2015 hatte der US-Konzern Valve schon einmal Gamingsysteme mit Linux veröffentlicht. Steam-OS basierte damals auf Debian und die Hardware wurde von Firmen wie Dell oder Alienware gebaut. Trotz der flexiblen Preisspanne zwischen 400 und 6000 US-Dollar geriet die Idee zum finanziellen Flop. Zudem mangelte es am Spieleangebot und einem funktionierenden Compatibility Layer wie Proton. Auch der Desktopmodus war kaum zu gebrauchen – doch das ist jetzt anders.
Das Steam Deck ist eine mobile Spielekonsole mit PC-Hardware und Linux im Hintergrund. Derzeit ist die günstigste Variante für 419 Euro zu haben. Wenn die Leistung dieser Hardware für aktuell 6000 Spiele ausreicht, die als „verified“ oder „playable“ für die Konsole zertifiziert sind, dann sollte das auch für einen Desktopersatz genügen.
Steam Deck im Jahr 2023: Diese 10 Features kennt kaum einer
Steam-OS basiert auf Arch Linux
Valve hat aus vergangenen Fehlern gelernt. Die Steam Deck ist nicht nur ein mobiles Gaming Device, sondern Steam-OS 3 basiert nun auf Arch Linux. Das wird ähnlich wie Manjaro nicht als Rolling Release veröffentlicht, sondern in periodischen Abständen ausgeliefert.
Die Distribution profitiert durch die schnelleren Releases von Treibern und Grafik-APIs gegenüber der alten Debian-Basis. Die Systemsoftware mit Linux-Kernel 5.13 (aktuell 6.1), KDE Plasma 5.26 (aktuell 5.27) und Qt-Toolkit 5.15 (aktuell 6.4) könnte jedoch noch etwas aktueller sein. Dank Proton laufen für Windows entwickelte Spiele unter Linux zudem problemlos(er) als nur mit Wine. Auch der Desktopmodus ist jetzt definitiv gut nutzbar.
Steam Deck: Hardware und Benchmarks
Der verwendete AMD-APU basiert auf der Zen-2- und RDNA-2-Architektur und soll die Leistung eines Ryzen der 3000er-Serie oder einer Radeon der RX 6000er-Serie liefern. Die Vierkern-CPU mit acht Threads taktet zwischen 2,5 und 3,5 GHz. Der Arbeitsspeicher mit 16 GB Low-Power-DDR5 ist ebenfalls guter Standard. Diese Ausstattung ist bei allen Deck-Varianten identisch.
Der Benchmark Geekbench 6 attestiert für die teuerste Steam-Deck-Version mit NVME einen Singlecore-Wert von 1191, für Multicore 4209 – nicht exorbitant, aber doch mehr als manch gebrauchter Laptop und damit absolut desktopttauglich.
Die verschiedenen Modelle unterscheiden sich vor allem in einem anderen Display-Glas (die 512-GB-Variante ist entspiegelt, geätzt und soll bessere Farbwerte liefern) und unterschiedliche Festplatten: 64 GB eMMC, 256 GB NVMe SSD und 512 GB NVMe SSD. Alle lassen sich mit einer Micro-SD-Karte erweitern.
Eine Webcam ist nicht verbaut, Sprachkonferenzen sind aber dank Stereo-Mikrofonarray und Stereolautsprechern problemlos umsetzbar. Die Lautsprecher klingen bei Musik eher dünn, dafür ist das Sprachverständnis gut.
Es sollte dennoch ein Headset via Bluetooth, am Klinkenstecker oder via USB-Adapter genutzt werden, denn der Lüfter wird wegen der nahen Lüftungsschlitze auf den integrierten Mikros deutlich hörbar. Zudem neigt der verbaute Lüfter der Marke Delta zum Fiepen. Der leisere Huaying-Lüfter ist für circa 25 Euro zum Selbsteinbau bestellbar.
Siehe auch: Lüfter von iFixit macht Steam Deck deutlich leiser
Dockingstation für Desktopbetrieb

Ohne Dockingstation ist das Steam Deck kaum als Desktop zu gebrauchen. Das hauseigene Valve-Dock kostet etwa 50 Euro.
Amazon
Peripherie kann über den USB-C Anschluss mittels Adapter, Hub oder einer passenden Dockingstation angeschlossen werden. Damit wird das Steam Deck zum zweiten Monitor. Das hauseigene Steam Deck Dock bietet drei USB 3.1-Anschlüsse, Gigabit-Ethernet, Displayport 1.4, HDMI 2.0 und unterstützt damit maximal zwei externe Monitore bis 4K bei 60 Hz oder 1440 p mit 120 Hz. Ein externer Bildschirm ist für den Desktopbetrieb in jedem Fall Pflicht.
Ohne angeschlossenes Netzteil geht dem Akku je nach Nutzung nach zwei bis acht Stunden der Saft aus. In der Praxis eher früher als später. Generell gibt es keinerlei Probleme bei Alltagsprogrammen wie Libre Office, Firefox, Thunderbird, Gimp, Kdenlive, Darktable, Obsidian und natürlich Steam: Alle typischen Desktopprogramme können installiert werden und laufen einwandfrei.
Speicher und Zugriffszeiten sind auf externen Micro-SD-Karten und Festplatten ohne merkliche Verzögerung.
Steam-OS 3 (oder Steam-Deck-OS) setzt auf den Desktop KDE und zusätzliche Programme installiert man standardmäßig nur als Flatpak über den App Store Discover oder im Terminal. Der Zugriff auf den Terminalpaketmanager pacman ist ab Werk deaktiviert, kann aber mit
sudo steamos-readonly disable
auf Wunsch freigeschaltet werden. Das lohnt sich vor allem für Nutzer, die im Terminal mehr als das vorinstallierte Minimalpaket nutzen möchten. Den Steam-Paketquellen fehlen allerdings etliche populäre Programme wie etwa das Infotool inxi. In Problemfällen oder zum Einbau einer größeren Festplatte gibt es ein „SteamOS Recovery-ISO“ nebst Anleitung.

Pacman im Terminal: Der Arch-Paketmanager ist standardmäßig deaktiviert, kann aber mit einem Befehl freigeschaltet werden.
IDG
Sicherheitsdefizite: Valve bietet als Sicherheitsoption lediglich eine Pin-Funktion an, die beim Start, beim Aufwachen aus der Bereitschaft und beim Aktivieren des Desktopmodus aktiv wird. Eine ausgebaute Festplatte oder SD-Karte mit Home-Ordner kann daher leider problemlos ausgelesen werden.
Eine komplette Verschlüsselung des Dateisystems (Full Disk Encryption) ist nur manuell möglich. Dann muss allerdings beim Neustart der Konsole immer eine Tastatur verfügbar sein. Für sensible Daten über die Nutzungsdaten von Browser und Dateiverlauf hinaus sollten Lösungen wie Veracrypt in Erwägung gezogen werden.
Passwörter für root und für den Standardbenutzer „deck“ sind nicht vergeben und sollten daher beim ersten Desktopstart mit passwd im Terminal für das Benutzerkonto sowie mit sudo su und anschließendem passwd für root angelegt werden.
Steam Deck 2: Warum sich Warten lohnen könnte
Steam Deck: Gaming und Allround-PC?

Das Tool Neofetch zeigt es: Die aktuell verwendete Softwarebasis ist nicht mehr auf dem neuesten Stand.
IDG
Das Steam Deck ist ein vielseitiges Stück Hardware. Valve bleibt zwar ein gewinnorientierter Konzern und will Nutzer ins Steam-Universum locken, dennoch zeigt Valve, wie man es richtig macht – mit akzeptablen Preisen, austauschbarer Hardware, offiziellen Ersatzteilen, Drittherstellerprodukten und Linux als freiem Unterbau mit zugänglichem Desktopmodus.
Die Leistung reicht jederzeit für alltägliche Aufgaben. Mit einer Dockingstation wird es zu einem brauchbaren Begleiter für Browsen, Streamen, Mail, Text-, Grafik-, Foto-, Audio- und Videobearbeitung. In seltenen Fällen hängt das System den Eingaben für ein, zwei Sekunden hinterher, fängt sich aber wieder.
Einen stationären Arbeitslaptop kann das Steam Deck spielend ersetzen. Lediglich die teils veraltete Softwarebasis und mangelnde Verschlüsselungsmöglichkeiten trüben den insgesamt positiven Eindruck. Immerhin soll aber mit Steam-OS 3.5 ein neuer Kernel Einzug halten.