Der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall möchte seine neue 130-mm-Kanone für den Leopard-2-Nachfolger liefern (diese Kanone zeigte Rheinmetall auch in seinem Prototyp KF51 Panther). Die Franzosen sind aber wohl gegen den Einbau der Rheinmetallkanone in das MGCS. Rheinmetall, das erwiesenermaßen eine Expertise bei Kanonen hat, ist seit 2019 am MGCS beteiligt. Update 8.9.: Auch bei der grundsätzlichen Auslegung des neuen Panzers scheint es Meinungsverschiedenheiten zu geben: Die Franzosen wollen einen leichteren und wendigeren Panzer und würden dafür weniger Schutz in Kauf nehmen. Deutschland dagegen will einen möglichst überlebensfähigen und gut geschützten Panzer. Update Ende
Leclerc fällt gegenüber Leopard 2 immer weiter zurück
Die französische Regierung ist zudem vom Tempo beim MGCS enttäuscht. Deutschland agiert den Franzosen wohl generell zu zögerlich bei Verteidigungsprojekten, vor allem aber ist der französische Kampfpanzer Leclerc viel mehr veraltet als der deutsche Leopard 2, der ständig weiter entwickelt wird. So war ursprünglich das Jahr 2035 als Einführungstermin für den Nachfolger des Leopard 2 geplant, doch mittlerweile muss man eher mit einer Auslieferung ab dem Jahr 2040 rechnen, wie der Münchner Merkur schreibt. Das setzt vor allem die Franzosen mit ihrem veralteten Leclerc unter Druck.
Deutschland und Frankreich teilen sich die Kosten für die Entwicklung, die Führung soll aber bei Deutschland liegen (Frankreich hat dafür bei dem deutsch-französischen Kampfjet-Projekt FCAS Future Combat Air System das Sagen). Aus dem Sondervermögen für die Bundeswehr sind für das laufende Jahr knapp 83,5 Millionen Euro für Entwicklung des MGCS eingeplant.
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Deutscher Verteidigungsexperte rückt vom MGCS ab
Andreas Schwarz, SPD-Bundestagsabgeordneter und Mitglied im Haushalts- und im Verteidigungsausschuss, spricht sich in einem Tweet für die Weiterentwicklung des Leopard 2 und gegen das Gemeinschaftsprojekt mit den Franzosen aus:
Leopard 2 wird ständig weiterentwickelt: Neue Variante mit Hardkill-System Trophy
In der Tat entwickelt KMW den Leopard 2 immer weiter und liefert mit dem Leopard 2 A7V gerade eine neue Version an die Bundeswehr. Zudem entwickelt KMW erstmals auch eine Leopard-2-Variante A7A1 mit einem abstandsaktiven Schutzsystem alias “Hardkill”. Dabei kommt das bewährte israelische Hardkillsystem “Trophy” zum Einsatz.
Die Bundeswehr schafft unter der Bezeichnung Leopard 2 A8 ebenfalls eine Variante mit Trophy an. Der Motor des Leopard 2 A8 leistet zudem 1600 PS statt der sonst üblichen 1500 PS.
Die Bundeswehr kauft zunächst 18 Kampfpanzer Leopard 2A8 als Ersatz für die an die Ukraine abgegebenen Leopard 2 A5. Zudem bietet der Vertrag Möglichkeit, weitere 105 Leopard 2 A8 zu bestellen. Besonders spannend: Es ist in dem Vertrag ausdrücklich festgelegt, dass auch andere Staaten den neuen Leopard 2 A8 mit dem Hardkill-System Trophy kaufen dürfen. Laut dem Fachportal Esut soll es um insgesamt rund 400 Leopard 2 A8 gehen, die KMW und Rheinmetall produzieren könnten. Als potenzielle Abnehmer werden neben Deutschland und Ungarn (das bereits neue Leopard 2 A7+HU bekommt) auch Tschechien, Litauen, Italien und Norwegen genannt.
Mit dem KF51 Panther von Rheinmetall steht zudem ein weiterer potenzieller Nachfolger für den Leopard 2 zumindest theoretisch bereit:
Panther KF51: Leopard-2-Nachfolger mit ernster Schwachstelle – ausführliche Analyse
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