Nvidia hat sich in wenigen Monaten zu einem der zehn wertvollsten Unternehmen der Welt gemausert und damit einen Trend gekrönt, der schon durch den Kryptoboom eingeleitet worden ist. Doch während Nvidia mit Zukunftstechnologien Rekordumsätze einfährt, habe ich mich als Gamer abgewandt – zumindest erst einmal.
Ich habe Markentreue schon immer für ein albernes Konzept gehalten, gerade im Technologiebereich. Ein Produkt sollte immer für sich bewertet werden, anhand der für den Anwendungszweck relevanten Kriterien. Eine Grafikkarte beispielsweise wird anhand Faktoren wie Leistung, Energieeffizienz, Funktionsumfang und Preis bewertet.
Welches Unternehmen das Produkt herstellt, sollte höchstens dann in die Entscheidung einfließen, wenn es sich zum Beispiel durch soziales Engagement oder umweltfreundliche Produktion auszeichnet.
Grafikkarten-Vergleich 2023: Nvidia GeForce RTX und AMD Radeon RX GPUs im Benchmark-Test
Nun kann niemand behaupten, dass Nvidia schlechte Grafikkarten herstellt. Ganz im Gegenteil, das Unternehmen hat in den vergangenen Jahren viele Trends gesetzt: G-Sync, Raytracing, DLSS, und Reflex, um nur einige zu nennen. Gerade in der Oberklasse ist Team Grün mit der RTX 4090 gewissermaßen alternativlos. Und dennoch habe ich mich, nachdem ich kürzlich ein PC-Upgrade für fällig befunden habe, für eine AMD-Grafikkarte entschieden.
Perspektivwechsel gefällig? Kollege Oliver Kuhlmann ist kürzlich den umgekehrten Weg gegangen und von AMD auf Nvidia gewechselt. Die Gründe dafür erfahren Sie hier:
Obwohl meine Geforce RTX 2080 Ti mir über Jahre gute Dienste geleistet hat, habe ich sie vor kurzem durch eine RX 6950 XT (günstig bei Amazon) aus dem Hause AMD ersetzt. Hier sind meine ganz persönlichen Gründe dafür:
Die Tücke der neuen Technologien
In den vergangenen Jahren hat Nvidia eine neue Technologie nach der anderen eingeführt und damit auch letztlich (zumindest aktuell) das Duell gegen AMD gewonnen. Mit Raytracing hat Nvidia einen Grafiktrend gesetzt, der uns wohl noch länger begleiten wird und bei dem Team Grün Vorreiter ist. Auch die Upscaling-Technologie DLSS hat vor den Alternativen von AMD und Intel immer noch die Nase vorn.
Allerdings entwickelt es sich immer mehr zu einem Trend, dass diese Innovationen nicht wirklich rückwärtskompatibel sind – und das ist aus der Sicht des Konsumenten eine Katastrophe. Zum Beispiel besagtes Deep Learning Super Sampling (DLSS), dessen neueste Version 3 inklusive Frame Generation nur mit den aktuellen 40er-Karten von Nvidia kompatibel ist.
Haben Sie also in den vergangenen Jahren eine 20er- oder 30er-Karte erstanden, womöglich für sehr viel Geld angesichts der Grafikkartenpreise der letzten Jahre, schauen Sie nun bereits in die Röhre.
Dass diese neuen Technologien nicht auf alten Karten funktionieren, hat natürlich technische Gründe. Dennoch missfällt mir als Konsument das Gefühl, wenn ein teures Produkt schon nach wenigen Jahren vom Hersteller in die Antiquitätenabteilung verschoben wird. Zumal es auch anders geht, wie AMD zeigt.
Auch wenn Nvidia von einem technischen Standpunkt gute Argumente auf seiner Seite hat, ist auch AMD in den vergangenen Jahren nicht untätig gewesen – und verfolgt eine vollkommen andere Strategie. AMD macht die hauseigenen Technologien für so viele Anwender wie möglich verfügbar. Ein Beispiel dafür ist FreeSync, das im Gegenteil zu G-Sync mit einer deutlich größeren Auswahl an Monitoren funktioniert, die oft auch günstiger sind als Pendants mit G-Sync-Zertifizierung.
Noch deutlicher wird es beim Vergleich von FSR gegen DLSS. Während AMDs Technologie sogar mit Grafikkarten der Konkurrenz von Nvidia und Intel kompatibel ist, schließt Nvidia nicht selten die GPUs aus dem eigenen Haus aus, wenn es um neue Funktionen geht. So funktioniert DLSS erst bei der Verwendung einer RTX-GPU, ältere GTX Modelle schauen in die Röhre, und Frame Generation sogar nur mit den aktuellen RTX-4000-Grafikkarten. AMD setzt auf die Industriestandards und Open Source Lösungen, während Nvidia proprietäre Lösungen implementiert.
Es fühlte sich an, als ob Nvidia ständig neue Funktionen auf den Markt bringt, ohne wirklich auf die Bedürfnisse bestehender Kunden einzugehen. Team Rot mag bei den neuesten Hightech-Funktionen etwas hinterherhängen, setzt aber auf quelloffene Technologien und muss sich in den fundamentalen Bereichen wie der Rasterisierungsleistung und der Speicherausstattung keineswegs verstecken.
Und auch wenn Raytracing mittlerweile in immer mehr Spielen implementiert ist: ohne Raytracing lässt sich jedes Spiel spielen, ohne Rasterisierung dagegen keines – von ein paar Ausnahmen mit Pathtracing mal abgesehen.
AMD konzentriert sich auf das Wesentliche
Während Nvidia, auch als Folge des Unternehmenswandels in Richtung KI-Technologien, zwar Innovationstreiber ist, konzentriert sich AMD in den letzten Jahren zunehmend auf das Wesentliche. Schillerndes Beispiel ist der verbaute Videospeicher, der bei höheren Auflösungen und Detailgraden zunehmend wichtiger wird.
Erst kürzlich hat Nvidia mit der RTX 4060 wieder einmal gezeigt (zu unserem ausführlichen Test geht es hier entlang), dass dem Unternehmen der Spagat zwischen dem Einsatz neuer Technologien und einer soliden Grundausstattung nicht gelingt. Eine starke Raytracing-Leistung und DLSS 3 bringen nur wenig, wenn die 8 GB Videospeicher schon in Full-HD bei modernen Spielen nicht mehr ausreichen. Zumal beide Technologien den Speicherbedarf weiter erhöhen.
Auch AMD ist vor diesen Fehlern nicht gefeit, wie auch die Radeon RX 7600 mit ebenfalls nur 8 GB Arbeitsspeicher zeigt, hat aber gerade in der Mittelklasse und Oberklasse oft eine bessere Speicherausstattung. Ein anschauliches Beispiel dafür ist die RX 7900 XTX, die nicht nur über deutlich mehr Videospeicher verfügt, sondern auch günstiger ist als ihr Nvidia-Gegenstück RTX 4080. Und auch bei der reinen Rasterisierungleistung liegen AMD-Karten bei gleichem Preis oft gleichauf oder sogar vor Nvidia.
Besseres Preis-Leistungs-Verhältnis
Wenn wir die RTX 4090 einmal außen vor lassen (bei einem Preis ab 1.600 Euro (im Preisvergleich) für meine etwaigen Kaufentscheidungen ohnehin irrelevant), finden Sie für jede Nvidia-Karte ein AMD-Äquivalent, das bei der Speicherausstattung und Rasterisierungsleistung gleichauf liegt. Und in den meisten Fällen wird die AMD-Karte die günstigere Alternative sein.
Wenn Sie Wert auf Raytracing legen und DLSS gegenüber AMDs Alternative FSR bevorzugen, stellt sich diese Frage natürlich nicht. Denn in diesen Bereichen ist Nvidia derzeit einfach nicht zu schlagen, und genau aus diesem Grund kann das Unternehmen auch sehr kreativ bei der Preisgestaltung vorgehen.
AMD dagegen muss und will mit klassischen Argumenten überzeugen, nämlich einer soliden Leistung, zugänglichen Alternativ-Technologien und einer üppigen Speicherausstattung zu einem (zumindest im Vergleich zur Konkurrenz) attraktiven Preis. Und wenn für Sie, so wie für mich, diese Punkte letztlich ausschlaggebend sind, dann sollten Sie bei Team Rot bei Ihrem nächsten PC-Upgrade zumindest in Betracht ziehen.
AMD Software Adrenalin Edition vs. Nvidia GeForce Experience
Aber nicht nur die Hardware, sondern auch die Software sollte bei der Kaufentscheidung eine Rolle spielen. In einem separaten Artikel gehen wir ausführlich auf den Vergleich der AMD Software Adrenalin Edition und Nvidia GeForce Experience ein.
Als langjähriger Nutzer einer Nvidia Grafikkarte ist es für mich immer noch unverständlich, warum es der Hersteller nicht schafft, alle Funktionen in einer Software zu vereinen. Möchte ich etwa die Monitorauflösung oder Bildwiederholrate ändern, G-Sync aktivieren oder Dynamic Super Resolution verwenden, dann geschieht das in der Nvidia Systemsteuerung, welche, nur mal nebenbei gesagt, auch heute noch genauso aussieht wie vor 20 Jahren.

AMD
Soll dagegen ein Spiel automatisch optimiert oder das Spiel via ShadowPlay aufgezeichnet respektive gestreamt werden, dann ist GeForce Experience notwendig. Als alter Hase weiß ich mittlerweile, wo ich welche Einstellung finden kann, aber für Neulinge ist es schon anwenderunfreundlich, wenn man sich durch zwei Anwendungen durchklicken muss, bis man das gewünschte Setting gefunden hat. Hinzu kommt, dass die Verwendung von GeForce Experience ein Nutzerkonto voraussetzt.
Bei AMD dagegen lässt sich zusammen mit dem Treiber die AMD Software Adrenalin Edition installieren. Hier gibt es keinen Anmelde-Zwang und alle Funktionen lassen sich übersichtlich in einer Anwendung finden.
Anmerkung der Redaktion: In der ersten Fassung dieses Beitrags hieß es, GeForce Experience werde benötigt, um neue Treiber zu installieren. Das ist nicht korrekt, Treiber lassen sich jederzeit von der Nvidia-Homepage herunterladen und installieren.