Achim ist eine knapp 33.000 Einwohner zählende Stadt südöstlich von Bremen. In Achim unterhält Amazon ein Logistikzentrum. Viele Arbeiter aus diesem Amazon-Logistikzentrum nutzen den nahe gelegenen Bahnhof zum Pendeln. Um einen abfahrenden Regionalzug noch rechtzeitig zu erwischen, rannten rund 200 Personen über das Bahngleis und einige davon stoppen den gerade losfahrenden Zug, wie die Bundespolizei berichtet:
Etwa 200 Personen sind aus angrenzenden Büschen vor seinen Zug in die Bahngleise gelaufen, und eine kleinere Personengruppe hat durch ihr Verhalten den Zug aktiv an der Abfahrt gehindert, um den restlichen Personen und später auch sich selbst den Einstieg in den Zug noch zu ermöglichen.
Bundespolizeiinspektion Bremen
Der Vorfall ereignete sich am 19. Juli 2023. Demnach fuhr der Regionalexpress RE4420 um 15:26 Uhr los und war noch sehr, sehr langsam mit Schrittgeschwindigkeit von bis zu 3 km/h unterwegs, als rund 200 Menschen aus dem Gebüsch neben dem Bahngleis traten und über die Gleise gingen. Der Lokführer bremste sofort. Die Gleismarschierer öffneten daraufhin die Türen des gestoppten Zuges und stiegen ein.
Bei diesen 200 Zug-Blockierern handelte es sich aber nicht etwa um Klimaaktivisten, sondern wohl teilweise um Mitarbeiter des nahe gelegenen Amazon-Logistikzentrums, wie Spiegel Online schreibt (die Bundespolizei nennt in ihrer Pressemitteilung Amazon nicht namentlich, sondern spricht nur von “Mitarbeitenden eines örtlichen Logistikunternehmens”). Amazon betonte gegenüber Spiegel Online, dass nur fünf der rund 200 Personen von Amazon gekommen seien. Diese wollten nach Feierabend noch dringend mit diesem Zug nach Hause fahren. Auf den nächsten Zug hätten die Menschen 23 Minuten warten müssen, wie die Bundespolizei erläutert.
Doch warum waren die Amazon-Mitarbeiter denn überhaupt zu spät dran und verpassten deshalb den gerade los fahrenden Zug? Antwort: Der Bus, der die Pendler eigentlich pünktlich zum Bahnhof bringen soll, muss derzeit wegen einer Baustelle neben dem Bahnhof rund 200 Meter entfernt anhalten. Das setzt die vom Amazon-Logistikzentrum kommenden Menschen offensichtlich so unter Zeitdruck, dass diese am Mittwoch die unerlaubte Abkürzung über das Gleis nahmen: “über den Zaun, durchs Gebüsch, übers Gleis, auf den Bahnsteig”, wie es Spiegel Online beschreibt.
Die Notbremsung des anfahrenden Zugs führte nun aber zu massiven Verspätungen auch bei den nachkommenden Zügen. Insgesamt elf Züge sammelten so 249 Minuten Verspätung an, wie die Polizei erklärt. Das mag angesichts der ohnehin notorischen Verspätungen der Züge in Deutschland als nicht ungewöhnlich erscheinen, wäre aber in diesem Fall tatsächlich zu vermeiden gewesen. Zudem ermittelt die Polizei jetzt wegen Nötigung gegen die Beteiligten. Als die Polizei die Personalien der Beteiligten aufnehmen wollte, flohen einige aus dem Zug.
Am Tag danach wollte die Leitung des Amazon-Logistikzentrums laut Spiegel Online eine Wiederholung dieses Vorfalls vermeiden und stellte offensichtlich Aufpasser ab, die ihre Kollegen dazu anhalten sollten, den Bahnhof auf dem korrekten Weg zu erreichen.
Stellungnahme von Amazon
Ein Amazonsprecher sagte gegenüber PC-WELT:
Die Sicherheit unserer Kollegen hat für uns immer und zu jeder Zeit höchste Priorität. Sollten Mitarbeitende von uns beteiligt gewesen sein: Wir tolerieren ein solches Verhalten auf keinen Fall, werden selbstverständlich mit den Behörden zusammenarbeiten und alles in unserer Macht Stehende tun, damit so etwas hoffentlich nicht mehr vorkommt.
Sprecher von Amazon Deutschland