582,9 Milliarden Kilowattstunden – so viel Strom wurde 2021 in Deutschland erzeugt. Das reicht aus, um rund 40 Billionen Tassen Kaffee zu kochen oder doppelt so viele Scheiben Toastbrot zu rösten. Das nur zum Vergleich, die ganze Energie fließt natürlich nicht nur ins Frühstück. Den meisten Strom verbraucht die Industrie (44 %), danach kommen Gewerbe und Handel (27 %), schließlich erst die Haushalte (26%) und der Verkehr (2 %).
Produziert wird der Strom hierzulande von rund 60 Erzeugern. Unter den bekanntesten sind Uniper SE, E. ON, EnBW, RWE und Vattenfall. Doch auch solche Diversität schützt den Verbraucher aktuell nicht vor astronomischen Preisen: Laut Verivox liegt der durchschnittliche Strompreis derzeit bei 53,83 Cent pro Kilowattstunde.
Doch woher kommen diese Mondpreise?
Das Merit-Order-Prinzip
Durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine sind die internationalen Gaspreise stark gestiegen. Systembedingt wirkt sich das direkt auf den Strompreis aus, obwohl in Deutschland gar nicht so viel Strom aus Gas erzeugt wird. Dennoch sind die Kosten gekoppelt, das liegt am sogenannten „Merit-Order“-Prinzip. Das kann man etwa mit „Reihenfolge der Vorteilhaftigkeit“ übersetzen.
Kurz gesagt bestimmt dabei das letzte Kraftwerk, dass bei der Deckung des Strombedarfs zum Zuge kommt, den Energiepreis. Unglücklicherweise sind das in der Regel aber Gaskraftwerke: So wirkt sich der hohe Gaspreis direkt auf den Strompreis aus.
Etwas genauer erklärt: Strom wird in Deutschland überwiegend aus Kohle (31,4 Prozent) und Windkraft (25,7 Prozent) erzeugt, Photovoltaik hat einen Anteil von 11,2 Prozent. So meldet es das Statistische Bundesamt für das erste Halbjahr 2022. An den Erzeugungskosten dieser Energiequellen hat sich zuletzt kaum etwas geändert, trotzdem müssen Verbraucher plötzlich tief in die Tasche greifen. Das liegt am explodierten Gaspreis, obwohl Erdgas am Strommix einen eher kleinen Anteil von nur 11,7 Prozent hat.
Wie kann das sein? Eigentlich ganz einfach: Wenn nämlich die konventionell erzeugten Strommengen im Land nicht ausreichen (was immer wieder passiert), dann werden quasi zur Not auch Gaskraftwerke zugeschaltet, um den Bedarf zu decken. Solche Kraftwerke stehen in der Erzeuger-Reihenfolge also ganz hinten. Die Produktionskosten dieser Kraftwerke sind aufgrund des hohen Gaspreises aktuell aber sehr hoch, sie verlangen dafür am Strommarkt also auch astronomische Preise.
Der Knackpunkt: Sobald alle günstigen Strommengen verkauft sind und nur noch der teure Gas-Strom gehandelt werden kann, dürfen auch alle anderen Stromerzeuger ihr Angebot an die Mondpreise der Gaskraftwerke anpassen – und zwar in gleicher Höhe. Ob nun also Windkraft, Atomenergie, Sonnenlicht oder Kohle hinter einer Kilowattstunde stecken; die Handelspreise liegen wegen des Merit-Order-Prinzips auf der gleichen Höhe wie die der Gaskraftwerke. Die großen Gewinner der aktuellen Energiekrise sind also ganz klar die klassischen Stromproduzenten, auch wenn sie dafür eigentlich gar nichts tun mussten.
So setzt sich der Strompreis zusammen
Wer seinen Strom nicht selbst erzeugt, der muss ihn zwangsläufig irgendwo kaufen. Die Preise setzen sich dann aus drei Faktoren zusammen: Dem Produktionspreis, den Transportkosten und staatlichen Abgaben wie Steuern und Umlagen.
Kostenpunkt 1: Der Strom an sich
Klar, irgendwo muss der Strom ja herkommen. Wie bereits erwähnt, gibt es in Deutschland aktuell rund 60 Stromerzeuger. Als Endkunden haben wir mit Konzernen wie Vattenfall oder EnBW aber selten direkt zu tun, Verträge werden eher mit den Stromanbietern geschlossen. Das sind quasi die Vermittler zwischen Erzeuger und Verbraucher. Entweder durch Handel an der Strombörse oder über direkte Verträge mit den Herstellern erhalten die Anbieter ihren Strom. Darin sind dann bereits die Herstellungskosten und Gewinne der Erzeuger enthalten, die Anbieter schlagen ihrerseits eine Marge obendrauf und so kommt der erste von drei Posten des Strompreises zusammen. Echten Wettbewerb gibt es übrigens nur in diesem Segment: zwischen den Erzeugern und unter den verschiedenen Anbietern.
Kostenpunkt 2: Stromtransport
Damit der Strom vom Kraftwerk auch in den Haushalten oder der Industrie ankommt, muss er durch Stromnetze transportiert werden. Nach einer Berechnung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), bringt es das deutsche Stromnetz auf eine Gesamtlänge von rund 1,8 Millionen Kilometer. Kosten, die dabei für Bau, Wartung und Betrieb anfallen, werden von den sogenannten „Verteilnetzbetreibern“ und den Besitzern solcher Netze an uns Verbraucher weitergegeben. Das macht circa ein Viertel des Strompreises aus.
Kostenpunkt 3: Steuern und Umlagen
Am Ende schlägt der Fiskus zu: Etwa ein Drittel des Strompreises gehen in Form von Steuern und Umlagen an den Staat. Einmal in Form der allgemeinen Mehrwertsteuer von 19 Prozent – und einmal in Form der Stromsteuer, die aktuell 2,05 Cent pro Kilowattstunde beträgt. Die EEG-Umlage in Höhe von 3,7 Cent je Kilowattstunde wurde zum 1. Juli 2022 abgeschafft und muss nun nicht mehr bezahlt werden. Bei den explodierenden Energiepreisen hat man davon aber kaum etwas mitbekommen.
EU will Strompreis senken
Ende September haben sich die Energieminister der EU auf Maßnahmen geeinigt, um den explodierenden Energiepreisen entgegenzuwirken. Demnach sollen Produzenten, die nach wie vor preiswerten Strom erzeugen (etwa aus Solar- oder Windkraft), einen Teil ihrer aktuell überhöhten Gewinne abtreten. Zur Erinnerung: Nach dem Merit-Order-Prinzip haben viele Stromerzeuger zuletzt ja riesige Gewinne eingefahren, obwohl sich ihre Betriebskosten kaum änderten. Ganz konkret sollen die Markterlöse dieser Produzenten auf 180 Euro je Megawattstunde (= 18 Cent pro Kilowattstunde) begrenzt werden. Darüberliegende Einnahmen sollen Staaten dann abgreifen können und an die Verbraucher weitergeben. Zuletzt lag der Marktpreis in Deutschland bei bis zu 400 Euro pro Megawattstunde.
Auch die Bundesregierung will Verbraucher mit einer Strompreisbremse entlasten, die Details dazu sind aber zwar noch vage. Es soll aber wohl in die gleiche Richtung gehen: Die plötzlichen „Zufallsgewinne“ der Stromerzeuger will man abschöpfen und damit eine Art Basisverbrauch absichern. Das könnte dann jedem Bürger ein Stromkontingent zum günstigeren Festpreis garantieren. Erst wenn der eigene Verbrauch dieses Limit überschreitet, wären dann die hohen Strompreise fällig.
Allen Bemühungen zum Trotz: Strompreis wird wohl weiter steigen
Viele Verbraucher reiben sich aktuell die Augen, wenn Sie Post vom Stromversorger bekommen: Die Preise steigen und steigen. Ein Ende dieser Kostenspirale ist leider noch nicht in Sicht, manche Experten rechnen für 2023 bereits mit Preisen von 60 Cent pro Kilowattstunde oder mehr – das wäre etwa der doppelte Preis, den Verbraucher noch 2021 gezahlt haben. Eine Entspannung könnten Frankreichs Atommeiler bringen, die momentan ja in ungewöhnlich großer Zahl stillstehen. Sollten die Kraftwerke in den kommenden Monaten wieder ans Netz gehen, könnte der Strompreis auch kurzfristig wieder sinken. Das bleibt vorerst aber eine vage Hoffnung ohne Garantie.
Energiesparen im Haushalt: Diese Tipps helfen
Die Liste der Probleme, die Verbrauchern durch die Energiekrise entstehen, ist lang. Wenigstens eine gute Sache kann man darin aber finden: Viele machen sich jetzt Gedanken darüber, wie sie effizient und sparsam mit Energie umgehen können. Um Strom etwa im Haushalt zu sparen, helfen einfache Tipps.
Was das tägliche Laden Ihres Laptops oder Ihres Handys kostet, lesen Sie hier.
Entertainment ist energiehungrig: TV-Geräte, Spielekonsolen, Gaming-PCs – Unterhaltungselektronik macht sich auf der Stromrechnung deutlich bemerkbar. Aktuelle Fernseher schlucken jährlich im Schnitt rund 150 Kilowattstunden – das sind beim aktuellen Strompreis circa 80 Euro. Selbst ein durchschnittlicher Gaming-Computer knabbert sich jährlich locker durch 200 Kilowattstunden.
Um Strom zu sparen, muss man die Nutzung solcher Geräte nicht gleich einschränken, es geht auch einfacher. Nämlich: Abschalten, und zwar komplett. Werden Geräte wie TVs, Router oder der PC nicht genutzt, sollten sie diese vom Netz nehmen. Eine Steckdosenleiste mit Schalter macht das zum Kinderspiel. Wie Sie bei PCs, TVs oder Ihrer NAS effektiv Strom sparen, erklären wir hier.
Auf Energieeffizienzklasse gucken: Beim Anschaffen neuer elektrischer Geräte sollten Verbraucher immer auch auf die ausgewiesene Energieklasse achten. Ein effizienter Verbrauch kann hier schnell auch größere Preisunterschiede zu Vergleichsmodellen relativieren – besonders bei den aktuellen Strompreisen.
Kühlschrank richtig einstellen: Kühlschränke und Gefriertruhen laufen den ganzen Tag, sie sind im Haushalt die mitunter größten Verbraucher. Laut Verbraucherzentrale steigt der Stromverbrauch eines Kühlschranks pro Grad Celsius schon um 6 Prozent. Eine Temperatur von 7 Grad reicht beim Kühlschrank in der Regel aus, -18 Grad sollten es in einer Gefriertruhe sein. Zudem sollten Speisen immer komplett abkühlen, bevor sie in das Schränkchen wandern. Dass man Kühlschranktüren nur kurz öffnen sollte, versteht sich von selbst.
Eine ausführliche Liste mit vielen nützlichen Tipps zum Stromsparen stellt die Verbraucherzentrale auch auf Ihrer Webseite zur Verfügung.