Die Ankündigung von Windows 11 kam etwas überraschend. Schließlich sollte Windows 10 das letzte und einzige Microsoft-Betriebssystem für den Desktop sein. Aber das war vielleicht ein Missverständnis. Ein Upgrade für das weltweit am häufigsten genutzte Betriebssystem sorgt in jedem Fall für Aufmerksamkeit – erst recht, wenn es sich auf vielen älteren PCs nicht installieren lässt .
Die technischen Neuerungen im Windows-Unterbau sind überschaubar. Im Vergleich zu Windows 10 hat sich nicht viel geändert. Dafür befinden sich jetzt Startmenü und Taskleiste in der Mitte unten am Bildschirm, Fenster zeigen abgerundete Ecken, die „Einstellungen“ sind etwas übersichtlicher geworden. Linux-Nutzern wird bei Windows 11 einiges bekannt vorkommen – Ähnlichkeiten mit KDE Plasma sind nicht zu verleugnen. Bei Windows 11 fehlen jedoch in vielen Bereichen Anpassungsmöglichkeiten, die Linux-Nutzer seit langem gewohnt sind.
Konzepte grafischer Oberflächen
Grafische Benutzeroberflächen für Computer gibt es seit den 1970er-Jahren. Am Grundkonzept hat sich seither wenig geändert: mit der Maus anklickbare Icons, Anwendungen in skalierbaren Fenstern. Platz für Innovationen ist aber dennoch genügend vorhanden. Elemente wie Finder und Dock bei Mac-OS oder das Startmenü von Windows 95 haben über Jahre die Gestaltung grafischer Oberflächen beeinflusst. Das iPhone hat 2007 der Entwicklung noch einmal neue Impulse gegeben: Vollbild statt Fenster und Finger statt Maus. Dazu kommen die Anzeige von Nachrichten auf dem Sperrbildschirm und die Sprachsteuerung. Microsoft hat das dazu verleitet, Desktopnutzern mit Windows 8 eine ähnliche Benutzeroberfläche aufzuzwingen – ein Flop, wie man inzwischen weiß. Mit Windows 10 ging es dann wieder eher in Richtung klassische Bedienung und in Windows 11 hat Microsoft den Desktop erneut leicht renoviert.
Auch wenn Microsoft bei Designentscheidungen schon häufiger danebenlag, kann man die Gründe dafür teilweise nachvollziehen. Im Vergleich mit Linux-Desktops ist jedoch bei Windows 11 kaum Neues zu finden. Der entscheidende Unterschied: Linux-Nutzern bleibt die Wahl zwischen unterschiedlichen Desktopumgebungen, die zudem meist fast beliebig anpassbar sind.
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Windows: Startmenü und Taskleiste
Startmenü und Taskleiste in der Mitte des unteren Bildschirmrands kann man als nett gemeinten Vorschlag Microsofts verstehen. Unter Umständen lassen sich damit Mauswege verkürzen, weil die meisten Anwender eher in der Mitte des Bildschirms arbeiten. Ob das in der Praxis eine besonders große Zeitersparnis darstellt, sei dahingestellt. Zudem reduziert sich der Vorteil, wenn zahlreiche Icons in der Taskleiste angepinnt oder viele Programme gestartet sind. Die Startmenüschaltfläche verschiebt sich dann immer weiter nach links. Wer möchte, kann die Taskleiste über die Einstellungen links anordnen. Andere Positionen sind nicht möglich.
Das Startmenü hat Microsoft deutlich entschlackt. Es zeigt einige angepinnte Programme, die Position lässt sich per Drag & Drop ändern. Die Live-Kacheln von Windows 10 fehlen. Per Klick auf „Alle Apps“ ruft man eine alphabetisch sortierte Liste aller Programme auf.
Windows 11 gruppiert die Icons in der Taskleiste, wenn mehrere Fenster einer Anwendung geöffnet sind. Um zum gewünschten Fenster zu gelangen, fährt man mit dem Mauszeiger über das Icon und klickt auf die Fenstervorschau. Das ist auch bei Windows 10 so. Die Gruppierung lässt sich hier jedoch abschalten oder nur aktivieren, wenn die Taskleiste voll ist.
Linux: Starter und Leisten

Wie Anwendungsstarter und Taskleiste aussehen, hängt von der Distribution beziehungsweise Desktopumgebung ab. Ubuntu beispielsweise verfolgt einen stark reduzierten Ansatz. Für den Starter und die Icons der laufenden Anwendungen gibt es nur eine gemeinsame Leiste. Wer mehr Einstellungen wünscht, wird bei Linux Mint Cinnamon oder Kubuntu (KDE) fündig. Die Systeme zeigen frei konfigurierbare Leisten, deren Position und Bestandteile man nach Belieben anpassen kann. Es stehen unterschiedlich gestaltete Widgets für Menüs, Programmstarter oder Fensterlisten zur Verfügung. Die bei Windows 11 genannten Einschränkungen sind Kubuntu, Lubuntu, Xubuntu oder Linux Mint weitestgehend unbekannt.
Die Funktionalität des Desktops
An der Desktoparbeitsfläche hat sich in Windows 11 nicht viel geändert. Hier lassen sich Ordner, Dateien oder Verknüpfungen ablegen, auch per Drag & Drop vom Windows-Explorer aus. Verwendet man die rechte Maustaste, öffnet sich ein Menü und fragt nach der gewünschten Aktion.
Linux: Auch beim Desktop verfolgt Ubuntu (mit Gnome) seine eigene, sehr reduzierte Strategie. Auf dem Desktop lassen sich Ordner, aber keine Dateien oder Verknüpfungen erstellen. Der Cinnamon- oder KDE Desktop ist dagegen voll funktionsfähig und bietet die gleichen Möglichkeiten wie Windows 11.
Konfiguration und Einstellungen

Seit Windows 8 arbeitet Microsoft am Umbau der Systemeinstellungen. Bei jedem Upgrade wandern mehr Funktionen von der alten Systemsteuerung in die neuen „Einstellungen“. Für die Benutzer erschwert das die Orientierung, weil eine Option oft nicht mehr am gewohnten Ort zu finden ist. Die „Einstellungen“ in Windows 11 sind jedoch gut gelungen. Hauptkategorien wie „System“ oder „Personalisierung“ bleiben als Navigation auf der linken Seite des Fensters immer sichtbar. Die Unterkategorien sind im rechten Teil des Fensters zu sehen, von wo aus man in weitere Unterpunkte gelangt. Der aktuelle Pfad wird oben im Fenster angezeigt. Man sieht daher jederzeit, wo man sich gerade befindet, und blättert per Klick auf einen Teil des Pfades zum vorherigen Punkt zurück.
Linux: Die „Einstellungen“ bei Ubuntu (Gnome-Desktop) müssen den Vergleich mit Windows 11 nicht scheuen. Navigation und Aufbau sind ähnlich. Es gibt aber deutlich weniger Optionen, was die Übersichtlichkeit erhöht, aber die Anpassungsmöglichkeiten reduziert. Das KDE-Kontrollzentrum (Kubuntu) ist ähnlich aufgebaut, bietet aber mehr Einstellungen und Unterkategorien. Man muss daher häufiger blättern. Maximal ist nur eine Unterebene vorhanden, sodass man mit einem Mausklick zu den Hauptkategorien zurückgelangt. Linux Mint mit Cinnamon ist schlechter aufgestellt. Die einzelnen Optionen erreicht man eher umständlich über das Menü „Einstellungen“. Eine Komplettübersicht erhält man in den nicht sehr übersichtlichen „Systemeinstellungen“.