Bei der Bundesnetzagentur macht man sich Sorgen: Weil der Strombedarf immer weiter steigt und man in Deutschland zunehmend auf erneuerbare Energien (EE) setzt, wächst das Risiko für kurzfristige Engpässe oder Überlastungen – zumindest im lokalen Netz. Denn obwohl technische Geräte beim Stromverbrauch immer effizienter werden, steigt mit den rasch zunehmenden Elektroautos und Wärmepumpen der örtliche Strombedarf teils so stark an, dass Stromnetzen deswegen eine Überlastung droht.
Auch der landesweite Stromtransport von EE kann Probleme machen: Aktuell muss das deutsche Stromnetz nämlich noch umfangreich ausgebaut werden, um beispielsweise Windenergie aus den nördlichen Bundesländern (wo viel Wind weht) zuverlässig im ganzen Land verfügbar zu machen.
Die Schwankungen beim Ertrag von EE sind hingegen nicht so gravierend: In Monaten, in denen vergleichsweise wenig Sonne scheint, weht nämlich oft mehr Wind. So gleichen sich manche Versorgungslücken bei EE von alleine aus. Dennoch bleibt das Problem: Was passiert, wenn dem lokalen Netz aufgrund des hohen Verbrauchs eine Überlastung droht?
Auf diese Frage hat die Bundesnetzagentur jetzt eine Antwort geliefert: Dann wird gedrosselt. Was das genau bedeutet, wen solche Sparmaßnahmen betreffen und ob der Strom dann noch fürs Wichtigste reicht, lesen Sie hier.
Was ist eigentlich das Problem mit den Stromnetzen?
Experten sind sich einig: Der Strombedarf in Deutschland wird in den nächsten Jahren deutlich zulegen. Besonders E-Autos mit ihren Ladestationen und die vermehrte Nutzung von strombetriebenen Wärmepumpen sind dafür verantwortlich. Die Bundesnetzagentur sieht dabei aber ein Problem, denn besonders die lokalen Niedrigvolt-Netze könnten kapitulieren, wenn dort reihenweise solche energiehungrigen Verbraucher angeschlossen werden. Man macht sich offenbart ernste Sorgen um lokale Überlastungen oder kollabierende Netze.
Strom erzeugen auf dem Balkon – so einfach geht’s
Was bedeutet Stromdrosselung?
Auch im Extremfall will die Bundesnetzagentur im Rahmen einer Stromdrosselung niemanden komplett vom Netz nehmen. Der Stromverbrauch soll vielmehr dadurch reduziert werden, dass man Netzbetreibern erlaubt, die Abnahme von Strom durch die angeschlossenen Verbraucher zu reduzieren. Es wird zu Hause dann also nicht plötzlich kalt und dunkel, Wallboxen für E-Autos oder Wärmepumpen erhalten aber gedrosselte Strommengen. Auch das aber nur für ein paar Stunden und mit genau definierten Limits.
Bei Wärmepumpen soll man eine reduzierte Leistung innerhalb so kurzer Zeit kaum wahrnehmen können und das E-Auto lädt weiter – nur eben langsam. Im Falle einer Stromdrosselung können Verbraucher Ladestationen für E-Autos und Wärmepumpen immer noch mit 4,2 Kilowatt betreiben. Ein E-Auto soll man damit in zwei Stunden wieder für eine Reichweite von 50 km aufladen können. Ursprünglich sah die sogenannte Mindestbezugsleistung nur 3,7 Kilowatt an gedrosselter Leistung vor, man hat hier im Sinne des Verbrauchers aber noch einmal nachgebessert. Wer zudem eine eigene Solaranlage auf dem Dach hat, soll auch mehr Strom beziehen dürfen.
Was wäre von einer Stromdrosselung alles betroffen?
Bei der Stromdrosselung geht es nur darum, den Verbrauch von Wärmepumpen und Ladestationen für E-Autos zu rationieren, solange dem Stromnetz eine Überlastung droht. Andere Geräte oder Haushaltsanschlüsse sind von einer Stromdrosselung nicht betroffen.
Gibt es vorher eine Warnung?
Sollte es tatsächlich zur Stromdrosselung kommen, dann sollen Verbraucher vorher rechtzeitig informiert werden. Das E-Auto könnte man also vor einer Drosselung noch einmal ganz aufladen oder im Zeitfenster eine andere Ladestation aufsuchen, wenn man dringend auf volle Akkus im Auto angewiesen ist.
Wie lange hält eine Drosselung an?
Das kommt auf den Verbrauch und die Verfügbarkeit im örtlichen Netz an. Mit mehr als ein paar Stunden dürfte dabei aber nicht zu rechnen sein.
Wann kommt die Stromrationierung?
Die Stromdrosselung soll ab 1. Januar 2024 möglich sein.
Kann es zur Total-Abschaltung kommen?
Nein, die Drosselung sieht nur eine Reduzierung des verbrauchten Stromes vor. Bei der Bundesnetzagentur geht man auch davon aus, dass die Maßnahme eine absolute Ausnahme sein wird und spricht vom „Ultima Ratio“, also quasi vom letzten Notnagel. Weil der Grundbezug von Strom zudem weiterhin gewährleistet sein soll, würden die meisten Verbraucher von der Drosselung wohl auch gar nichts mitbekommen.
Ein wichtiges Werkzeug gegen schwächelnde Netze ist zudem weiterhin der Netzausbau – und an dem wird fleißig gearbeitet. Etliche tausend Kilometer neuer Stromtrassen will man schon in den nächsten beiden Jahren errichten.
Was kann man selbst tun, um die Versorgungssicherheit zu erhöhen?
Auch hierzu gibt die Bundesnetzagentur eine Antwort: Jede Reduzierung des eigenen Stromverbrauchs hilft und ist sinnvoll, auch wenn es sich dabei um scheinbare Kleinigkeiten handelt. Geräte im Standby sind beispielweise chronische und oft nutzlose Energieverschwender, auch beim Kühlschrank und an der Gefriertruhe lässt sich viel Energie sparen, wenn man die Geräte einfach auf die richtige Temperatur einstellt.
Fürs Energiesparen im Alltag hat die Verbraucherzentrale NRW beispielsweise einen nützlichen Leitfaden veröffentlich. Auch jenseits von Energiemangel oder Stromdrosselung kann man damit einen Beitrag leisten und den Geldbeutel schonen.
Der Extremfall: Wenn der Strom doch komplett ausfällt – wen trifft es zuerst?
Sollte dem Stromnetz trotz aller Maßnahmen tatsächlich der Kollaps drohen (was wirklich sehr unwahrscheinlich ist), dann sind davon alle betroffen. Anders als etwa bei der Gasversorgung gibt es am Stromnetz in Deutschland keine privilegierten Abnehmer oder Sonderstellungen. Fehlt es an Strommengen oder müssen Verbraucher zwingend vom Netz genommen werden, dann schalten die Übertragungsnetzbetreiber nach und nach Lasten ab – also die Anschlüsse von Stromkunden. Die Abschaltung von Verbrauchern erfolgt dann reihum in einer sogenannten „rollierenden Abschaltung“, die möglichst neutral und fair sein soll.
Dazu sagt die Bundesnetzagentur: „Grundsatz bei der Abwägungsentscheidung über die zu erfolgenden Abschaltungen ist, dass die Deckung des lebensnotwendigen Bedarfs so umfangreich wie möglich sichergestellt ist.“ Gebietsabschaltungen dürfen dabei nicht länger als vier Stunden dauern.
Blackout, Brownout, Drosselung – was ist der Unterschied?
Als Blackout bezeichnet man gerne jede Art von Stromausfall, das ist technisch aber nicht ganz korrekt:
Blackout: Hierbei handelt es sich laut Bundesnetzagentur um ein „unkontrolliertes und unvorhergesehenes Versagen von Netzelementen“. Fallen große Teile oder gar das ganze Netz aus, spricht man vom „Schwarzfall“ oder eben vom Blackout. Ein Blackout wird also nicht durch Energiemangel im Netz ausgelöstes, sondern durch Störungen im Netzbetrieb.
Brownout: Anders als beim Blackout, handelt es sich beim Brownout um eine kontrollierte Methode der Netzbetreiber. Übersteigt der Verbrauch im Netz die Menge des eingespeisten Stroms, müssen die Betreiber den Verbrauch vorübergehend reduzieren. Das geschieht dann, indem man Verbraucher (oft mit Ankündigung) vom Netzt nimmt. So stellt man Verbrauch und Verfügbarkeit von Strom wieder ins Gleichgewicht.
Stromdrosselung: Die geplante Netzdrosselung der Bundesnetzagentur ist ein deutlich milderes Instrument als der Brownout, dabei wird niemandem der Strom abgeschaltet. Es handelt sich dabei nur um eine Notlösung, falls örtliche Stromnetze durch hohe Verbraucher überlastet werden. Mit zunehmendem Netzausbau sinkt das Risiko, dass diese Maßnahme überhaupt nötig wird.