Wer Linux privat nutzt, hat vermutlich kaum Probleme mit Aktualisierungen und neuen Versionen. Das sieht anders aus, wenn das System den Unterbau für Anwendungen bildet, die im Firmenumfeld und beruflich eingesetzt werden. Hier ist es wichtig, dass die Distribution möglichst lange mit Sicherheitsupdates versorgt wird.
Canonical hat diese Forderung mit seinen regelmäßig erscheinenden LTS-Versionen aufgegriffen; geht jetzt aber für Privatanwender oder Selbstständige mit Ubuntu Pro noch einen Schritt weiter.
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Das bietet Ubuntu Pro im Detail

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Kostenpflichtiges Ubuntu Pro gibt es bereits seit einigen Jahren. Ursprünglich wurde es als Service für Unternehmenskunden konzipiert, die virtuelle Ubuntu-Instanzen in der Amazon Cloud einsetzten. Der Fokus lag somit eindeutig auf Unternehmenskunden.
Im Laufe der Zeit wurde das Angebot um weitere Cloudumgebungen erweitert. Wer dort eine Ubuntu-Instanz einrichtet, hat die Wahl zwischen LTS-Versionen und solchen mit Ubuntu Pro. Letztere erweitern den Updatezeitraum von fünf auf zehn Jahre. Direkt über Canonical ist Ubuntu Pro auch für physische Desktops und Serverinstallationen zu bekommen.
Ubuntu Pro kommt sicherlich nicht für alle Anwender in Betracht. Geht es aber um die geschäftliche Nutzung von Ubuntu LTS, dann bietet die lange Pflege mehr Sicherheit für kritische Anwendungen wie Ansible, Apache Tomcat, Docker, Drupal, Nagios, Phpmyadmin oder auch WordPress.
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Insgesamt bietet Ubuntu vier verschiedene Varianten von Ubuntu Pro mit entsprechenden Preismodellen. Diese unterscheiden sich auch in Hinblick auf die gepflegten Paketquellen (main und universe). Für eine physische Desktop- oder Workstationinstallation gibt es die zehn Jahre Updates zum Preis von 25 Dollar pro Jahr für beide Paketquellen. Für Privatanwender ist dies aber neuerdings kostenfrei möglich.
Voraussetzung zur kostenfreien Nutzung: Die Verlängerung der Updatezeiträume mit Ubuntu Pro funktioniert nur mit LTS-Varianten. Das dürfen die Versionen 16.04, 18.04, 20.04 und 22.04 sein. Ubuntu Pro funktioniert ausschließlich mit Canonicals originalem Ubuntu (Gnome), nicht mit darauf basierenden Derivaten („Flavours“).
Um Pro einrichten zu können, müssen Sie über root-Recht auf dem System verfügen. Außerdem benötigen Sie ein Konto bei Ubuntu One, das Sie vielleicht bereits besitzen (siehe Kasten).
Ubuntu Pro einrichten

Auf https://ubuntu. com/pro finden Sie den Link „Register for personal use“ für das kostenlose Angebot von Ubuntu Pro. Die generierte Zeichenfolge („Token“) nutzen Sie dann mit dem Kommando „pro“ auf Ihrem System.
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Zentrales Element für die Nutzung von Ubuntu Pro ist das Kommando „pro“. Dies sollte eigentlich bereits installiert sein. Das überprüfen Sie einfach mit dem folgenden Kommando
pro --version
im Terminal. Sollte dies zu keinem Ergebnis führen, installieren Sie mit
apt install ubuntu-advantage-tools
das notwendige Paket. Mit
pro security-status
können Sie sich dann den Status der Sicherheitspatches Ihres Systems ausgeben lassen. Vermutlich zeigt Ihnen das System dann auch bereits eine Zahl an Sicherheitsupdates an, die installierbar sind. Um Ubuntu Pro zu nutzen, rufen Sie die Webseite https://ubuntu.com/pro im Browser auf und melden sich dort mit Ihrem Benutzerkonto von Ubuntu One an.
Nach dem Einloggen befinden Sie sich auf der Übersichtsseite der verschiedenen Abomodelle. Sie werden dort auch den Link „Register for personal use“ finden. Folgen Sie diesem Link, dann befinden Sie sich bereits auf der Seite Ihrer Abos. Wichtig ist der Abschnitt „Free Personal Token“. Dessen Zeichenkombination benötigen Sie im nächsten Schritt. Dieses „Token“ verbinden Sie mit den Computern, die länger mit Updates versorgt werden sollen.
Dazu verwenden Sie den Befehl
sudo pro attach [TOKEN]
im Terminal des jeweiligen Systems. Damit wird der Computer mit Ihrem Ubuntu-One-Konto verbunden.

Mit dem Befehl „pro“ sehen Sie sich bei Bedarf den aktuellen Status der Patches und die berücksichtigten Paketquellen an.
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Zusätzlich richtet das System weitere Paketquellen ein. Danach können Sie bereits mit
sudo apt full-upgrade
alle verfügbaren Updates installieren. Sofern Sie keine anderen Einstellungen vorgenommen haben, informiert Sie ein kleines Icon in der Menüleiste über die aktivierte Funktion. Wenn Sie sich im Internet über die Funktion informieren, finden Sie noch teilweise von Canonical selbst den Hinweis, dass Sie die Versorgung der weiteren Apps mittels eines eigenen Kommandos („sudo pro enable esm-apps –beta“) aktivieren müssten.
Das trifft allerdings nicht mehr zu. Die Erweiterung hat offenbar den Betastatus verlassen, jedenfalls genügt auf unseren Systemen die Verbindung mit dem Token.
Kernel-Livepatches? Ubuntu Pro kann optional auch Livepatches für den Kernel einspielen. Dazu sind allerdings drei Dinge anzumerken:
- Zum einen funktionieren Livepatches nicht für alle Kernel-Versionen (auf der Übersichtsseite von Ubuntu Pro finden Sie einen Link, der auf die unterstützten Versionen verweist).
- Zum zweiten sorgt ein Snap-Paket für Download und Einspielen der Patches. Sie sind also auf Snap angewiesen, um die Funktion überhaupt einsetzen zu können.
- Drittens sind Livepatches nur für Server im Dauereinsatz relevant, die möglichst wochenlang ohne Neustart laufen sollen. Für private Homeserver sollten gelegentliche Neustarts kein Problem sein und für Desktopsysteme ist das sowieso die Regel.
Wer kann dazu „Nein“ sagen?
Mit Ubuntu Pro hat Canonical sich viel vorgenommen – geht es bei dem Angebot nach eigenen Angaben um 2300 Pakete aus der „Main“-Quelle und um 23.000 Pakete aus „Universe“. Einen solchen Bestand über einen so langen Zeitraum mit Updates versorgen zu wollen, ist eine Herausforderung. Verglichen mit Angeboten anderer Distributionen ist Pro auch bei den kommerziellen Services absolut konkurrenzfähig.
Für private Nutzer ist Ubuntu Pro alternativlos – sofern ein so langer Zeitraum von Interesse ist. Es steht aber die Frage im Raum, ob Canonical das Versprechen einhalten kann. Denn natürlich ist Ubuntu Pro in dieser Ausbaustufe noch viel zu neu, um überhaupt entscheiden zu können, ob die Updates tatsächlich über die lange Laufzeit erfolgen werden. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein kommerziell ausgerichtetes Angebot aufgrund mangelnder Zahlungsbereitschaft und Akzeptanz bei den Nutzerinnen und Nutzern wieder eingestampft wird.
Der Linux-Community wäre der Erfolg zu wünschen: Viele Unternehmen machen immer noch einen Bogen um Linux und Open Source, weil kommerzielle Anbieter eine größere Investitionssicherheit zu versprechen scheinen. Zehn Jahre Updates und Patches für Anwendungen wären ein starkes Argument, sich mit Linux anzufreunden.
Was war doch gleich “Ubuntu One”?
Sie halten Ubuntu bereits seit langem die Treue? Dann stehen die Chancen gut, dass Sie bereits einen Account bei Ubuntu One haben, auch wenn er in Vergessenheit geraten sein könnte. Ursprünglich war dies der Versuch von Canonical, eine weitere Cloud für Ubuntu-Nutzer zu etablieren, somit eine Alternative zu Google oder dem seinerzeit beliebten Dropbox zu schaffen.
Allerdings hat es der Service nicht geschafft, sich zu etablieren, und wurde bereits vor fast zehn Jahren eingestellt. Geblieben ist aber ein Single-Sign-on-Dienst (SSO), der ähnlich wie das „Anmelden mit Facebook“ funktioniert.