Update 12.1.2023: Krisentreffen dürfte laut werden
Am 13. Januar 2023 treffen sich Vertreter des Bundesverteidigungsministeriums und der Rüstungsunternehmen Rheinmetall und Krauss-Maffei-Wegmann (KMW) wegen des Puma-Desasters. Dabei sollen die Gründe für den Ausfall aller 18 bei einer Übung eingesetzten Schützenpanzer besprochen werden. Laut der Wirtschaftswoche nehmen an dem Treffen die Vorstände von Rheinmetall und KMW teil. Doch die Rüstungsunternehmen möchten laut der Wirtschaftswoche andere Themenschwerpunkte bei dem Treffen setzen und lieber über die Umsetzung bereits bewilligter neuer Aufträge für den Puma sowie über Verbesserungen bei Wartung und Logistik sprechen. Denn bekanntlich plant die Bundeswehr die Anschaffung weiterer Puma-Schützenpanzer. Allerdings ist diese Beschaffung aufgrund der erheblichen Mängel bei den bereits vorhandenen Pumas erst einmal auf Eis gelegt. Demzufolge dürfte es bei dem Krisentreffen hart zur Sache gehen.
Gilt die deutsche Bildschirm-Arbeitsplatzverordnung auch für Panzer?
Update Ende
Ursprüngliche Meldung vom 19.12.2022: Totalausfall aller Schützenpanzer Puma bei Übung
Die Bundeswehr schrieb am 17./18.12.2022 mal wieder Negativschlagzeilen. Bei einer Übung im Schießübungszentrum der Panzertruppe im niedersächsischen Bergen sollen alle 18 eingesetzten Schützenpanzer Puma ausgefallen ein. Alle! Kein einziger Schützenpanzer soll noch funktionsfähig sein.
Das ist umso schlimmer, weil ausgerechnet diese Truppe – es soll sich nach noch nicht offiziell bestätigten Angaben um eine Kompanie des Panzergrenadierbataillons 112 aus Regen in Bayern handeln, wie der auf Wehrthemen spezialsierte Blog “Augengeradeaus” berichtet – für die schnelle Eingreiftruppe der Bundeswehr vorgesehen ist. Ab dem 1. Januar 2023 soll die Bundeswehr den Kern dieser als “Very High Readiness Joint Task Force” (VJTF) bzeichneten Einheit stellen (für die Soldaten dieser Truppe ist auch der neue Gefechtshelm der Bundeswehr vorgesehen). Mit eben den Schützenpanzern vom Typ Puma.
Mittlerweile scheint aber festzustehen, dass die Bundeswehr für die NATO-Eingreiftruppe statt der ursprünglich vorgesehenen 42 Puma-Schützenpanzer nun die betagten Marder-Schützenpanzer zur Verfügung stellen wird.
Es war Generalmajor Ruprecht von Butler, der Kommandeur der 10. Panzerdivision, der in einer längeren Mail an Heeresinspekteur Alfons Mais über das Desaster berichtete, was wiederum der Spiegel publik machte. Die Übung mit den Schützenpanzern lief über mehrere Tage und anscheinend fielen immer mehr Schützenpanzer aus, bis schließlich auch der letzte Puma die Kette streckte. Butler betont in seinem Schreiben, dass die Schützenpanzer bei der Übung nicht übermäßig beansprucht wurden. Die “Einsatzbereitschaft wird zum Lotteriespiel”, zitiert der Spiegel den General.
Laut Butler sollen es vor allem die Elektronik und die Software sein, die den modernsten Schützenpanzer der Bundeswehr außer Gefecht setzt. In einem Fall soll es aber sogar zu einem Kabelbrand gekommen sein. Bei zwei Exemplaren gab es wohl auch Probleme mit dem Turmdrehkranz, wie in diesem Video beschrieben wird:
Der Puma soll bereits seit einigen Jahren den jahrzehntealten Schützenpanzer Marder ablösen. Letzterer stammt noch aus den 1970er Jahren und wurde über die Zeit immer mal wieder modernisiert. Doch der Marder ist nach modernen Maßstäben veraltet und muss ersetzt werden. Allerdings verzögert sich die Einführung der Puma ständig, denn dieser Schützenpanzer leidet wie so viele andere Projekte der Bundeswehr und fortlaufenden technischen Problemen, wie die Bundeswehr selbst hier schreibt.
Video mit peinlicher Pressekonferenz am 21.12.2022
Während einer Pressekonferenz zu dem Puma-Totalausfall musste sich ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums den Fragen der Journalisten stellen. An den ausweichenden Antworten des Pressesprechers erkennt man die offensichtliche Ratlosigkeit, die im Verteidigungsministerium herrscht. Der Sprecher konnte oft keine Antworten geben oder aber er antwortete so kryptisch, dass man ratlos zurückbleibt. Sie können die den Puma betreffende Passage der Pressekonferenz hier auf dem Blog Augengeradeaus sehen.
Folgen für die Hersteller: Wohl keine
Die Riesenpleite mit dem Puma schien zunächst weitreichende Konsequenzen für die Hersteller Rheinmetall und Krauss-Maffei-Wegmann zu haben. Laut Augengeradeaus stellte das Bundesverteidigungsministerium die Beschaffung des nächsten Loses des Puma-Schützenpanzers in Frage. Denn die Bundeswehr schafft den Schützenpanzer nicht in einem Rutsch an, sondern aufgeteilt auf mehrere Lose.
Doch etwas später kam bereits das Dementi: Die Bundeswehr hält weiter an dem Schützenpanzer Puma fest, wie der Blog Augengeradeaus berichtet. Das stellte das Bundesverteidigungsministerium klar. Allerdings müssten die Hersteller Rheinmetall und Krauss-Maffei-Wegmann die “Robustheit und Zuverlässigkeit in Einsatz und Betrieb” verbessern. Für die NATO-Speerspitze VJTFVery High Readiness Joint Task Force Land wird Deutschland ausschließlich den alten Schützenpanzer Marder verwenden.
Aktuell verfügt die Bundeswehr nach eigenen Angaben über 350 Puma-Schützenpanzer. Den aktuellen offiziell kommunizierten Sachstand zum Puma kann man dieser Pressemitteilung des Bundesverteidigungsministeriums entnehmen.
Erste Stellungnahme von Rheinmetall und Krauss-Maffei Wegmann
Die beiden deutschen Unternehmen, die den Puma für die Bundeswehr produzieren, habe am 21. Dezember 2022 folgende Stellungnahme abgegeben:
Experten untersuchen Schützenpanzer Puma: Industrie mobilisiert Kräfte für kurzfristige Instandsetzung
Seit heute befunden Experten von KMW und Rheinmetall einen Teil der schadhaften Puma-Schützenpanzer der Bundeswehr, unter anderem am Standort Unterlüß der Rheinmetall AG in unmittelbarer Nähe zum Truppenübungsplatz Munster. Ziel der Experten ist es zuallererst, ein qualifiziertes Schadensbild entstehen zu lassen, um davon ausgehend die umgehende Instandsetzung in die Wege zu leiten.
Die Industrie hat in enger Abstimmung mit dem BMVg bereits weitergehende Maßnahmen eingeleitet. Alle Kräfte sind nun darauf gerichtet, die Fahrzeuge in den nächsten zwei bis drei Wochen instand zu setzen.
Die Analyse der Ursachen der offenbar sehr distinktiven Schadensfälle und Schadenausmaße wurde unmittelbar nach Bekanntwerden auch auf der industriellen Seite sofort angestoßen. Von Anfang an agiert die Industrie in diesem Prozess der Analyse engstens mit dem BMVg und der Bundeswehr.
In Abstimmung mit dem Verteidigungsministerium wurden seitens der industriellen Partner Sofortmaßnahmen vorgeschlagen und diese in einem Maßnahmenpaket vorgelegt.
Im Zuge der Umsetzung des besagten Maßnahmenpakets wurde fachkundiges Personal von KMW und Rheinmetall auch die Bundeswehr-Standorte entsandt, an denen sich weitere defekte Puma-Fahrzeuge befinden.
Das System Puma stellt das Herzstück der verbundenen digitalisierten Landstreitkräfte der Bundeswehr dar. Die Kriegstauglichkeit des Systems wurde im Jahr 2021 im Zuge einer aufwendigen technischen Prüfung bestätigt.
Um die Bereitschaft der VJTF-Kräfte über den gesamten Zeitraum des Einsatzes verlässlich zu gewährleisten, sollte die Industrie zur Begleitung des Schützenpanzers Puma als Teil des Verbandes kontinuierlich vor Ort bereitstehen und hinzugezogen werden.
Die Industrie will alles daran setzen, dass der Puma weiter Rückgrat der deutschen Panzergrenadiertruppe bleibt. Zugleich ist der Puma für das deutsche Heer integraler und unverzichtbarer Bestandteil des Systems Panzergrenadier.
KMW und Rheinmetall sehen die erfolgreiche Zusammenarbeit mit BMVg und Bundeswehr bei Entwicklung und Zertifizierung des Schützenpanzers Puma als Garanten für die Lösung der aktuell aufgetretenen Probleme.
Einsatz für schnelle Eingreiftruppe der NATO
Die besagten Schützenpanzer Puma werden ab dem 1. Januar 2023 nicht für die schnelle Eingreiftruppe der NATO zur Verfügung stehen, sondern durch die alten Marder ersetzt werden. Zwar erklärte General Eberhard Zorn, der Generalinspekteur der Bundeswehr, dass man die Verpflichtungen gegenüber der NATO ab dem 1. Januar 2023 erfüllen werde. Doch Zorn erwähnt in seinem Tweet nicht den Puma:
Es ist also wahrscheinlich, dass erneut die betagten Marder ran müssen.
Schwelendes Kabel im Schützenpanzer
Laut einem Bericht des Handelsblatts sollen mittlerweile 17 der 18 ausgefallenen Panzer repariert sein. Das Handelsblatt schreibt, dass es sich teilweise nur um “Bagatellschäden” gehandelt haben soll. Teilweise soll es sich auch um Bedienungsfehler gehandelt haben. Diese Formulierung des Handelsblatts sorgt auf Twitter allerdings für Spott. Denn das Handelsblatt nennt als Beispiel für einen solchen angeblichen “Bedienungsfehler” ein schwelendes Kabel, das ein Soldat mit einem Pulverfeuerlöscher löschen wollte. Das habe dann zu größeren Schäden geführt. Da stellt sich allerdings die Frage, wieso es in dem Schützenpanzer überhaupt zu einem Kabelschwelbrand kommen konnte und wie der Soldat stattdessen das schwelende Kabel hätte löschen sollen.
Puma-Schützenpanzer muss komplett zerlegt werden
Das Löschen des schwelenden Kabels mit einem Pulverfeuerlöscher hat schwerwiegende Folgen: Der betroffene Puma-Schützenpanter muss komplett zerlegt und gereinigt werden. Da das Pulver des Feuerlöschers sich überall im Schützenpanzer verbreitet hat. Das berichtet die Bild-Zeitung. Um die massive Verschmutzung des Pumas durch das Löschpulver zu vermeiden, hätte sich der Einsatz eines CO2-Feuerlöschers empfohlen. Doch so einer wurde nicht verwendet beziehungsweise war im Panzer nicht vorhanden.
Da sich das Pulver von Pulverfeuerlöschern bis in die letzte Ritze verbreitet, sollen diese beispielsweise auch nicht in Oldtimern verwendet werden. Oldtimerbesitzer verwenden stattdessen Schaumfeuerlöscher.
2019: Neu ausgelieferte Puma können nur fahren, aber nicht schießen
PC-WELT sprach mit dem Angehörigen einer Panzergrenadierkompanie, die im November 2019 den Puma in einer Kaserne in Ostbayern erhielt. Damals, so teilte uns der Soldat mit, konnten die ausgelieferten Pumas genau eines: Fahren. Doch sie konnten weder den Turm schwenken, noch schießen. Gleich nach Auslieferung der neuen Schützenpanzer rückten mehrere Techniker an, die die nagelneuen Schützenpanzer überhaupt erst schussbereit machen mussten.
Mehrere Soldaten und Mitarbeiter der Hersteller (ob es sich dabei um Mitarbeiter von Rheinmetall oder von Krauss-Maffei Wegmann handelt, konnte uns der Soldat nicht sagen. Beide Unternehmen produzieren der Puma gemeinsam) saßen mit Laptops sowohl vorn auf dem Fahrersitz als auch hinten im Kampfraum und spielten den ganzen Tag über Software-Updates auf. Bis dahin war die Pumas lahmgelegt und konnten nicht benutzt werden.
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