Unsere Wertung
Pro
- Sehr realistische und liebevoll designtes Fußballspiel
- Sprint-Techniken verändern das Gameplay nachhaltig
- Datenbasiertere Standards
- Powershots haben „Kickers“-Stil
- Frauenfußball mit viel mehr Details umgesetzt
- Hypermotion 2 macht Kopfballduelle physischer
- Atmosphärische Vertragsverhandlungen mit Top-Managern
- RPG-Mechaniken der Spielerkarriere bringen mehr Tiefe
Kontra
- Spieler-Kollisionen sind aktuell noch Bug-anfällig
- Spielerkarriere hat zu wenige Cutscenes
- Spieler-Karriere läuft unnötig Text-/E-Mail-basiert ab
- Kaum Neuerungen im Manager-Modus
- Extrem aggressive Monetarisierung in Ultimate Team
Fazit
FIFA 23 ist insgesamt ein realistisches und anspruchsvolles Fußballspiel. Vorbei ist die Zeit, in der wir an der Außenlinie den Sprint anschalten, Flanke in den 16er und rein das Ding. Tore fallen seltener und müssen mit mehr Arbeit herausgespielt werden. Der Fokus liegt sehr viel mehr auf Pass- und Kombinationsspiel, wie im echten Fußball.
Mit FIFA 23 endet eine große Ära: Der Autor dieser Zeilen erinnert sich noch gut daran, wie er nach dem realen Fußballtraining mit seinen Kumpels FIFA 96 gespielt hat – auf dem PC, mit einem Joystick. Für uns fühlte sich das unglaublich authentisch an, wir waren fasziniert von der Grafik.
Der Anspruch an Videospiele war damals quasi nicht vorhanden. Der Ball war nicht mal richtig rund und die Spieler mehr eckig als alles andere. Heute achten wir darauf, dass Cristiano Ronaldos Frisur korrekt umgesetzt ist und blicken kritisch darauf, ob die Gesichtskonturen der großen Stars auch wirklich fotorealistisch sind.

EA Sports geht volles Risiko: FIFA 23 dürfte das kontroverseste FIFA aller Zeiten sein, denn das Team hat fast jede Mechanik überarbeitet, macht die Sportsimulation sehr viel langsamer und richtet sich mit seinem Daten-Ansatz sehr viel mehr an Profis.
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Nächstes Jahr wird es kein FIFA 24 geben, es wird EA Sports FC heißen, die FIFA wollte wohl ein größeres Stück vom Milliarden-Kuchen – 1,4 Milliarden US-Dollar hat FIFA 22 alleine in Mikrotransaktionen verdient, hinzu kommen 9 Millionen Verkäufe des eigentlichen Spiels, was bei einem Verkaufspreis von 70 Euro weitere 600 Millionen US-Dollar in die Kassen spült. FIFA hat schon immer gutes Geld verdient, fühlte sich aber auch nach Fußball-Liebe an. Wir haben schon 1996 damit Taktikten geübt und sie dann auf dem richtigen Platz umgesetzt. Ball-Stafetten, Doppel-Pässe, Drehwinkel von Standards. Und das ist es auch, was heute noch FIFA ausmacht.
FIFA 23 ist sicherlich das realistischste FIFA aller Zeiten: Das Tempo des Spiels ist viel ausgewogener, ein Vorstoß aus einer breiten Position an der Mittellinie in Richtung des gegnerischen Tors ist jetzt mehr ein längerer Sprint, kein kurzer Rush. Es gab FIFAs, da konnte man mit drei, vier Pässen das ganze Mittelfeld überbrücken, hier ist das alles deutlich taktischer. Die Superstars sind noch immer besser als der Durchschnitt, aber aufgrund der drei neuen Sprint-Techniken können auch robustere Verteidiger, die keine Rakete zünden können, mit schnellen Stürmern mithalten, sobald diese auf Distanz gehen. Erstere werden mit jeder Sekunde schneller, sie haben eben nur nicht den Turbo-Start-Antrieb eines Mbappé.

Grafisch liefert FIFA 23 jedes Jahr ab, hier gibt’s auch in FIFA 23 keine Ausnahme. Die Materialien des Trikos fühlen sich fast schon greifbar an, die Haare fallen realistisch, Augenbrauen und andere Details sind knackscharf in 4K HDR.
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Langsamere offensive Mittelfeldspieler, wie etwa ein Bernardo Silva können das Spiel durch ihre Beweglichkeit am Ball stärker beeinflussen. FIFA 23 fühlt sich also insgesamt ausgeglichener an, es ist nochmal langsamer als FIFA 22. Leichtfüßige Spieler können immer noch verheerend sein, aber sie funktionieren am besten in diesen kurzen Sprint-Stößen, indem sie ihren Speed nutzen, um Raum zu gewinnen. Tore werden heute nicht mehr so leicht rausgespielt: Pass an die Außen, Turbo anschalten, Leder in den 16er per Flanke drehen und mit dem Kopf rein; solche Klassiker funktionieren viel seltener. Viel mehr operieren wir mit weiträumigen Doppelpässen, für Tore müssen wir in FIFA 23 richtig arbeiten.
Durchdachteres Gameplay, weniger Geschwindigkeit

FIFA 23 ist deutlich langsamer und weniger spritzig als FIFA 22. Gerade Top-Stars wurden hart generved, wo wir letztes Jahr noch im Vollsprint an der Außenlinie die Verteidigung überlaufen haben, spielt sich FIFA 23 sehr viel balancierter.
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Mit Pässen und gutem Laufspiel ohne das Leder, müssen wir Lücken reißen, mit flachem Ball die Verteidigung auskontern. Diese ganzen Standard-Taktiken, die man früher einfach abgespult hat, die wollen viel mehr herausgespielt werden. Die Defensiv-KI ist definitiv aggressiver, fährt aber sehr saubere Tacklings – auch das bremst den Sturm aufs Tor aus. Dieses Austanzen der Viererkette als Ein-Mann-Armee, das gelingt viel, viel seltener. Es gibt nicht mehr so oft Eins-gegen-Eins-Situationen, wo wir nur noch den Keeper tunneln müssen. Das ist tatsächlich auffällig: EA Sports tut viel dafür, um überall Speed rauszunehmen. Weil die Tacklings sauberer geführt werden und die Defensivkette geschlossen zurückgeht, können wir nicht einfach mit dem Kopf durch die Wand.

Tore werden viel öfter erst im 16er entschieden, weil die Abwehrketten geschlossen zurückgehen und es ob des verringerten Tempos schwieriger ist, die Defensive über die Flügel auszukontern.
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Tacklings bremsen aus und geben der Defensive die Möglichkeit aufzuholen und sich neu zu positionieren. FIFA 23 lässt uns härter für das Tor arbeiten, aber das fühlt sich dann auch viel besser an – und damit wird es Zeit, über die neuen Powershots zu sprechen. Dabei nimmt ein Mbappé so richtig übertrieben Anlauf, bevor den Ball wie auf dem Donnerbalken in Richtung Tor drischt. Dieses dramatische Heranzoomen, das cinematische Spiel mit Lens Flares, das feiern wir.
Das erinnert uns wohlig zurück an eine bessere Zeit – wir waren Kinder, die Welt war schön und wir haben nach der Schule Die Kickers geguckt. Erinnert sich hier noch jemand an Captain Tsubasa? Wie oft haben wir versucht, die Kugel zwischen die Beine zu nehmen und aus dem Salto heraus noch zu schießen – kannste vergessen, solange bleibt keiner in der Luft. Ganz so extrem ist FIFA 23 natürlich nicht, aber es fühlt sich schon sehr befriedigend an, hier das Leder in die Maschen zu drücken. Das hat kein anderes FIFA besser hinbekommen.

Der Frauenfußball ist eines der Trend-Themen des Jahres und dem trägt EA Rechnung: Es sind jetzt viel mehr Top-Stars der Ladies im Roster, die auch individuelle Spielzüge erhalten.
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Und es ist nicht einfach, weil die Abschlüsse wirklich sehr kunstvoll getimed werden müssen. Das Potpourri reicht von punktgenauen Schüssen, aber die sind eher selten, weil die Verteidiger recht viel Zeit haben, ihre Grätsche zu fahren oder uns einfach nur die Pille vom Stollen zu picken. Das kreiert eine schöne Risiko-Belohnungs-Kurve: Es baut Druck auf, wenn der Schuss getimed sein will, aber auch die Defensiv-Jungs bereits angestürmt kommen.
FIFA 23 ist ein taktischeres Spiel, welches sich viel Daten-basierter anfühlt – da steht dann: Schusspower 87, Curve (Andrehen) 84. Distanz zum Tor: 32,5 Meter und je nachdem, wie wir jetzt diesen gelben Schussstrich ziehen und seinen Drehwinkel, berechnet das Spiel die Wahrscheinlichkeit des Tores, was schon wild ist. Es ist schwer das zu kommunizieren, man muss es fühlen, aber dieses stärkere datenbasierte Komponente gefällt uns.
Warum ist FIFA 23 eigentlich das letzte FIFA?

Ultimate Team ist EAs Gelddruckmaschine und bleibt ein schwieriges Thema: Die einen lieben es, die anderen hassen es. Wer all diese Ikonen haben möchte, bei dem brennt die Kreditkarte.
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Es ist das letzte FIFA, das nächste EA-Fußballspiel wird EA Sports FC heißen. Der Grund ist Business-Nonsens: Die FIFA wollte wohl eine Milliarde für die Vierjahres-Lizenz, EA hatte darauf keine Lust, auch wenn sie natürlich 250 Millionen pro Jahr aus der Portokasse zahlen könnten. Ultimate Team alleine macht locker, leicht 1,2 Milliarden Euro pro Jahr. Ultimate Team ist alles, was mit der Gamesbranche gerade falsch läuft und man fragt sich jedes Jahr: Geht es noch dreister?? Wir können davor nur warnen, wie bereits im Vorjahr gilt bei diesem Test: Genießt FIFA 23, es ist ein gutes Fußballspiel. Ignoriert Ultimate Team, es sei denn, Ihr wollt sinnlos Geld verbrennen in EAs Kasino.
EloTRIx analysiert die Kasino-ähnlichen Mechaniken von Ultimate Team:
Und so funktioniert der Mechanismus: Wir bauen unser eigenes Team, aber statt einfach Transfers anzustimmen in einem gut gemachten Manager-Modus, kaufen wir Packs – diese arbeiten mit einer Wahrscheinlichkeits-Mechanik. Die Drop-Rate, also die Häufigkeit, wie oft ein beliebter Top-Star in diesen Packs vorkommt, wird künstlich verknappt. Der FIFA-Youtuber Trymacs hat etwa in der ersten Woche direkt mal 21.000 Euro ausgegeben, um ein halbwegs vernünftiges Team aufzustellen. Völliger Irrsinn. Politiker in zahlreichen EU-Ländern kämpfen bereits gegen diese potentiell Sucht fördernden Mechaniken und ja: Wer eine Ikonen-Mannschaft haben will, der kann sehr schnell tausende Euro in FIFA 23 blasen.
Abseits des Platzes: Die Spieler-Karriere macht Laune

Hey EA Sports, wo ist eigentlich The Journey hin? FIFA 23 hat gute Ansätze, könnte aber im Storytelling viel mehr abliefern. Schließlich geht es im Sport in erster Linie darum gute Geschichten zu erzählen.
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Wenn wir uns für die Spieler-Karriere entscheiden, können wir, so wir das wollen, auch mit einem Top-Star der Bundesliga antreten: ein Verteidiger wie Hummels oder Süle. Oder ein Stürmer wie Borussia Dortmunds neuem Wunderkind Youssaf Moukoko. Wir starten dann bereits mit recht hohen Werten, können aber die Persönlichkeit formen. Es gibt wie in einem RPG Reiter wie Freigeist, Teamwork und Disziplin, die letztlich uns als Fußballer definieren. Unter Freigeist versteht FIFA 23 etwa Standards wie Elfmeter, aber auch Dribbling und Ballkontrolle. Unter Teamwork fallen Feinheiten wie Volleys, Stellungsspiel, Kurzpass, Flanken und Weitschüsse. All das lässt sich natürlich trainieren, je nachdem wie wir unsere Fitness managen, können wir unter dem Reiter Disziplin Ausdauer, Beweglichkeit, Schusskraft oder auch Kopfballpräzision üben.

Wer möchte, kann etwa eine Haaland zu Manchester City bringen, wo wir dann auf Zinedine Zidane als Manager treffen. Interessant sind die neuen RPG-Mechaniken, die sich in drei Bereiche unterteilen und jeweils um 10 Level upgraden lassen.
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Insgesamt gibt es fünf Trainingseinheiten vor jedem Spiel, entsprechend können wir die Schwerpunkte legen. Das macht Spaß, ist aber kein The Journey – EA hatte ja mal eine richtige voll durchinszenierte Karriere, die bekommen wir hier leider nicht. Es gibt zwar Cutscenes, etwa im Trainingslager, im Gym oder bei Fan-Treffen, aber vieles wird auch gar nicht gezeigt. Wir können etwa ein Luxus-Bett kaufen, was gut für unseren Balance-Wert ist. Aber wir sehen es nicht in einem edlen Appartment, also dieser ganze Sims5-Faktor, den wir mit The Journey hatten, fälllt leider weg.
Auch einen Swimming-Pool können wir uns gönnen, hat aber nur Auswirkungen auf unsere Werte, wir können darin nicht schwimmen. Es gibt viel, was wir machen können, etwa in ein esports-Team investieren, was wirklich cool ist. Aber es wird leider so gar nicht atmosphärisch untermalt, letztlich erfahren wir von diesem esports-Squad lediglich via E-Mails.

EA legt sehr viel mehr Wert Stars wie Tuchel zu integrieren, als Tiefe im Manager-Modus anzubieten. Hier würde so viel mehr gehen. Erinnert sich noch jemand an EA Sports eigenen Fußball Manager? Wir würden gerne sehr viel mehr tüfteln.
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Wir können darüber hinaus Verträge aushandeln, um einen Transfer zu einem anderen Club bitten oder auch für gute PR etwa Charity-Veranstaltungen besuchen, was unseren Media- und damit Marktwert steigert und auch wieder Punkte gibt, die wir verteilen können. Das wiederum ist auch stark inszeniert, etwa können wir das Headquarter von Real Madrid besuchen und mit Zinedine Zidane um Gehälter feilschen. Natürlich können wir auch als Trainer in die Karriere starten, auf hartes Fitness-Regime gehen, Teams eher technisch drillen, Personalentscheidungen treffen, Transfers planen.
Auch als Top-Manager – etwa Zinedine Zidane, Jürgen Klopp oder, Trommelwirbel – Fußball-Ulknudel Ted Lasso aus der gleichnamigen AppleTV+-Serie. Das ist wirklich schön inszeniert, hier zeigt EA Sports, wie viel Luft hier noch nach oben ist im Storytelling. EA Sports FC sollte diese Chance ergreifen und uns wieder richtige Geschichte erzählen.
Fazit
FIFA 23 macht ohne Frage richtig Spaß. Besonders gut gefallen uns die neuen taktischen Optionen: Wir können bei Standards zwischen Außen- und Innenrist wählen, der Kugel Spin geben, sie ergo scharf an der Mauer vorbei zirkeln. Oder mit Effet richtig stark andrehen, um den Keeper zu verladen. Auch die Powerschüsse sind nicht nur hollywoodreif inszeniert, sondern auch ziemlich schwer zu timen, eine spannende Funktion für Profis.
FIFA 23 ist insgesamt ein realistisches und anspruchsvolles Fußballspiel. Vorbei ist die Zeit, in der wir an der Außenlinie den Sprint anschalten, Flanke in den 16er und rein das Ding. Tore fallen seltener und müssen mit mehr Arbeit herausgespielt werden. Der Fokus liegt sehr viel mehr auf Pass- und Kombinationsspiel, wie im echten Fußball.
Warum dann keine höhere Wertung? Uns fehlt die atmosphärische Liebe, die in The Journey geflossen ist, die Spielerkarriere ist arg Text- und E-Mail-basiert. Es gibt zwar schöne Momente, in denen wir die Helden des Fußballs treffen. Etwa wenn wir bei Real Madrid unterschreiben in deren ikonischem Headquarter, welches original nachgebaut wurde, Neuerungen wie Investments in ein eSports-Team werden aber lediglich via E-Mail abgehandelt. Auch im Manager-Modus ist noch sehr, sehr viel Luft nach oben. Erinnert sich noch an einer an EA Sports ikonischen Fußball-Manager?