Bei der Kernfusion (die auch im Inneren unserer Sonne abläuft) werden anders als bei der Kernspaltung Atomkerne nicht gespalten, sondern verschmolzen. Dabei entsteht sehr viel Energie, anders als bei der Kernspaltung fallen aber kaum radioaktive Abfälle an (die zudem viel schneller ihre radioaktive Strahlung verlieren) und es besteht nicht das Risiko eines ernsten nuklearen Unfalls. Deshalb sehen viele Wissenschaftler in der Kernfusion die perfekte Energiegewinnung der Zukunft.
Doch die technischen Hürden bei der Umsetzung sind riesig und bisher wird für die Kernverschmelzung mehr Energie benötigt, als sie anschließend liefert. Das verhinderte bis jetzt den Einsatz von Kernverschmelzungsreaktoren zur Energiegewinnung, nur für ganz kurze Zeit gelang jeweils in Testanlagen die Kernfusion. Doch jetzt melden US-Forscher einen Durchbruch zumindest bei einem Problem der Kernverschmelzung: Dem dafür nötige enormen Energieaufwand.
Das US-Energieministerium teilte auf Twitter mit, dass ein US-Forscherteam der staatlichen Forschungseinrichtung National Ignition Facility (NIF) am Lawrence Livermore National Laboratory in Kalifornien Geschichte geschrieben und damit eine der beeindruckendsten wissenschaftlichen Leistungen des 21. Jahrhunderts erzielt habe:
Um diesen Erfolg geht es
Der Erfolg, den das US-Energieministerium meint: Beim Verschmelzen von Atomkernen wurde erstmals mehr Energie gewonnen als verbraucht. Sie finden hier auf Youtube die Aufzeichnung des Livestreams der Pressekonferenz.
Die deutsche Forschungsministerin gratulierte ebenfalls auf Twitter:
Kritische Einschätzung
Hier beim SWR finden Sie eine Einschätzung dieses Erfolgs durch einen Experten:
Die Forschenden aus den USA haben mit starkem Laserlicht Wasserstoffpellets erhitzt. Bei mehreren Millionen Grad Hitze beginnen die Atomkerne des Wasserstoffs (dabei handelt es sich um überschweren Wasserstoff wie Deuterium und Tritium) sich zu einem schwereren Atomkern zu verbinden. Bei dieser Kernfusion wird Wärme frei. Wenn ausreichend Wärme frei wird, kann sich der Prozess sogar selbst am Laufen halten. Das ist beispielsweise im Inneren der Sonne der Fall.
Die Druck- und Temperaturverhältnisse im Sonneninnern im Labor herzustellen, ist freilich schwierig. Das geht mit Lasern, wie jetzt in den USA, oder durch Einschließen von Wasserstoffkernen in Magnetfeldern und Erhitzen durch elektromagnetische Strahlung.
Der Experte relativiert den jetzt gemeldeten Erfolg durchaus; nimmt man die gesamte für das Experiment erforderliche Energie, dann wäre eben doch kein Energieüberschuss erzielt worden. Die entscheidende Frage sei, ab welchem Punkt in dem Experiment die Forscher anfangen, die Energie zu zählen, die für die Kernverschmelzung erforderlich ist. Experte Uwe Gradwohl erklärt:
Tatsächlich ist es so, dass mehr Energie rauskam, als mit dem Laserlicht reingeschossen wurde. Damit wurde ein physikalisches Kriterium für die Zündung eines Wasserstoffplasmas erfüllt. Soweit ist die Mitteilung aus den USA in Ordnung. Die Rechnung, die da von der Presseabteilung des Lawrence Livermore Laboratoriums für die Energiebilanz aufgemacht wird, berücksichtigt allerdings nicht die Startenergie für den Laser, also die Energie, die notwendig ist, um das Laserlicht herzustellen. Deshalb darf man sich von der reinen Erfüllung des physikalischen Kriteriums nicht zu der Annahme verleiten lassen, dass nun der Weg zum Fusionsreaktor und zur Energieversorung der Zukunft frei wäre. Leider wird dieser Eindruck in dem einen oder anderen euphorischen Statement erzeugt.
Trotz dieses Erfolgs muss also klar sein: Bis durch Kernfusion tatsächlich Energie gewonnen werden kann, ist es noch ein langer, viele Jahre und Jahrzehnte dauernder Weg. Keinesfalls steht die Energiegewinnung durch Kernfusion jetzt kurz vor der Einsatzreife. Denn bei dem oben beschriebenen Experiment fehlt beispielsweise jeder Ansatz, um die bei der Kernfusion gewonnene Energie abzuführen und zu nutzen. Es bleibt also noch viel zu tun, bis Kernfusion als ernst zu nehmender Energielieferant relevant wird. Dafür wird in Deutschland unter anderem in Greifswald und in Garching geforscht.