28 Millionen Dollar im Minus: Hat eSports ein Geld-Problem?

Der eSports befindet sich 2022 im High-Growth-Mode: maximales Wachstum zum hohen Preis. Die meisten eSports-Organisationen haben aktuell keine Pläne, profitabel zu werden, weil 100 Thieves, FaZe Clan und andere Orgs gerade um die Krone der ersten Gaming-Organisation kämpfen, die 1 Milliarde US-Dollar wert ist. „Würden wir jetzt an Profit denken, würden wir unser Wachstum gefährden. Wir wachsen sehr gut, 110 Prozent mehr Umsatz letztes Jahr, aber wir investieren auch massiv in neue Units für Fashion, NFTs, neue Youtube-Creator, eSports-Athleten“, erklärt etwa 100 Thieves CEO John Robinson auf der LA Games Conference. „Wir hätten uns dafür entscheiden können, eine mittelgroße Organisation zu sein, die einfach nur ein bisschen Profit erwirtschaftet, aber das würde nicht zu unseren Ambitionen passen.“

©FaZe Rug

Je näher die Branche der Börse kommt, desto mehr müssen diese Firmen allerdings ihre Bücher öffnen und die zeigen: eSports-Organisationen geben extrem viel Geld aus, es fällt ihnen aber schwer, die Konten wieder zu füllen. Nun ist es herausfordernd, eine Firma zu bauen und zu skalieren, es liegt uns also fern über deren Managements schlecht zu reden. Dennoch scheint das ein Thema, bei dem wir uns die Faktenlage mal anschauen sollten, denn ob der aktuellen wirtschaftlichen Lage werden Investoren früher oder später Profite sehen wollen.

100 Thieves hat unter anderem in ein 1.400 Quadratmeter großes Headquarter im Herzen von Los Angeles, in Culver City investiert:

100 Thieves wurde gerade von Forbes mit 460 Millionen US-Dollar bewertet, Pläne zur Profitabilität gebe es aktuell nicht

Das würde das Wachstum unnötig gefährden. Wie hoch der Verlust ist, lässt sich indes nicht beziffern, da die Firma nicht an der Börse gelistet ist. In der Tat ist das in der Tech-Branche relativ üblich, weil Verluste zu schreiben bei hohem Wachstum, etwa sehr viel mehr Umsatz, bei Venture-Capital-Investoren besser ankommt, als wenn eine Firma 100.000 US-Dollar Gewinn machen würde. Schwierig kann es allerdings werden, sobald sich Organisationen dem Börsenmarkt öffnen: FaZe Clan verzeichnete für 2021 einen Verlust von 28 Millionen, strebt aber eine Börsenbewertung von 1 Milliarde US-Dollar an bei einem Umsatz von 50 Millionen. Also ein Multiple von 20x für ihren SPAC: eine Special Purpose Acquisition Company. Eine Mantelgesellschaft, die dafür gegründet wird, Kapital durch einen Börsengang zu sammeln und dieses Geld dann zum Erwerb und zur Fusion mit einem privaten Unternehmen zu verwenden. 

©FaZe Clan

Analysten gehen davon aus, dass man sich für einen SPAC entschieden hat, um sehr viel Wachstumskapital einzusammeln

291 Millionen US-Dollar ist das Ziel. FaZe hat enorm viele Fans, 48 Millionen auf Youtube; über 500 Millionen über alle Social-Plattformen verteilt. Sie sind die größte Gaming-Organisation der Welt, haben mehrere der größten Youtuber überhaupt unter Vertrag – FaZe Rug etwa mit über 21 Millionen Youtube-Abonnenten oder FaZe Nickmercs mit 4 Millionen Fans. Tun sich aber scheinbar schwer, diese Fanbase nachhaltig zu monetarisieren. G2 eSports CEO Carlos “Ocelot Rodriguez ließ sich gar dazu hinreißen, zu sagen: „FaZe ist viel größer als wir, gar keine Frage. Aber haben sie ein Business? Sie verlieren jedes Jahr Minimum 17 Millionen US-Dollar seit langer Zeit.“ 

©G2 esports

Der CEO von Europas größter eSports-Organisation ist entsprechend skeptisch, ob das Business-Modell der Amerikaner funktioniert. Dieses basiert zum einen auf eSports, in dem sie sehr erfolgreich sind aktuell. Gerade erst hat man 400.000 US-Dollar in der Kathedrale des eSports, beim IEM Cologne 2022 als Sieger eingesammelt. Und auf Content: Um auf Youtube zu wachsen, brauchen sie den Flex: Die 30 Millionen US-Dollar teure Villa als Headquarter, die Lambo-Flotte, die Champagner-Parties mit heißen Models. Die gleiche Marketing-Masche, die etwa auch deutsche Rapper oder quasi jeder in der Musikindustrie nutzt: „Ich hab’ Style, ich hab’ Geld, im Privatjet fliegen wir um die Welt“, würde Kay One singen. 

Hat der eSports ein Geld-Problem oder sind das nur Wachstumsschmerzen? 

©ESL

Nur diese drei Organisationen sind an der Börse gelistet, die anderen müssen ihre Zahlen nicht veröffentlichen, insofern möchten wir nicht verallgemeinern. TSMs Ex-President Leena Xu etwa hat uns gegenüber versichert, dass TSM hochprofitabel sei, verifizieren können wir das indes nicht. In der Tat tun sich aber nach unseren Informationen die meisten esports-Clans schwer, Profite zu erwirtschaften, weil sie zum einen enorm hohe Gehälter zahlen – ein League-of-Legends-Profi in den USA verdient im Schnitt 1 Million US-Dollar pro Jahr. Und mitunter enorm schnell wachsen, was ihre Personalkosten angeht. Wer mal eine Firma gebaut hat oder für die P&L verantwortlich war, kann sich vorstellen, wie hoch die Kosten für 300 oder gar 500 Mitarbeiter sind: 

eSports auf Wachstumskurs: NFTs, Fan-Daten, Music und das Metaverse sollen die Umsätze verzehnfachen 

©FaZe Clan

FaZe Clan hat vor allem deshalb so viele Leute eingestellt, weil sie aggressiv angreifen und Märkte in Südamerika sowie Asien erobern wollen. Zudem gibt es intensive Pläne für ein eigenes Musik-Label, NFT-Projekte sowie Metaverse-Ambitionen – an letzteren arbeitet etwa Snoop Dogg, der sich jetzt schon selbst als „King of the Metaverse“ bezeichnet. Snoop-Style eben. FaZe plant eine aggressive Expansion und massiv mehr Geld zu verdienen: Das Ziel liegt bei 650 Millionen US-Dollar jährlich, der Umsatz soll sich also mindestens verzehnfachen, optimalerweise strebt man ein 12x seines aktuellen Umsatzes an. Das klingt ziemlich ambitioniert – es gibt durchaus Firmen, denen das gelungen ist: Amazon etwa, Facebook oder Apple, aber in nur drei Jahren so explosiv zu wachsen, wird auf jeden Fall eine Herausforderung. 

Snoop Dogg ist jetzt ein FaZe 

Dafür hat man gerade sein Top-Management massiv verstärkt, etwa mit Kai Henry, dem Manager von Ice Cube und Snoop Dogg und Stephanie McMahon kam als Sales-Executive von der WWE. Und auch den Gott des Raps höchstpersönlich holt man ins Board of Directors: Snoop Dogg, der gerade erst mit Dr. Dre den Super Bowl gerockt hat. Ein Executive Board mit 20 Managern, die aus der Musik, Fashion- und Sportwelt kommen, sollen CEO Lee Trink helfen, seine Firma vom Verlustgeschäft zu einem Giganten aufzubauen, der Geld druckt. Es wird unglaublich spannend sein, wie der Markt reagiert in den aktuell schwieriger werdenden Zeiten. 2021 Jahr noch lag der Cash auf der Straße, Investoren verfügten über nahezu unendlich viel frisches Kapital, weil man keine Zinsen zahlen musste, mittlerweile aber ziehen die Zinsen weltweit an.  

Die ersten Triple-A-Shooter auf Basis von Unreal Engine 5 mit Play&Earn-Mechaniken sind im Anmarsch: In Farcana wird man etwa Bitcoin gewinnen könne

Aktuell setzt sich dieser Trend übrigens noch fort. 98 Milliarden US-Dollar wurden im ersten Quartal 2022 investiert, 48 Prozent davon flossen in Blockchain-Technologie und Play&Earn-Gaming. NFTs werden die nächste Revolution für Videospiele, die vor allem Publishern sehr, sehr viel Geld verdienen sollen, schließlich werden diese an jedem Verkauf beteiligt. Aber auch Spieler können in Zukunft ihre Items verkaufen – gespielt wird dann nicht mehr nur aus Spaß, sondern auch als Investment. Wir werden diesem spannenden Thema auch bald ein eigenes Special widmen. 

©Microsoft

Adam Rymer, CEO von OpTic Gaming sieht auch das Metaverse als massivem Wachstumstreiber für den eSports: „Wir interagieren zu 100 Prozent mit unserer Fanbase auf YouTube, Twitch, Twitter oder Instagram. Diese Daten sind enorm wertvoll, zudem handelt es sich um eine sehr Technologie-affine Zielgruppe. Wenn ich zu Microsoft gehe und sage „Hey, wir haben hier 400.000 Fans, die bereits ihre Wallets aktiviert haben. Wie können wir die auf eure Platform bringen? Dann wird’s richtig spannend.“ 

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