Retro-Computing liegt im Trend. Junge Menschen experimentieren mit Hardware, die sie nur noch aus Erzählungen kennen. Und wer einen Commodore Amiga im Jugendzimmer stehen hatte, entdeckt nostalgische Gefühle. Wer sich das Geld für den „Amiga 500 Mini“, der den legendären Computer wiederbelebt, sparen möchte, kann das Amiga-Gefühl auch auf einem Raspberry Pi zurückholen. Ein bisschen Bastelarbeit fällt dabei aber an.
Amiberry installieren
Amiberry von Blitter Studio ist ein Emulator für die Amiga-Welt, der sich recht leicht konfigurieren lässt. Weil die Software auch Einsteiger nicht vor unlösbare Probleme stellt, ist sie Teil einer ganzen Reihe von Distributionen für Retro-Gamer. Wenn Sie lediglich den Amiga emulieren wollen, also auf andere Plattformen verzichten können, installieren Sie Amiberry einfach unter dem Raspberry-OS (oder auch unter Ubuntu). Schaffen Sie zunächst die Voraussetzungen für die Installation von Amiberry. Dazu ist die Installation einer Reihe von Paketen nötig:
sudo apt install libsdl2-2.0-0 libsdl2-ttf-2.0-0 libsdl2-image-2.0-0 flac mpg123 libmpeg2-4
Unter github.com/BlitterStudio/amiberry/releases laden Sie sich dann das passende Image für Ihre Distribution herunter. Dabei handelt es sich um einfache ZIP-Archive. Beim Entpacken müssen Sie lediglich darauf achten, dass die Ordnerstrukturen erhalten bleiben. Danach sollten Sie im Terminal (chmod) oder im Dateimanager kontrollieren, ob die Datei „amiberry“ ausführbar ist.
Ohne ROM geht nichts: Wenn Sie sich schon mit Emulatoren beschäftigt haben, wissen Sie, dass Sie in der Regel das Original-Betriebssystem des Zielsystems benötigen. Das OS vom Amiga lag – wie bei Spielekonsolen – in einem Chip als ROM. Ein solches ROM benötigt auch Amiberry, um den Amiga zu emulieren. „Kickstart“ ist allerdings nach wie vor urheberrechtlich geschützt. Sie dürfen es also nicht einfach aus dem Internet herunterladen und den Besuch dubioser Internetseiten können wir nicht empfehlen.

Amiberry benötigt ein funktionierendes ROM: Es gibt viele Möglichkeiten, sich eines zu besorgen. Mit Amiga Forever geht das unkompliziert, allerdings nur unter Windows.
IDG
Zur Lösung des Problems gibt es zwei Möglichkeiten: Sie lesen das ROM mit Kickstart von einem noch existierenden Amiga aus. Programme wie Grabkick oder Rip ROM helfen dann weiter. Die zweite Option besteht darin, die ROM-Dateien von Amiga Forever zu verwenden. Für rund 30 Dollar erwerben Sie dort die Plus-Version. Mit der können Sie unter Windows einen Amiga Ihrer Wahl emulieren und außerdem die ROM-Dateien auf einen Datenträger kopieren, um ihn unter Amiberry zu verwenden. Sie kommen also im ersten Schritt nicht um die Nutzung von Windows herum, da Amiga Forever noch keine Software für Linux oder den Mac anbietet.
Haben Sie das Programm installiert, wechseln Sie über die Navigation in „Amiga Files“ und wählen gewünschte Modell. Nutzen Sie dann „Tools –› ROM Toolbox“. Im nachfolgenden Dialog achten Sie unter „Action“ auf „ROM to file“, wählen optional eine Version aus und legen schließlich fest, wo die Datei landen soll. Bevorzugtes Ziel ist ein USB-Stick, den Sie danach an den Raspberry Pi anschließen. Zudem benötigen Sie noch einen Amiga-Datenträger in Form einer ADF-Datei. Auch diese Dateien wie etwa für die Workbench (der Desktop des Amiga) finden Sie nach Modellen geordnet bei Amiga Forever. Wenn Sie ROM für Kickstart und einen Datenträger haben, sind die Voraussetzungen erfüllt.
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Amiga konfigurieren
Damit kann die Emulation starten. Die Vorgehensweise ist stets die gleiche, unabhängig davon, welches Amiga-Modell Sie verwenden. Nutzen Sie eine spezielle Distribution wie Amibian, können Sie die nachfolgenden Schritte ebenfalls ausführen, da die Systemumgebung nur dafür sorgt, dass der Emulator automatisiert ausgeführt wird. Aus Platzgründen muss sich der Artikel auf die wichtigsten Optionen von Amiberry beschränken, denn die Optionen sind ziemlich umfangreich.
Starten Sie zunächst Amiberry, in dem Sie im Terminal in das Installationsverzeichnis wechseln. Dabei handelt es sich um den Ordner, in den Sie das ZIP-Archiv entpackt haben. Führen Sie dort die Datei „amiberry“ aus. Unter „Quickstart“ wählen Sie aus dem Listenfeld zunächst das gewünschte Amiga-Modell aus (das zur ROM-Datei passen muss).

Die Haupt-GUI von Amiberry
IDG
Gleich darunter befindet sich das Feld für die Auswahl des Diskettenlaufwerks. Mit „Select File“ wählen Sie die ADF-Datei, die Sie erstellt oder sich besorgt haben. Die kann auf dem angeschlossenen USB-Stick des Systems verbleiben oder Sie kopieren diese vorher auf die SD-Karte des Raspberry oder die Festplatte des PCs. Wechseln Sie nun in den Abschnitt „ROM“. Sofern dort nicht ohnehin bereits der passende Kickstart ausgewählt wurde, können Sie hier über einen Klick auf die drei Punkte eine lokal vorhandene Datei aussuchen. Über den Abschnitt „Path“ definieren Sie dauerhaft, wo Amiberry nach Kickstart und anderen Dateien suchen soll.
Sofern Sie beim Spielen die Tastatur verwenden wollen, sind Sie bereits fertig. Wenn Sie einen Joystick via USB an den Raspberry angeschlossen haben, können Sie diesen unter „Custom Controls“ noch konfigurieren. Das kann, je nach Modell, sofort klappen oder sich zu einer aufwendigen Recherche in den Foren ausweiten. Mit „Start“ fahren Sie Ihren Amiga jetzt hoch. Nun sollte das eingebundene Diskettenimage starten. Sie können übrigens jederzeit zwischen der Ansicht auf „Ihren“ Amiga und der Oberfläche von Amiberry mit einem Druck auf die Taste „F12“ wechseln.
Konfigurationen sichern und Troubleshooting
Auf die Dauer wäre es zu aufwendig, die immer gleichen Aktionen für die Einrichtung des Amiga manuell durchzugehen. Deshalb können Sie unter „Configurations“ die Einstellungen ablegen, um sie später zu laden. Tragen Sie einfach einen beschreibenden Namen ein und klicken Sie auf „Save“. Über den gleichen Dialog laden Sie Ihre Optionen zu einem späteren Zeitpunkt. Über den Eintrag „Hard Drives“ legen Sie auf Wunsch virtuelle Festplatten an. Allerdings hatten erst die späten und teuren Modelle des Amiga überhaupt eine Festplatte. Der Amiga 500 nutzte allein sein Diskettenlaufwerk.
Amiberry ist „Work in Progress“ und natürlich ist es gar nicht einfach, 30 Jahre alte Hardware auf modernen Plattform zu emulieren. Im Fall von Problemen sollte die erste Anlaufstelle immer die Projektseite und dort die FAQ sein. Konnte zumindest Kickstart erfolgreich gestartet werden und das System bittet nun darum, eine „Diskette einzulegen“, funktioniert die Emulation im Prinzip. Die häufigste Fehlerquelle ergibt sich dann aus Imagedateien, die beschädigt sind oder nicht für die gewählte Plattform gedacht waren. Hier hilft nur ausprobieren.
Und wenn das Gamepad oder der Joystick nicht läuft, trotz passender Hinweise aus dem Internet, sollten Sie sich nicht verbeißen. Pacman macht auch mit der Steuerung via „wasd“ Spaß. Und genau darum geht es ja eigentlich.
Apropos Spielspaß: Das Angebot an Imagedateien, mit denen alte Spiele auf dem Emulator auferstehen, ist riesig. Bei vielen ist das Urheberrecht erloschen oder die Lizenzen offiziell freigegeben. Auf Flohmärkten lassen sich auch immer mal wieder regelrechte Schätze finden (sofern man frühzeitig vor Ort ist). Das Auslesen der Originaldisketten mit aktueller Hardware erfordert aber Bastelei und handwerkliches Geschick. Wer sich damit befasst, ist an schwerem Retro-Fieber erkrankt. Für das Spielchen zwischendurch genügen Amiberry und Angebote wie Amiga Forever.
Siehe auch: 10 Jahre Raspberry Pi – Ein Fazit zum Jubiläum