Darauf achtet Rheinmetall beim Einbau von Displays in Panzer-Fahrzeugen
Zwar gelten weder Bildschirm-Arbeitsplatzverordnung noch Arbeitsstättenverordnung für Kampf- und Schützenpanzer der Bundeswehr (siehe unten). Trotzdem müssen die Hersteller der Kampffahrzeuge natürlich gewisse Vorgaben beachten, wenn sie Bildschirme in die Fahrzeuge einbauen. PC-WELT fragte das Düsseldorfer Unternehmen Rheinmetall, das unter anderem die Kanone des Leopard 2 und des M1 Abrams (als Lizenz) fertigt und gemeinsam mit Krauss-Maffei-Wegmann den Schützenpanzer Puma herstellt sowie mit dem KF 51 Panther den Prototyp eines potenziellen Leopard-2-Nachfolgers vorgestellt hat, worauf man beim Einbau von Bildschirmen in Panzer achten muss. Rheinmetall antwortete uns folgendermaßen:
Es ist korrekt, dass die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) und bis zum 3. Dezember 2016 auch die Bildschirmarbeitsverordnung (BildscharbV) keine Anwendung in Kraftfahrzeugen findet.
Seitens der Bundeswehr gibt es ein gefordertes Auslegungskriterium für den Schützenpanzer Puma, die sog. Ergonomie der Mensch-System-Interaktion ISO 9241. (Frühere Bezeichnung: Ergonomische Anforderungen für Bürotätigkeiten mit Bildschirmgeräten )
Die EN ISO 9241 gilt nach EU-Rechtsprechung auch als Standard zur Bewertung der Forderung nach Benutzerfreundlichkeit, in Deutschland auch die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV).
Darüber hinaus gibt es taktische Forderungen an Bildschirmarbeitsplätze, die durch die militärische Nutzung in einem Kampffahrzeug bedingt sind.
Hierzu gehören u.a.:– Härtung gegen mechanische Belastungen (Vibrationen, Stöße, Schläge)
– Bedienbarkeit mit militärischer Ausrüstung (inkl. Handschuh)
– Dimmbarkeit außerhalb des ergonomisch vorgesehen Bereichs zur Reduzierung der Aufklärbarkeit (durch den Feind, Anm. d. Red.) und Gewöhnung an Dunkelheit im Zuge des Absitzens der Mannschaft (im Puma fahren im Heck Panzergrenadiere mit, Anm. d. Red.).Rheinmetall orientiert sich hierbei an Erfahrungen aus jahrzehntelanger Produktion militärischer Kampffahrzeuge.
Die Herstellung von Bedien- und Anzeigegeräten gehört hierbei zum hauseigenen Kern-Know-How von Rheinmetall.Überprüft werden die ergonomischen Gegebenheiten sowohl durch die wehrtechnischen Dienststellen (WTD) der Bundeswehr als auch in Feldversuchen mit der nutzenden Truppe sog. taktischen Einsatzprüfungen.
Die deutsche Bildschirm-Arbeitsplatzverordnung gilt nicht für Panzer
Der Puma-Schützenpanzer der Bundeswehr sorgte Ende letzten Jahres wieder einmal für Negativ-Schlagzeilen: Alle 18 bei einer Übung eingesetzten Fahrzeuge fielen aus. In diesem Zusammenhang berichtete das ZDF am 30. Dezember 2022, dass “Computer in einem Panzer entsprechend der Bildschirm-Arbeitsplatzverordnung angeordnet sein” müssen. Doch stimmt dieser bereits 2015 erstmals geäußerte Vorwurf überhaupt? PC-WELT fragte bei der Bundeswehr nach. Die Antwort kam prompt.
Ein Sprecher des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) antwortete uns folgendermaßen:
Es ist zunächst festzuhalten, dass es in dem von Ihnen erfragten Kontext keine „Bildschirm-Arbeitsplatzverordnung“ gibt. Die Anforderungen für Bildschirmarbeitsplätze sind im Anhang zur Arbeitsstättenverordnung (Abschnitt 6) festgelegt. Die Arbeitsstättenverordnung gilt nicht für Kraftfahrzeuge der Bundeswehr (hier: Panzerfahrzeuge), weil solche Kraftfahrzeuge keine Arbeitsstätten im Sinne der Arbeitsstättenverordnung sind. Demzufolge kann es in solchen Kraftfahrzeugen auch keine Bildschirmarbeitsplätze geben, die nach den Kriterien für solche Arbeitsplätze beschaffen sein müssen. Auch die bis zum 03.12.2016 geltende „Bildschirmarbeitsverordnung“ galt nur für Arbeitsstätten und somit nicht für Kraftfahrzeuge.
Das BAAINBw ist für die Erprobung und Beschaffung der Ausrüstung der Bundeswehr verantwortlich.
Die Bundeswehr wiederum bestätigte diese Darstellung des BAAINBw:
Die im Artikel angeführte Bildschirmarbeitsplatzverordnung existiert als solche nicht mehr. Sie wurde im Dezember 2016 in die Arbeitsstättenverordnung Anlage 6 überführt.
Sie war, ebenso wie das Nachfolgedokument, auf die ergonomische Einrichtung von Bildschirmarbeitsplätzen in Büros ausgelegt.
Beleuchtung und Bewegungsflächen lassen sich in militärischen Fahrzeugen systembedingt nicht analog zu Bürogebäuden beurteilen und realisieren. Jedoch ist es das Ziel von Entwicklern und Nutzern von militärischen Fahrzeugen, die Anordnung von Bildschirmen und Displays möglichst ergonomisch zu konzipieren und wo immer möglich optimal zur Blickachse des Bedienpersonals zu positionieren. Ebenso wird bei Bildschirmen auf die Werte der Auflösung, der Helligkeit und des Kontrastes geachtet.
Die Bedienerinnen und Bediener von militärischen Fahrzeugen verbringen einen hohen Anteil ihrer Dienstzeit in den jeweiligen Systemen, so dass mit einer möglichst ergonomischen Anordnung von Bildschirmen und Bedienelementen eine dauerhafte Bedienung ohne übermäßige Ermüdung, sowie das leichte und übersichtliche Ablesen von Daten und Anzeigen ermöglicht werden soll. Dies erhöht ebenfalls die Durchhaltefähigkeit des Personals im Einsatz oder Gefecht.
Auf unsere Nachfrage, ob denn die Arbeitsstättenverordnung Anlage 6 jetzt noch für Panzerfahrzeuge gelten würde, antwortete uns eine Sprecherin der Bundeswehr mit “Nein”. Allerdings ist es, wie oben ausgeführt, natürlich sinnvoll und wichtig, dass die Panzerbesatzungen bei der Benutzung der Bildschirme nicht vorzeitig ermüden oder Kopf- und Nackenschmerzen bekommen. Denn nur fitte Soldaten bleiben kampffähig. Insofern macht es also durchaus Sinn, wenn die Hersteller von Panzerfahrzeugen darauf achten, dass alle Bedienelemente und Bildschirme so angeordnet sind, dass die Soldaten sie ergonomisch und ermüdungsfrei benutzen können. Doch die konkrete Ausgestaltung liegt im Ermessen der Hersteller, also bei Rheinmetall und Krauss-Maffei-Wegmann (KMW) und unterliegt nicht zwingend der Arbeitsstättenverordnung und auch nicht der Bildschirm-Arbeitsplatzverordnung.
Hier ein Screenshot des ZDF-Berichtes:

zdf.de/nachrichten/politik/puma-panzer-reparatur-ukraine-krieg-russland-100.html
Eine Falschmeldung hält sich zäh
Doch wieso verbreitet das ZDF dann diese Falschmeldung? Der Grund dafür dürfte im Jahr 2015 zu suchen sein. Damals verbreitete sich die Behauptung, dass die grundsätzlich für deutsche Unternehmen geltenden Regeln für Bildschirm-Arbeitsplätze auch für Panzerfahrzeuge gelten würden. Noch spektakulärer war die damals aufkommende Behauptung, dass generelle gesetzliche Schutzvorgaben für Schwangere auch für schwangere Soldatinnen gelten müssten, die im Schützenpanzer Puma mitfahren. Dabei ging es um den Kohlenstoffmonoxidgehalt in der Luft im Schützenpanzer. Dieser dürfe einen gewissen Grenzwert nicht überschreiten, um keine “fruchtwasserschädigende Wirkung” zu haben. Diese Vorgabe würde die Konstruktion des Pumas unnötig erschweren und teurer machen, so die damalige Kritik.
Sogar die FAZ verbreitete diese falschen Behauptungen damals in ihrer Online-Ausgabe, obwohl diese bereits kurz darauf widerlegt wurde. Denn bereits damals wies das BAAIINBw diese Behauptung als falsch zurück, die genannten gesetzlichen Vorgaben würden nicht für Panzer gelten. Trotzdem werden diese Behauptungen immer wieder wiederholt, wie hier zu Recht kritisiert wird.
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