Kaum ein Hardware-Release wurde so heiß erwartet wie die Vorstellung der neuen RTX-4000-Generation von Nvidia. Zahlreiche Leaks und Gerüchte haben schon vermuten lassen, dass uns eine enorme Leistungssteigerung erwartet. Und wer die Keynote mit Nvidia-CEO Jensen Huang verfolgt haben, könnte auf den Gedanken kommen, dass dem tatsächlich so ist. Doch blickt man hinter das PR-Gerede und die von Nvidia akribisch ausgesuchten Leistungsvergleiche, realisiert man schnell: RTX 4000 und die Philosophie, die dahinter steht, ist ein Schlag ins Gesicht der Kundschaft.
Nvidias fragwürdige Preispolitik
Der Grund dafür ist allen voran der Preis der neuen Grafikkarten. Nvidia hat drei neue High-End-Modelle vorgestellt, angefangen mit der RTX 4080 12 GB für mindestens 1.099 Euro. Zur Erinnerung: Die UVP der RTX 3080 10 GB lag zum Release bei 699 Euro – ein Preisunterschied von 400 Euro. Wir wissen natürlich auch, dass dieser Preis über lange Strecken weit entfernt von dem war, was Kunden in der Realität auf den Tisch legen mussten. Die Corona-Pandemie, der Kryptoboom und der Rohstoffmangel sorgten dafür, dass RTX-3000-Karten teils für den doppelten Preis gehandelt wurde n. Es lässt sich darüber diskutieren, wie viel Einfluss Nvidia auf diese Faktoren hat – sicher ist aber, dass die UVP die Basis für eventuelle Preisfluktuationen darstellt. Für das Top-Modell, die RTX 4090, ruft Nvidia übrigens stolze 1.949 Euro auf. Ein Anstieg von 450 Euro gegenüber der RTX 3090 (UVP zum Release: 1.499 Euro).

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Ein Punkt, für den Nvidia tatsächlich nichts kann, ist der aktuell schwache Eurokurs. Lag der Umrechnungsfaktor von Dollar in Euro zum Release von RTX 3000 noch bei 0,85, so beträgt er Stand heute (22. September 2022) 1,02. Aber schauen wir uns mal die Dollarpreise an: für die RTX 4090 sind 1599 US-Dollar fällig und damit 100 US-Dollar mehr als für die RTX 3090 zum Release. In Anbetracht der Inflation ist dieser Preis bestimmt noch irgendwie zu rechtfertigen. Der Preis für die RTX 4080 16 GB liegt bei 1199 US-Dollar und hier beginnt bereits die erste Trickserei. So vergleicht Nvidia die neue GPU preislich mit der RTX 3080 Ti, welche ebenfalls für 1199 US-Dollar an den Start gegangen ist.
Nvidia GeForce RTX 3080 Ti: Top-Grafikkarte für Highend-Gamer im Test
Erstens kam die 3080 Ti inmitten der Hochzeit der Grafikkartenknappheit auf den Markt, weshalb die UVP im Verhältnis zu einer RTX 3080 bereits überproportional hoch angesetzt war und zweitens ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit noch mit einer 4080 Ti zu rechnen, die dann der tatsächliche Nachfolger der 3080 Ti wird. Man muss den Preis also vielmehr mit der 3080 12GB vergleichen und eben diese ist für circa 999 US-Dollar an den Start gegangen, woraus ein Aufpreis von 200 US-Dollar resultiert. Ebenso groß ist der Preisunterschied von der RTX 3080 10 GB (UVP 699 US-Dollar) auf die RTX 4080 12 GB (899 US-Dollar).
Doch der Preisanstieg ist gerechtfertigt, oder etwa nicht? Schließlich sind die alten Modelle immer noch zu haben und bieten gute Performance für kleineres Geld. Die RTX-4000-Generation ist eben die absolute Leistungsspitze. Immerhin verspricht Nvidia für die RTX 4090 eine Leistungssteigerung vom Faktor 2 bis 4 – und das im Vergleich zum aktuellen Topmodell, der RTX 3090 Ti. Aber stimmt das wirklich? Sehen wir uns die Hardware einmal genauer an.
Vierfache Leistung? Das steckt wirklich dahinter
Die RTX 4090 verfügt über 16.384 Cuda-Recheneinheiten, was einem Zuwachs von 52 Prozent gegenüber der RTX 3090 Ti entspricht. Da Nvidia die Streaming-Multiprozessoren gemäß eigener Aussage überarbeitet hat, ist der reine Zahlenvergleich jedoch nicht aussagekräftig. Interessant ist vielmehr, dass Nvidia am Anfang der Präsentation angegeben hat, dass Ada über mehr als 18.000 Cuda-Cores und 76 Milliarden Transistoren verfügen soll. Das bedeutet aber auch, dass oberhalb der RTX 4090 noch einiges an Spielraum für eine mögliche 4090 Ti oder gar eine Titan ist – zu einem nochmals deutlich höheren Preis. Wie auch beim Vorgänger setzt Nvidia auf 24 GB GDDR6X Videospeicher mit 21 GB/s an einem 384-bit Speicher-Interface. Der Boost-Takt soll bei 2520 MHz liegen, ein enormer Zuwachs gegenüber den 1860 MHz der 3090 Ti. Die Leistungsaufnahme soll wie beim bisherigen Topmodell bei 450 Watt liegen – in heutigen Zeiten ein absolut unangemessener Wert und die Fortsetzung eines Trends, der sich durch die ganze Hardwarebranche zieht.
Wenn man vom absurden Energieverbrauch einmal absieht, sind das durchaus ansehnliche Werte. Aber trotzdem nichts, was eine Performancesteigerung von 200 bis 400 Prozent erklären würde. Wie kommt Nvidia auf diese Zahlen?

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Indem Nvidia trickst. Und zwar in 2160p-Auflösung mit DLSS im Performance Mode und der neuen DLSS Frame Generation. Wie Nvidia jedoch selbst angeben hat , unterstützen nur die RTX-4000-Grafikkarten das neue DLSS 3 mit DLSS Frame Generation, da hierfür Tensor Cores der 4. Generation und der neue Optical Flow Accelerator von der Ada-Lovelace-Architektur vonnöten sind. Das bedeutet, Nvidia hat hier Performance-Werte von DLSS 2 mit DLSS 3 verglichen haben – was quasi keine Rückschlüsse auf die tatsächliche Performance der RTX-4000-Serie zulässt. Besitzer einer RTX 2000 oder RTX 3000 stehen dagegen im Regen. Da haben Sie extra eine neue Grafikkarte gekauft, um Features wie Raytracing und DLSS zu erhalten und Schwupps – Nvidia veröffentlicht schon wieder neue Features, welche exklusiv der neuen Generation vorbehalten sind und eben diese Funktionen lässt sich der Hersteller fürstlich entlohnen. Und auch wenn Nvidia selbst angibt, dass DLSS 3 von den Spieleherstellern sehr gut angenommen und bereits in viele Spiele implementiert wird, bleibt dennoch fraglich wie viele Spiele in sagen wir mal einem Jahr DLSS 3 integriert haben. Denn nur in solchen Spielen ist so ein gewaltiger Leistungssprung zu erwarten und dieser hängt auch davon ab, wie gut die Integration des Spieleentwicklers umgesetzt ist.
Im gleichen Atemzug stellt sich die Frage: Wer braucht überhaupt eine RTX 4090? Laut der Steam-Hardware-Umfrage vom August spielen gerade einmal 2,5 Prozent der Gamer in UHD-Auflösung. Und unsere Tests haben gezeigt, dass eine RTX 3080 Ti, 3090 oder 3090 Ti nach wie vor vollkommen ausreichend, um nahezu alle Spiele in 2160p mit höchsten Details flüssig zocken zu können. Die RTX 4090 kann sich eigentlich nur an Kreative richten, die maximale Rechenleistung benötigen und bereit sind, dafür viel Geld auf den Tisch zu legen. Genauer gesagt mindestens 1.949 Euro.
Die RTX 4080, die keine ist
Für weiteres Kopfschütteln sorgt die Verwirrung rund um die zwei Versionen der RTX 4080. Während Zuschauer der Präsentation den Eindruck bekommen haben, diese unterschieden sich nur durch den verbauten Videospeicher, offenbart ein Blick ins Datenblatt, dass es sich um zwei vollkommen unterschiedliche Karten handelt.
Das 16-GB-Modell verfügt mit 9.728 zu 7.680 über satte 27 Prozent mehr Cuda-Cores als die 12-GB-Variante, was sich dementsprechend auch in der Leistung niederschlagen wird. Hinzu kommt, dass auch das Speicher-Interface mit 256-Bit zu 192-Bit größer ausfällt. Die Taktraten gibt Nvidia beim 16-GB-Modell mit 2,51 GHz und bei der 12-GB-Variante mit 2,61 GHz an. Damit kämen die beiden Karten auf eine rein rechnerische FP32-Rechenleistung von 48,8 respektive 40,0 TFLOPs, was einem Unterschied von 22 Prozent entspricht. Interessant: Die Rechenleistung der RTX 4080 12 GB entspricht damit exakt der einer 3090 Ti, welche derzeit ab 1.299 Euro erhältlich ist. Die RTX 4080 12 GB soll mit 1099 Euro etwas günstiger werden, bietet aber dafür auch nur die Hälfte des Videospeichers. Und wie gut die Karte wirklich performt, muss sich letztlich in den Tests erst noch zeigen.

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Bereits vor Wochen war in der Gerüchteküche von dem AD103-Chip mit bis zu 10752 Cuda-Cores und dem AD104-Chip mit bis zu 7680 Cuda-Cores die Rede, was eben exakt der Anzahl an Recheneinheiten der RTX 4080 12 GB entspricht. Nvidia hat mittlerweile sogar offiziell bestätigt, dass beim 12 GB Modell der AD104 zum Einsatz kommt und nicht der AD103 wie beim großen Bruder. Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass die RTX 4080 12 GB ursprünglich als RTX 4070 Ti oder RTX 4070 geplant war, was aufgrund der signifikanten Unterschiede zur 16-GB-Variante auch absolut Sinn gemacht hätte. Mit der Benennung der Karten verschleiert Nvidia also im Grunde den hohen Einstiegspreis der RTX 4080 12 GB, die im Grunde eine RTX 4070 (Ti) hätte sein sollen. Denn eine RTX 3080 ist für 699 Euro auf den Markt gekommen, die RTX 3070 dagegen für 499 Euro. Damit hat sich der Preis auf den eigentlichen Nachfolger, nämlich die 4080 12 GB, mehr als verdoppelt.
Unsere Empfehlung: Abwarten!
Die große Mehrheit der Gamer hat Nvidia mit ihrer Präsentation komplett übergangen. Natürlich ist davon auszugehen, dass unter der RTX 4080 12 GB noch weitere Modelle auf den Markt kommen werden, aber die bisher genannten Preise deuten darauf hin, dass mit einem deutlichen Preisanstieg zu rechnen ist. Bis dahin gibt Nvidia selbst an, dass das eigene Portfolio unterhalb der RTX 4080 12 GB mit den bereits verfügbaren RTX 3000 Grafikkarten abgerundet wird. Und wieder einmal gibt es exklusive Features, nämlich DLSS 3, welche den Käufer dazu verleiten sollen, zur neuen Generation zu greifen, vollkommen ungeachtet der Preise. Wie viel DLSS 3 wirklich bringen wird, darüber lässt sich derzeit nur spekulieren. Zeigen werden das unsere Tests, ebenso, ob das die Preise zumindest halbwegs rechtfertigt. Interessierte Käufer sollten auf jeden Fall noch die Vorstellung von AMD RX 7000 am 3. November abwarten. Es bleibt zu hoffen, dass zumindest ein Hersteller versucht, den großen Teil der Gamer anzusprechen, welche in QHD oder einer niedrigeren Auflösung spielen und nicht gewillt sind, einen vierstelligen Betrag für eine Grafikkarte auszugeben.