Im September 2014 war Netflix endlich auch in Deutschland angetreten, um mit dem verstaubten Privatfernsehen aufzuräumen. Weil die meisten Nutzer da schon längst keinen Bock mehr auf Werbepausen, Wiederholungen und die Gunst verkappter Programmchefs hatten, ließ der Erfolg der Entertainment-Revolutionäre aus Kalifornien nicht lange auf sich warten.
Auch die Zerstückelung des TV-Programms in dutzende Kanäle schien mit dem großen roten „N“, endlich ein Ende zu haben: Wer Filme oder Serien schauen wollte, hatte nur eine zentrale Anlaufstelle – wie bequem!
„Netflix & Chill“ ist schnell zum Synonym fürs gemütliche Abhängen auf der Couch geworden. Das einfache Selbstbestimmungsrecht, Serien und Filme nach einem eigenen Zeitplan zu sehen, hat die Nutzerzahlen bei Netflix schneller durch die Decke schießen lassen, als die Rentenansprüche bei der ARD. Mehr als 220 Millionen Abonnenten hat Netflix heute weltweit. Knapp dahinter folgt Amazon Prime Video, dann Disney+, dann HBO Max, dann – wir kürzen mal ab: noch eine ganze Menge mehr. Und damit fängt der Ärger auch schon an.
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Von Netflix bis „Netzkino“ – wenn Vielfalt zur Zumutung wird
Wir wollen ja kein Plädoyer für Marktmonopole halten – aber wie viele Streaming-Dienste braucht es denn noch? Wenn man sich die Liste der verfügbaren Provider ansieht, kann einem schwindelig werden: Zwischen Playstation Video, Pluto TV, Pantaflix und Cineplex Home übersteigt die Auswahl längst die Senderliste des klassischen deutschen Privatfernsehens.
Überall stehen individuelle Inhalte zur Verfügung, die Anbieter grenzen sich mit immer aufwendigeren Eigenproduktionen voneinander ab und alle betreiben eine eigene Preispolitik. Sie wollen Stranger Things gucken? Dann ab zu Netflix. House of the Dragon trifft Ihr Gusto? Dann brauchen Sie ein Prime-Abo. Sie möchten Ted Lasso streamen? Apple TV+ bittet dankbar zur Kasse. Weil jeder Medienkonzern ein Stück vom Kuchen abhaben möchte, müssen wir Nutzer uns jetzt mit lauter Krümeln herumärgern. Das nervt!
Preissteigerungen und Werbung – sagt mal, geht’s noch?
Mit einem Abopreis von 8,99 Euro pro Monat (Netflix Standard) ist Netflix in Deutschland gestartet. Das ist jetzt fast 9 Jahre her. Seitdem kennt die Preisschraube nur einer Richtung, und die zeigt steil nach oben: Seit 2022 liegt der Monatspreis bei 12,99 Euro für die Standard-Version, für die Premium-Variante mit besserer Auflösung und bis zu vier unterstützten Geräten werden jetzt schon 17,99 Euro fällig.
Auch bei Prime Video, Disney+ und Co. steigen die Preise – die Anbieter wären ja schön blöd, wenn sie auf den Cashgrab verzichten würden. Wer sich dann mehr also nur ein einzelnes Streaming-Abo leistet möchte (die coolsten Produktionen verteilen sich ja großzügig auf etliche Provider), der muss immer tiefer in die Tasche greifen.
Aber halt! Es gibt ja eine Alternative, alles halb so wild. Bei Anbietern wie Netflix oder Disney+ stehen inzwischen günstigere Abos zur Verfügung, bei denen wir uns im Gegenzug regelmäßig Werbespots ansehen müssen. Also quasi wie früher im Privat-TV, nur teurer. Das nennen wir mal verbraucherorientierten Fortschritt. Dazu kommt dann noch, dass solche Werbe-Abos oft mit reduzierten Inhalten antreten. Denkt man die Entwicklung konsequent weiter, kann man Filme und Serien in Zukunft vielleicht wieder streichen und nur noch Werbung zeigen – dann sinken womöglich auch die Abo-Preise wieder.
Tonprobleme: Sinistre Machenschaften der Untertitel-Lobby
Egal, ob Netflix, Prime Video oder Disney+: Immer wieder stolpern wir beim Streaming über richtig bescheidenen Ton. Dialoge versinken in der Geräuschkulisse einzelner Szenen, Synchronstimmen klingen dumpf oder viel zu tief. Zwischen Laut und Leise liegen manchmal so große Welten, dass man sich entscheiden muss, ob man entweder die Hälfte des Films gar nichts versteht, oder ob man sich in lauten Szenen plötzlich vom Subwoofer von der Couch blasen lassen möchte.
Hat man das Abmischen aus Kostengründen wieder den unbezahlten Praktikanten überlassen? Und haben die alle Hörschaden? Besonders beim nächtlichen Streaming kommt man um Untertitel und Flüstertöne manchmal nicht herum – ganz schön lästig.
Bezahlen: Ja, bitte! Downloaden: Nee, lass mal…
Man muss kein Nerd und Liebhaber privater Bibliotheken sein, um zu bemängeln: Downloads sind beim Streaming nur ungern gesehen. Prime Video erlaubt es über eigene Apps oder Mac- und Windows-Anwendungen, Netflix zwingt ebenfalls zur App – lässt Basis-Abonnenten aber im Regen stehen. Die dürfen zwar Werbung (in der günstigsten Version) sehen, aber keine Medien lokal abspeichern.
Auch hier müssen wir wieder über starrsinniges DRM (Digital Rights Management) stolpern. Wenn man schon dafür bezahlt, wieso darf man Filme dann nicht einfach als simple Mediendatei herunterladen? Was das angeht, wollen Medienproduzenten ihre Lektion wohl immer noch nicht lernen. Womöglich darf man ja bald die Werbung herunterladen, so als Kompromiss. Aber vielleicht ist das technisch auch einfach noch nicht machbar, Dateien übers Internet zu verschicken, die Nutzer dann in Eigenregie auf ihrer Festplatte ablegen.
Verbindungsprobleme? Pech gehabt!
Beim mobilen Streaming ist das Problem besonders aufdringlich: ohne Live-Verbindung kein Stream. Bei Bahnreisen oder im Auto (jenseits vom Fahrersitz wohlgemerkt) muss man dann halt hoffen, dass man gerade an einer schönen Landschaft vorbeifährt – der Stream macht bei schnellen Wechseln zwischen Funkmasten nämlich erstmal Pause. Auch Gewitter sind Gift fürs drahtlose Streaming. Damit sind wir auch plötzlich wieder beim Download-Tabu mancher Anbieter/mancher Abo-Varianten: Mit lokal gespeicherten Dateien müsste man solche Zwangspausen nicht aussitzen.
Übersicht? Schön wär’s
Streaming-Dienste setzen bekanntlich Algorithmen ein, um uns Vorschläge für Filme und Serien zu unterbreiten – na, ok. Aber geht das nicht auch etwas dezenter? Auf der Startseite setzen sich die neuesten Produktionen oft derart aufdringlich und bildfüllend in Szene, dass es visueller Belästigung gleichkommt. Klar, Netflix, Prime Video und Co. wollen möglichst hohe Klickzahlen für ihre neuesten Werke sammeln. Aber Nutzer deswegen zum Glotz-Trottel abzustempeln, geht zu weit.
Statt ein übersichtliches Interface müssen wir uns da Werbung in eigener Sache ansehen. Das mag besser sein, als die Kaffee-Werbung von Onko (klar, wenig ist schlimmer), kann einem aber mächtig auf den Senkel gehen, wenn man einfach in Frieden in der Bibliothek stöbern oder sich die Merkliste ansehen will. Was ist denn aus der Idee geworden, Nutzer mit dem Versprechen der Selbstbestimmung an Bord zu holen?
Besonders übersichtlich gestaltet sich ja keine der üblichen Streaming-Dienste. Lieber wirft man Nutzer ins Entertainment-Labyrinth und lässt sie verloren herumirren. Netflix ist da ein prima (Negativ-) Beispiel. Die Bibliothek ist dort inzwischen so umfangreich, dass man uns den ganzen Katalog scheinbar gar nicht mehr zumuten möchte. Mehr als 1.000 Filme versteckt Netflix aktuell vor den eigenen Nutzern. Um da dranzukommen, muss man sich mancher Tricks bedienen.
Ungewollte Comedy: Playback-Funktionen sind zum Lachen
Wir wollen ja nicht immer noch auf dem Download-Problem herumreiten, es beschert uns beim Streaming aber gleich den nächsten Mist. Wer einmal Videodateien mit VLC oder dem Media Player Classic geschaut hat, der kennt den Playback-Himmel: Mit solchen Programmen können wir präzise, ja sekunden- oder sogar framegenau spulen. Tonspuren lassen sich in Echtzeit anpassen, Lautstärken boostern und Kanäle mischen – oder tauschen, wenn es sein muss. Da gibt es verschiedene Shader und Render, Tastatur-Shortcuts, Zoomfunktionen und noch so viel mehr.
Vergleicht man solche Flexibilität mit den jämmerlich trägen und ungenauen Playback-Funktionen im Stream von Browsern und Apps, kann man eigentlich nur traurig gucken. Zumal sich da jeder Sprung in der Videospur gerne mit einigen feinnervigen Wartesekunden rächt, weil Videos dann neu gebuffert werden müssen. Wenn sich dann auch noch Ton und Bild verschieben, ist das Debakel perfekt. Wissen Sie, wo es solche Probleme nicht gibt? Richtig: beim Download einer vollständigen Video-Datei.
Filmerlebnisse ausklingen lassen? Fehlanzeige.
Sie kennen das bestimmt: Man sieht sich einen packenden Film an, vielleicht auch mal etwas Anspruchsvolles oder Stoff zum Nachdenken. Die letzte Szene geht zu Ende, der Abspann beginnt zu rollen, die Gedanken kreisen – und schon wird man mit neuen Filmvorschlägen bombardiert.
Anstatt sich nachdenklich zurückzulehnen, muss man zum Wiedergabegerät eilen, um da dann vielleicht noch auf die falsche Stelle zu klicken – unerbittlich läuft dann gleich der nächste Streifen.
Besonders Netflix gibt sich große Mühe, uns solche mentalen Ohrfeigen zu verpassen. Wieso kann man den Abspann denn nicht einfach laufen lassen? Wer gleich zum nächsten Video sprinten will, der wird die Taste dafür schon finden. Auch kleine Extras, Gags und Überraschungen, die uns bei vielen Filmen im Abspann eigentlich noch erwarten, bekommt man so natürlich nicht mehr zu Gesicht. Leute, das nervt!