Assassin’s Creed Valhalla: Dawn of Ragnarok ist Ubisofts Rückkehr zu alter Stärke. Wie wunderschön sind diese Lande, wie faszinierend ist es, an diesen riesigen Zwergen-Statuen vorbei in die unterirdischen Königreiche hinabzusteigen, die uns an Khazad-dûm aus Der Herr der Ringe erinnern. Es ist nicht einfach nur unsere Welt, sondern ein Fantasy-Universum, in dem wir als Odin durch Landschaften in tiefem, kräftigem Grün wandeln, wo die Sonne durch die Blätter Jahrtausende alter Bäume strahlt und die goldfarbene Rinde glitzern lässt. Die roten Äste des Weltenbaums ragen über den Horizont hinaus, während sich gigantische Gesteins- und Magmafragmente in die Luft erheben. Berge hier sind mit Gold überzogen und wir galoppieren auf einem schwer gepanzerten Eber in goldener Rüstung durch die Lande, einem Gott gerade so gerecht werdend.
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Dawn of Ragnarok bringt uns in die Lande der Zwerge, die hier überall Zuflucht suchen vor einer großen Gefahr. Ihre prächtigen in den Stein geschlagenen Städte dienen uns als Quest-Hub, hier nehmen wir Aufgaben entgegen, lernen neue Figuren kennen, gehen einkaufen und lassen unser Equipment verbessern, schließlich sind die Zwerge Meister der Schmiedekunst.

Es ist eine neue Welt, die Assassin’s Creed so dringend braucht, denn langsam haben wir genug Zeit in England verbracht und gefühlt zu viele Festungen und Burgen erobert, die sich doch immer wieder alle sehr ähnelten. Der letzte DLC Siege of Paris entführte uns zwar nach Frankreich, doch auch das ähnelte dem Hauptspiel vom Szenario sehr stark. Assassin’s Creed: Valhalla ist zweifelsfrei ein Koloss, gut 150 Stunden haben wir dort mittlerweile auf der Uhr und es tut gut, mal etwas andere Architektur und Kultur zu erleben: Die Zwerge sind ein elegantes Volk, das gerne Feste feiert und weniger in Höhlen und mehr in unterirdischen Palästen lebt. Aber auch nur die herrschende Schicht, mit Uldar bereisen wir etwa auch eine zwergische Bergbaustadt, wo das einfache Volk ihre unterirdischen Dörfer angelegt hat.
Wie gesagt, das ist wirklich wie in Der Herr der Ringe, Ubisoft Sofias Designer müssen große Fans von J.R.R. Tolkien sein. Uldar etwa schmiegt sich an einen goldglänzenden Berghang und vor seinen massiven Holztoren, liegt eine lange Brücke. Die Zwerge sind es, die uns mit neuen Waffen ausstatten und sehr kunstvollen Rüstungen für unseren treuen Eber – der sieht selbst aus wie ein König, schließlich sind Rubine und Brillanten in seinen Panzer eingebaut. Als Odin selbst verfügen wir über einen magischen Armreif, der unseren Feinden ihre Kräfte entreißt und das ist sicherlich die spannendste neue Mechanik des 2022er Assassin’s Creed.
Kämpfen wir etwa gegen gefiederte Gegner, können wir selbst durch die Lüfte segeln. Oder über Lava laufen, was es uns beispielsweise erlaubt, Schätze zu bergen, die wir sonst nie erreichen könnten. Oder wir können für kurze Zeit eine kleine Armee von Untoten befehligen. Um diesen Armreif hat Ubisoft eine Menge Mechaniken und eine komplette Storyline entwickelt: Diese Kräfte können wir nur aktivieren, wenn wir eine neue magische Leiste auffüllen.
Eine Möglichkeit, das zu tun besteht darin, an einem Yggdrasil-Schrein Halt zu machen und dem Weltenbaum im Gegenzug für die benötigte Energie eine beträchtliche Menge von Odins Gesundheit zu opfern. Töten wir hingegen einen großen Vogel, der die Zwergenstadt Uldur angreift, entreißen und überführen wir die Macht des Raben auf uns selbst. Wir können dann die Gestalt des Vogels annehmen, was es uns erlaubt, unbemerkt feindliche Festungen und Basen auszuspionieren. Das geht allerdings nicht besonders lange, wir müssen also auf den Balken achten. Das ist ziemlich spannend und witzig gemacht, denn wenn wir zu lange fliegen, fällt Odin einfach aus dem Himmel. Generell können wir diese Mächte sehr strategisch nutzen, da wir uns damit in unterschiedliche Figuren verwandeln.

Etwa in die Muspels, die aussehen wie menschliche Soldaten, aber ihre Körper und Köpfe sind aus Lavagestein. Verwandeln wir uns in einen von ihnen, können wir ihre schwer bewachten Basen durchstöbern, etwa um Zwerge zu befreien. Um Assassin’s Creed: Dawn of Ragnarok noch etwas mehr Spieltiefe zu geben, müssen wir uns stets zwischen zwei Mächten entscheiden, denn weitere können wir nicht gleichzeitig ausstatten. Wollen wir lieber über Lava gehen, was uns Zugang zu Geheimgängen verleiht? Oder besser fliegen? Oder als Gestaltenwandler die Form des Gegners annehmen? Oder eine Untoten-Armee beschwören?
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Eines müssen wir aber auch klar sagen: Es ist ein DLC, kein neues Assassin’s Creed. Also erinnert es sehr an Valhalla von seiner Struktur, nur eben in einem anderen Setting, mit etwas aufgebohrten, intelligenteren Mechaniken. Will heißen: Wer Valhalla mochte, der wird hier viel Spaß haben. Wem das allerdings zu viel Gegrinde und das Spiel zu groß war, der bekommt mit der Expansion zwar eine komplett andere, durchaus gut geschriebene Storyline in einem stark umgesetzten mystischeren Fantasy-Setting, aber kein gänzlich anderes Spiel. Schade und unnötig ist zudem, dass auch Ubisoft Sofia die Kamera-Probleme des Originals anscheinend nicht in den Griff bekommen hat, wodurch einige Attacken nicht so cineastisch wirken, wie sie könnten.
Eine Welt wie ein Gemälde: Wie Assassin’s Creed Valhalla entstand
Die Magie von Asssassin’s Creed ist zurück: Warum Die Zeichen Ragnaroks das bessere Valhalla ist

Die Zeichen Ragnaroks zeigt, was Ubisoft mit Assassin’s Creed Infinite, ihrem riesigen Metaverse, das alle ACs kombinieren wird, erreichen will: Sie wollen wieder bessere Spiele anbieten. Denn dieses Abenteuer ist viel besser geschrieben, inszeniert und choreografiert als Valhalla. Wo das Hauptspiel gefühlte Ewigkeiten braucht, um überhaupt anzufangen und Ubisoft Montreal alles dafür tun musste, um das Werk enorm zu strecken an allen Ecken und Enden, braucht Odins Abenteuer das nicht. Es ist fokussiert, es verrennt sich nicht und es erzählt uns spannende Geschichten innerhalb der Hauptgeschichte, statt sich so sehr zu zerfasern wie das Hauptspiel.
Valhallas größtes Problem ist und war England. Vorher spielten Assassin’s Creeds in der Pracht Ägyptens oder Griechenlands – mit riesigen, majestätischen Städten. England hingegen hat zu dieser Zeit nicht viel mehr als Kuhdörfer zu bieten und die immer gleiche Landschaft. Es ist kein besonders spannendes Setting. In Ägypten gab es Krokodile und Nilpferde, die uns auf unserem Kahn im Nil angriffen – so etwas bietet England nicht.

Und das England des Mittelalters hatte auch keine prächtigen Städte, genau hier dockt Die Zeichen Ragnaroks an: Es hat riesige, goldene Zwergen-Statuen, die uns den Weg nach Swarthalfheim weisen und die ganze Welt ist mystisch, anders, spannend. Es gibt den Weltenbaum, fliegende Gebirge, von Gold ummantelte Berge, die in der Sonne glitzern. Es ist eine Welt, die endlich wieder interessant genug ist, um darin 40 bis 50 Stunden zu verbringen.
Statt uns völlig sinnlos hunderte Klöster ausrauben zu lassen, weil Wikinger scheinbar zu dumm sind, Holz zu fällen und das von anderen Häusern rausreißen müssen, hat sich Ubisoft Sofia Gedanken gemacht, wie man Gameplay mit dem Szenario verheiraten kann. Nehmen wir den Palast von Hreidmar, in dem Glod, der Sohn des Riesen Surtr, wohnt. Dieser liegt auf einem majestätischen Berg. Klare Sache: Mit der Macht des Raben können wir immer mal wieder gewisse Abschnitte erklimmen, die dortigen Wachen erlegen oder umgehen und uns so nach oben arbeiten. Weil wir aber nur kurz fliegen können, müssen wir das aber für Schritt für Schritt tun, können also nicht einfach vor seine Tore flattern.

Oder nehmen wir Hreidmars Grotte, eine unterirdische Höhle voller Feuer und Eis, in der einer von fünf epischen Teilen für eine Zwergenschmiede-Rüstung versteckt ist. Hier nutzen wir die Macht von Jotunheim. Wie die Kraft von Muspelheim verwandelt sie uns in eine mythische Kreatur, dieses Mal jedoch in einen Frostriesen. Die Kraft beinhaltet auch die Fähigkeit, sich zu teleportieren. Wir können uns über recht weite Distanzen beamen, was natürlich ganz neue Möglichkeiten bringt. Um Gegnerhorden zu umgehen oder aber aus großer Höhe nach unten zu schnellen, durch das Teleport-Tor hindurch und von oben auf die verblüfften Gegner mit unserem Zwergen-Bogen feuern, der drei Eispfeile gleichzeitig abfeuert.
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Aber, und das ist schade, Ubisoft Sofia schraubt nur bedingt am Valhalla-Gameplay-Loop: Wir müssen also nach wie vor unglaublich viel Zeug sammeln und von Pontius zu Pilatus rennen, um unsere Zwergenrüstung zu vervollständigen. Wir hatten viel Spaß mit dieser großen Expansion zu Assassin’s-Creed, die mit 35 Euro fair bepreist ist, ob der hohen Spielzeit von satt 40 Stunden. Aber wir wollen jetzt endlich ein neues Assassin’s-Creed-Universum abseits der Wikinger-Mythologie: Eine Rückkehr in die Antike wäre schön, ins Imperium Romanum. Gerne würden wir an Aquädukten und majestätischen Tempeln vorbeischlendern oder auch die großen Schlachten schlagen, für die Roms Legionen so berühmt wurden.

Fazit: Ein gut 40-stündiges Epos, aber jetzt wird es Zeit für ein neues Assassin’s Creed
Mit Assassin’s Creed Valhalla: Dawn of Ragnarok macht Ubisoft Sofia enorm viel richtig: Es ist stark inszeniert, spielt in einer wunderschönen, magischen Zwergenwelt, in der Berge gerne mal mit Gold überzogen sind. Hat viele skurrile Charaktere, etwa Zwerge, die unentwegt von Gold und Diamanten schwärmen und sich wohl auch im Liebesleben zu diesen Ressourcen hingezogen fühlen. Ähem. Hinzu kommen smart gewählte Mechaniken, die gut in Bosskämpfe und das ganze Weltendesign integriert wurden und sich weniger wie Botengänge anfühlen, von denen Valhalla gefühlt zu viele hatte.
Ist der Preis von 35 Euro gerechtfertigt? Wir würden sagen ja, schließlich liefert die größte Expansion für Valhalla bisher satte 40 Stunden Spielspaß und zahlreiche neue Ideen. Etwa die Arena der Valkyrie, wo wir uns Gladiatoren-Duelle liefern. Jeder Kampf ist dabei als Nachstellung einer von Odins heroischen Schlachten angelegt und jeder Boss bietet mechanisch gesehen eine andere Herausforderung. Jetzt wird es aber definitiv Zeit für Ubisoft, das nächste komplett neue Assassin’s Creed anzukündigen, welches sich hoffentlich anders spielt und anfühlt als Valhalla und vor allem ein komplett neues Setting anbietet. Nach dem Erfolg von Ghost of Tsushima scheint Ubisoft offenbar mit dem Zeitalter der Samurai zu flirten, worauf wir durchaus Lust hätten.
Wertung: 8.7
Pro:
- Stark umgesetzte Fantasy-Welt mit goldenen Bergen und schwebenden Gebirgen
- Die neuen Mechaniken werden smart in Bosskämpfe integriert
- Größtenteils gut geschriebene Charaktere
- Viel Spielzeit mit gut 40 Stunden
Contra:
- Von der Struktur und dem harten Grind teilt es seine Schwächen mit Valhalla
- Kameraproblematik von Valhalla nicht gelöst
- Insgesamt wieder viele „Laufe-dorthin-und-bring-uns-Item XY“-Aufgaben
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