Es gibt einige etablierte Fernwartungstools, etwa Teamviewer und Anydesk. Bei privater Nutzung sind beide kostenlos, die Grenze zum kommerziellen Einsatz ist aber schnell überschritten. Wenn die Hersteller bei zu häufiger oder langer Verwendung einen kommerziellen Einsatz vermuten, erscheinen lästige Aufforderungen zum Kauf einer Lizenz oder die Programme stellen den Dienst ganz ein.
Wir stellen Ihnen hier alternativ das Open- Source-Tool Rustdesk vor, das ähnliche Funktionen wie Teamviewer oder Anydesk bietet, aber bei jeder Art der Nutzung kostenlos ist. Rustdesk ist für Linux, Windows, Mac-OS, Android und iOS verfügbar.
Damit immer eindeutig ist, was gemeint ist, nennen wir den ferngesteuerten Rechner „PC A“ (Server) und den zugreifenden und fernsteuernden „PC B“ (Client).
Lesetipp: Warum Linux sicherer ist als Windows
Rustdesk installieren

Fernzugriff einrichten: Mit der Open-Source-Software Rustdesk holen Sie sich den Desktop eines entfernten PCs auf Ihren Rechner. Das ist nützlich bei Wartungsarbeiten und Hilfestellungen.
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Unter github.com/rustdesk/rustdesk/releases finden Sie alle Installationspakete. Nutzer von Ubuntu oder Linux Mint laden das DEB-Paket herunter, es gibt außerdem Dateien für Fedora 28, Manjaro, Raspberry-Pi-OS und Open Suse. Eine Installation ist erforderlich, weil Rustdesk zusätzliche Pakete erfordert. Für Windows gibt es auch eine portable Variante, jedoch wird die ordentliche Installation auch hier empfohlen.
Die Fernsteuerung von Rechnern ohne angeschlossenen Monitor ist nicht möglich, außer man verwendet einen HDMI-Dummy-Stecker. Die unbeaufsichtigte Installation oder die Steuerung über die Kommandozeile ist nicht vorgesehen. Man muss Rustdesk auf PC A zumindest einmal starten und kann später auch den unbeaufsichtigten Zugriff nutzen.
System konfigurieren: Rustdesk arbeitet nicht mit dem Displayserver Wayland zusammen, den Ubuntu (nicht Linux Mint) inzwischen standardmäßig verwendet. Der Nutzer von PC A muss sich daher abmelden, im Anmeldebildschirm den Benutzernamen anklicken und über das Zahnradsymbol rechts unten „Ubuntu auf Xorg“ wählen. Danach meldet sich der Benutzer mit seinem Passwort an. Die Einstellung wird beim nächsten Start des Systems als Standard verwendet.
Das Programm gibt eine Warnung aus, dass Wayland für den Anmeldebildschirm weiter aktiviert ist. Das spielt jedoch keine Rolle, wenn der Benutzer auf PC A angemeldet ist.

Displayserver wechseln: Rustdesk unterstützt kein Wayland; auf dem ferngesteuerten PC muss der Nutzer deshalb über das Sitzungsmenü zu „Ubuntu auf Xorg“ wechseln.
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Damit Rustdesk auch funktioniert, wenn keine Benutzer angemeldet sind, schaltet man Wayland auf PC A besser ganz ab. Öffnen Sie die Konfigurationsdatei mit
sudo gedit /etc/gdm3/custom.conf
und entfernen Sie das Kommentarzeichen („#“) vor dieser Anweisung:
WaylandEnable=false
Danach starten Sie Linux neu. Im Terminal lässt sich mit
echo $XDG_SESSION_TYPE
prüfen, welcher Displayserver aktiv ist. Die Antwort lautet entweder „x11“ oder „wayland“.
Fernverbindung herstellen
Rustdesk meldet sich mit einem übersichtlichen Fenster, in dem eine ID angezeigt wird. Darunter steht ein zufällig generiertes Passwort, das sich per Klick auf das Symbol rechts daneben sichtbar machen lässt.
- Der Hilfesuchende startet das Programm auf PC A
- Dann übermittelt ID und Passwort an den Experten auf PC B
- Der Experte tippt die ID des Hilfesuchenden unter „Entfernten Desktop steuern“ ein. Nach einem Klick auf „Verbinden“ gibt man auch das Passwort ein. Alternativ geht es auch ohne Passwort, indem man auf PC A mit „Akzeptieren“ bestätigt.
Linux startet Rustdesk über einen Dienst automatisch und das Programm läuft im Hintergrund. Das Passwort ändert sich bei neuen Sitzungen nicht. PC B kann daher ohne Zutun des Besitzers von PC A eine Verbindung aufbauen, wenn das Passwort bekannt ist. Für den unbeaufsichtigten Zugriff ist das praktisch, aber ansonsten nicht immer erwünscht. Über das Stift-Symbol neben dem Eingabefeld lässt sich auf PC A jedoch bei Bedarf ein neues Passwort vergeben.
Der Desktop von PC A wird auf PC B in einem Fenster dargestellt. Sie können darin arbeiten, als ob Sie direkt vor dem Bildschirm sitzen würden. Tastatur und Maus lassen sich verwenden und für den Austausch von Text steht die Zwischenablage zur Verfügung. Über das Drei-Punkte-Menü kann man auf PC A einzelne Optionen abschalten, beispielsweise die Verwendung der Zwischenablage.
Auf dem Bildschirm von PC A erscheint bei aktiver Rustdesk-Sitzung ein kleines Fenster, über das sich die Berechtigungen ebenfalls bestimmen lassen. Die Schaltfläche ganz rechts („Kopieren und Einfügen von Dateien zulassen“) scheint weitere Optionen für den Datenaustausch zu bieten, beispielsweise Kopieren einer Datei auf PC B und Einfügen im Dateimanager von PC A. Die hat bei unseren Tests nicht funktioniert. Im Drei-Punkte-Menü auf PC A ist jedoch standardmäßig „Datenübertragung aktivieren“ eingeschaltet. PC B kann per Klick auf „Datei übertragen“ einen Dateimanager öffnen und damit Dateien oder Ordner auf PC A kopieren.
Fernwartung per Konsole: So klappt die SSH-Fernwartung mit Linux
Zusätzliche Funktionen von Rustdesk

Zugriff auf Serverdienste: Statt oder neben einer Desktopsitzung lässt sich auch SSH nutzen. Dafür muss man auf PC B eine Portumleitung beispielsweise von „6006“ auf „22“ einrichten.
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Für Rustdesk sind keine Änderung der Netzwerk- oder Firewallkonfiguration nötig, weil der Verbindungsaufbau über einen Vermittlungsserver im Internet erfolgt (siehe Kasten). Wenn PC A sich im eigenen Netzwerk befindet oder über VPN erreichbar ist, lässt sich eine Verbindung direkt herstellen. Die Nutzung eines Verbindungsservers lässt sich über das Drei-Punkte-Menü neben „ID“ abschalten, „Direkten IP-Zugang aktivieren“ muss eingeschaltet sein.
Über das Stiftsymbol daneben lässt sich der verwendete Port festlegen, falls man ihn in der Firewall von PC A öffnen muss. Statt der Remote-ID verwendet PC B jetzt die IP-Adresse von PC A für den Verbindungsaufbau.
Auch bei Verwendung eines Vermittlungsservers kann man Dienste auf PC A direkt ansprechen. Auf PC A muss dafür die Option „TCP-Tunneling einschalten“ aktiviert sein. Will man beispielsweise statt oder neben einer Desktopsitzung auch über SSH auf PC A zugreifen, geht man auf PC B im Drei-Punkte-Menü der gespeicherten Sitzung rechts im Fenster auf „TCP tunneln“. Es öffnet sich ein Fenster, in dem man unter „Lokaler Port“ den Wert „6006“ einträgt und „22“ unter „Entfernter Port“. Nach einem Klick auf „Hinzufügen“ lässt sich die Verbindung auf PC B im Terminal mit diesem Befehl starten:
ssh [User]@localhost -p 6006
Rustdesk fordert das Passwort für die Fernverbindung an, im Terminal müssen Sie das Passwort von „[User]“ kennen.
Eigene Vermittlungsserver verwenden
Ein Vermittlungsserver ist immer Vertrauenssache. Das gilt für Rustdesk ebenso wie für Teamviewer oder Anydesk. Wer besonders hohen Wert auf Sicherheit legt, kann seinen eigenen Vermittlungsserver aufsetzen. Voraussetzung dafür ist ein über das Internet erreichbarer Rechner im Rechenzentrum oder zu Hause. Die unterstützten Betriebssysteme sind zurzeit Cent-OS Linux 7/8, Ubuntu 18/20 und Debian.
Unter https://rustdesk.com/server werden Pakete zur Installation und der Quellcode angeboten. Nach einem Klick auf „Tutorial“ erfahren Sie, wie sich der Rustdesk-Server alternativ per Script oder in einem Docker-Container installieren lässt. Die Clientsoftware konfigurieren Sie anschließend über „ID/Verbindungsserver“ im Drei-Punkte-Menü hinter „ID“.