Harrison Ford ist eine lebende Legende. Es gibt nicht viele Menschen, die Hollywood und die Filmgeschichte so sehr geprägt haben, wie dieser Mann: Er war Han Solo. Er war Indiana Jones. Er hat als President Marshall um die Air Force One gekämpft. Mal der melancholische Antagonist, als Rick Deckard in Blade Runner und nochmal in 2049 mit Ryan Gosling.
Mal heroischer Patriot, als Jack Ryan. Er ist Action-Held, aber immer auch Charakter-Darsteller und liebt das Drama. Fragt man ihn nach seiner schwierigsten Rolle sagt er gerne Richard Kimble in The Fugitive“, bei uns als „Auf der Flucht“ bekannt:
„Ein ganz normaler Typ, der am Mord an seiner Frau verdächtigt wird, gejagt wird und über sich hinauswachsen muss. Er ist nicht der klassische Action-Held, der Ex-Marine. Er ist ein Arzt, ein normaler Kerl, der nicht nur gegen die Macht des Staates, sondern seine Emotionen – den Verlust seiner großen Liebe kämpfen muss. Das war spannend zu spielen.“
Das heißt nicht, dass er seine großen Rollen nicht liebt: Als er in Cannes zu den Filmfestspielen im glänzend schwarzen Smoking einmarschiert und für sein Lebenswerk die Golden Palme d’Or entgegennimmt, steht der versammelte Saal auf und klatscht Minuten lang – da fließen selbst bei einem Harrison Ford die Tränen:

Die wichtigste Nachricht für alle Indy-Fans: LucasFilm macht in Indiana Jones 5 nicht den gleichen Fehler wie mit Luke Skywalker, der als Jedi-Rentner regelrecht vernichtet wurde, damit Rey glänzen konnte. Harrison Ford und Phoebe-Waller Bridge spielen die meisten Szenen zusammen.
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Harrison Ford zu Tränen gerührt zu den Cannes Film Festspielen:
„All die Jahre war ich der coole Typ und jetzt erwischt ihr mich in so einem Moment. Sie sagen ja, dass bevor du stirbst, sieht du dein ganzes Leben nochmal im Schnelldurchlauf an dir vorbei ziehen. Und als ich dieses Real gesehen habe, all meine Rollen – gerade auch als Indy – sah ich mein Leben in der Filmbranche, für das ich unglaublich dankbar bin. Hier steht ein Kind aus Chicago, das es noch immer nicht fassen kann, was für ein Privileg ich genießen durfte. Ihr habt meinem Leben einen Sinn gegeben, Ziele, die Passion lebendig gehalten.“

Die wichtigste Nachricht für alle Indy-Fans: LucasFilm macht in Indiana Jones 5 nicht den gleichen Fehler wie mit Luke Skywalker, der als Jedi-Rentner regelrecht vernichtet wurde, damit Rey glänzen konnte. Harrison Ford und Phoebe-Waller Bridge spielen die meisten Szenen zusammen.
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Warum Harrison Ford mit über 70 sein Mega-Comeback feierte und mit 80 mehr macht als je zuvor

Harrison Ford will es nochmal wissen und spielt gerade so viele Rollen, wie nur irgendwie zeitlich möglich. Etwa in Captain America 4: Brave New World. Hier am Set mit Anthony Mackie
Anthony Mackie Instagram
Harrison Ford wurde oft vorgeworfen, er mache jeden Film, solange das Finanzielle stimmt. Mag sein, aber der Mann ist ungefähr 300 Millionen US-Dollar schwer, hat keine Yachten wie andere Stars und lebt auf einer Ranch in Jackson, Wyoming. Er ist keiner, der mit Geld um sich wirft. Der Vorwurf kam deshalb auf, weil er auf die Frage, was er fühlte als er in den Millennium Falcon einstieg für Star Wars: The Force Awakens, nur antwortete:
„Es ist eine Rolle, für die ich bezahlte wurde, also bin ich hier. Ich wollte nochmal einen Film mit Carrie Fisher machen, deshalb habe ich ja gesagt. Ich mag Star Wars, aber ich mochte Han Solo als Figur nie besonders“.

James Mangold baut viele charmante Szenen ein, die die Atmosphäre einige der größten Harrison-Ford-Filme einfangen. Speziell diese Szene erinnert an Clear & Present Danger und seine ikonische Rolle als Jack Ryan.
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Natürlich sagt er das mit seinem berühmten verschmitzten Grinsen, damit es ihm keiner so richtig böse nimmt. Man könnte auch sagen: Harrison Ford ist echt, was in Hollywood sehr, sehr selten ist. Er sagt, was er denkt, ohne Filter.
Wer Harrison Ford erlebt, dem wird klar, dass er kein IP-getriebener Schauspieler ist, was für Fans und Journalisten gerne mal merkwürdig wirkt – er liebt Star Wars nicht so sehr, wie wir Star Wars lieben, obwohl seine Charakter-Analyse zu Han Solo gegenüber GQs Jonathan Heaf sehr spannend und lesenswert ist:

Zu ehrlich für Hollywood? Ford erntete einen Shitstorm, als er in einem Interview durchblicken ließ, dass er die Figur von Han Solo nie besonders mochte und The Force Awakens vor allem deshalb gedreht hat, um nochmal einen Film mit Carrie Fisher zu machen.
Star Wars Force Awakens, Lucasfilm LTD
„Ich fand ihn einfach nicht sehr tiefgründig. Ich erkenne, dass Solo in diesem Kontext die einzigartige Fähigkeit besaß, außerhalb der Mythologie zu stehen und als Schurke & Querulant identifiziert zu werden. Das passte damals zu mir, und es passt auch heute zu mir. Ich hätte mich damals ziemlich unwohl gefühlt, wenn ich mit der Idee der Macht hausieren gegangen wäre. Ich war also zufrieden mit der Figur, aber ich dachte, da müsste noch mehr sein…. Als wir eine Fortsetzung drehten, [Das Imperium schlägt zurück (1980)], gab es die Romanze mit Leia und die Spannungen mit Luke, die ich gut fand, und im dritten Teil [Die Rückkehr der Jedi (1983)] dachte ich, lass uns Solo killen. Ich dachte, wir sollten dem Ganzen etwas mehr Tiefe verleihen, ein paar Bassnoten hinzufügen. Für mich [die Tötung der Solo-Figur] schien es das Naheliegendste zu sein, ihn umzulegen und ein bisschen Drama zu erzeugen. Das ist aber nicht passiert. Und Gott sei Dank hat mir niemand zugehört!”
Siehe auch dieses sehr empfehlenswerte Interview von GQ UK

„Ich arbeite einfach gerne. Ich fühle mich gerne nützlich. Ich liebe Drehbücher, es Figuren zu entwickeln, zu sehen, wie die Zuschauer darauf reagieren. Würde das gerne noch etliche Jahre machen“, sagte Harrison Ford auf der Pressekonferenz in Cannes.
IDG
Er arbeitet viel weniger für eine Franchise und mehr mit den Menschen dahinter:
„Es geht immer um die Menschen, mit denen man arbeitet. Er ist der gemeinsame Ehrgeiz, der irgendwie aus den Worten auf einem Blatt geschmiedet wird und über viele, viele Umwege und Stationen zu einem Film führt. Nicht nur die Schauspieler, jeder einzelne Belichter, Ton-Techniker, die Kameraleute, die den perfekten Moment einfangen. Das ist die Magie, die nie verfliegt. Ich habe viele Rollen in meinem Leben gespielt und es wäre schade, wenn man sich nur an Han Solo und Indy erinnern würde. Es gibt da draußen unglaublich viele gute Filme, die haben eben nur weniger Geld an der Kinokassen verdient. Aber die sind es genauso wert, geschaut zu werden.“

Harrison Ford gehört zu jenen Schauspielern, die unterschiedliche Ären geprägt haben: Als er ganz jung war, Star Wars. Später Indiana Jones, aber auch Jack Ryan wie hier in Patriot Games.
Paramount Pictures
Ihn und Carrie Fisher teilt eine tiefe Freundschaft – man könnte es Schicksal nennen, dass sie nur zwei Jahre nach den Dreharbeiten zu ihrem letzten Star-Wars-Film im sehr jungen Alter von 60 Jahren an einem Herzfehler nach einem Flug von London nach Los Angeles verstarb. Er spielte in The Expendables 3 als CIA Special Agent Drummer mit, weil sein Freund Sylvester Stallone ihm anbot seine Rolle mitzuschreiben, denn Jack Ryan ist noch immer eine dieser Rollen, an denen er viel Spaß hatte, weil er mit echten CIA-Agenten in Langley arbeitete. In Interviews konnte er sich den Joke nicht verkneifen, „dass die echten CIA-Jungs neidisch auf Hollywood sind, weil sie in echt nicht so coole Hightech-Kommando-Zentren haben wie wir im Film.“
Harrison Ford als waghalsiger CIA-Pilot in The Expendables 3
So wurde aus dem eher langweiligen Agenten, der immer nur in gepanzerten SUV-Limousinen auf Flugplätze fährt, der coole Typ, der sich im letzten Drittel vom letzten Expendables mit einem Helikopter einen wilden Dogfight mit russischen KA-52s liefert. Denn Harrison Ford liebt das Fliegen
„Ich brauche nicht so viel Luxus, aber das Fliegen ist ein gigantischer Luxus, den ich sehr schätze: Ich weiß noch, wie ich mir damals als junger Schauspieler die 15 US-Dollar nicht leisten konnte, die eine Flugstunde mit so einer wunderschönen Piper PA-22 Tri-Pacer gekostet hat. Heute besitze ich eine. Klingt komisch, macht mich aber sehr glücklich“

Schöne Anekdote: Weil Harrison Ford besonders Propeller-Flugzeuge liebt, ließ Steven Spielberg etliche davon in die Indiana-Jones-Filme schreiben, die heute für einige der ikonischsten Szenen stehen. Und die gibt’s ja jetzt auch als LEGO.
LEGO
Genauer gesagt dürfte wohl ein guter Teil seines Vermögens in Flugzeuge geflossen sein. Er besitzt auch eine Beechcraft Bonanza B36T, eine Cessna Grand Caravan, eine Aviat Husky A-1B Zwei-Sitzer Taildragger und sein Liebling – eine de Havilland Beaver. „Ich liebe Radial-Motoren, der Sound ist einfach herrlich. Das ist meine Welt“, erzählte er mal Aviation Magazine.
„Ich lebe auf einer Ranch, das hält fit. Ich arbeite auch einfach gerne, wenn ich noch 10 wirklich gute Jahre habe, wäre das Glück“

Es gibt wohl kaum eine Rolle, die besser zu ihm passt: In der Paramount-Serie 1923 spielt Harrison Ford einen Cowboy, der Rinder treibt, sein Land verteidigt und mit Hellen Mirren eine Ranch verteidigt, die seiner eigenen recht ähnlich ist.
Paramount
Als er das auf einer Pressekonferenz zu Indiana Jones und Das Rad des Schicksals so beiläufig fallen lässt, ist das so ein Schockmoment, denn darüber spricht man in der Filmwelt selten. Darüber, dass wir alle irgendwann gehen müssen und sicherlich auch ein Harrison Ford weiß, dass er sich glücklich schätzen kann, mit 80 noch so fit und gesund zu sein. Viele haben da ja schon die ersten oder zweiten Wehwehchen.
Es gab ja durchaus Leute, die überrascht waren, dass er in „Das Erwachen der Macht“ respektive „The Force Awakens“ sich nicht mehr ganz so athletisch in den Graben beim Kampf wirft, wie er das in „Return of the Jedi“ im Jahr 1983 gemacht hat. Ganz ehrlich – in seinem letzten Star-Wars-Film war er auch schon 72 – wenn wir selbst in dem Alter noch so fit sind, dann dürften wir ziemlich happy sein. Ihm ist es wichtig, dass auch Indiana Jones in seinem letzten großen Abenteuer nicht als Joke herüberkommt:

Indiana Jones 5 ist ein Film für Fans, die sich damit arrangieren können, dass Indy jetzt ein älterer Gentleman ist. Wenn er gegen Gegner kämpft, die halb so alt sind wie er, dann sieht man das. Einige finden das schlimm, wir freuen uns ihn nochmal in der Rolle seines Lebens zu sehen.
2023 & ™ Lucasfilm LTD
„Ich mochte die Idee Indy digital zu verjüngen überhaupt nicht. Ich sagte „Ich sehe so aus, wie ich aussehe. Aber als ich das Skript las und verstand, wie das alles zusammenfließt und mir LucasFilm zeigte, wie sie quasi eine KI über all meine Filme laufen lassen, um diese digitale Replika meines jüngeren Ichs zu erzeugen, da war ich neugierig.“
Witzige Anekdote aus Cannes: Eine britische Journalistin der Vogue sagte Harrison Ford: „Ich finde ja, Sie sind nach wie vor verdammt heiß Mister Ford. Wie bleiben sie so fit?“
Harrison Ford auf seiner Ranch in Wyoming:
Wenn Mann oder Frau mit 80 noch solche Komplimente bekommen, haben sie wohl alles richtig gemacht im Leben. Ford lebt mit seiner Frau und Ally-McBeal-Star Callista Flockhart auf einer Ranch in Jackson Hole, Wyoming. Dieses Anwesen neben der Villa in Brentwood, Kalifornien sind der größte Luxus, den sich das Paar je geleistet hat: Ein 3 Quadratkilometer großes Gelände in den Teton Mountains, in dem Harrison Ford alle Möbel selbst geschreinert hat, denn das ist eines seiner Lieblingshobbies. Neben seinen Pferden.

Egal, was Kritiker und Fans über Indiana Jones 5 sagen werden, können wir eines festhalten: Dieser Mann hat es sich verdient einfach nur die Rollen mit den Menschen zu spielen, auf die er Lust hat. Was für eine beeindruckende Persönlichkeit.
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„I’m old news here. I’ve lived here for 35 year“, sagt er darüber. Sprich, man kennt ihn hier. Er schätzt es, dass ihn die Leute hier als Nachbarn betrachten, mit dem man einfach quatschen kann und er nicht als Star behandelt wird, was Ford nicht so sehr behagt. Er empfindet es nach wie vor als merkwürdig, dass Fans zwar sehr gerne ein Foto mit ihm machen und ein Autogramm nehmen, aber sich keiner mehr normal mit ihm unterhält:
„Auch nach all den Jahren in diesem Geschäft bin ich lieber Schauspieler, als Hollywood-Star. Es ist immer ein bisschen merkwürdig, wenn dich alle anstarren, wie ein wildes Tier im Zoo, aber sich nicht normal mit dir unterhalten. Zum Beispiel über Filme.“