Update 9.12.2021: Die Bundesnetzagentur hat die Allgemeinverfügung und die Handreichung für die Messung der Internetgeschwindigkeit veröffentlicht. Diese beiden Dokumente sind wichtig, damit man die Messung der Internetgeschwindigkeit und darauf basierend die Reduzierung der Zahlungen an den Internet-Provider korrekt vornehmen kann. Update Ende
Ursprüngliche Meldung vom 10.11.: Verbraucherschützer – so viel zahlen Internetnutzer zu viel für langsames Internet
Die Verbraucherzentrale Bundesverband vzbv hat ausgerechnet , wie viel Internetnutzer im Zeitraum 2019/2020 zu viel für zu langsames Internet gezahlt haben. Diese Information kommt genau zum richtigen Zeitpunkt, denn ab dem 1. Dezember 2021 können Verbraucher ihre Rechnung an den Internetprovider reduzieren, wenn ihre Internetverbindung langsamer als vertraglich zugesichert ist. Wer beispielsweise nur die Hälfte der vertraglichen vereinbarten Internetgeschwindigkeit erhält, zahlt auch nur die Hälfte des vertraglich festgelegten Entgelts. Mehr hierzu lesen Sie in Internet zu langsam? Ab 1.12. können Sie Zahlungen kürzen.
Die Verbraucherschützer untersuchten gängige Breitband-Tarife der Breitband-Internetanbieter Telekom, Vodafone, Telefónica und 1&1. Der vzbv hat die Messdaten der Bundesnetzagentur, die mit deren Messtool ermittelt werden können, mit den Tarifen der Telekommunikationsanbieter abgeglichen und ausgerechnet, wie viel Verbraucher in den einzelnen Tarifen der Telekommunikationsanbieter zu viel bezahlten. Das Ergebnis: Die Nutzer zahlten anbieterübergreifend teilweise jeden Monat zweistellige Beträge zu viel, weil sie beispielsweise weniger als 50 Prozent der vereinbarten Download-Geschwindigkeit erhielten. Die Ergebnisse im Detail.
Telekom
Laut den Verbraucherschützern zahlte die Hälfte der Kunden der Telekom bei Verträgen von 2 Mbit/s bis unter 50 Mbit/s mehr als 30 Prozent zu viel. Das bedeutet, dass Verbraucher bei den Tarifen der Telekom für diese Bandbreiteklassen im Schnitt mindestens 9,25 bis 15,90 Euro monatlich zu viel zahlen. Im gleichen Bandbreite-Spektrum erhalten 30 Prozent der Verbraucher nicht einmal die Hälfte der versprochenen Download-Geschwindigkeit, sodass sie mindestens 15,21 bis 23,89 Euro monatlich ohne Gegenleistung zahlen.
Bei Verträgen von 200 Bit/s bis unter 500 Mbit/s erhalten 30 Prozent der Verbraucher nicht einmal 37,7 Prozent der versprochenen Leistung. Das bedeutet laut den Verbraucherschützern beim Tarif Magenta Zuhause XL 250, der über eine Laufzeit von 24 Monaten pro Monat durchschnittlich 46,20 Euro kostet, dass betroffene Kunden monatlich mindestens 28,78 Euro zu viel zahlen.
Vodafone
Bei Tarifen von acht bis unter 18 Mbit/s erhalten 50 Prozent der Kunden nicht einmal 60,8 Prozent der versprochenen Leistung und zahlen mindestens 8,82 Euro monatlich zu viel. Jeder fünfte Verbraucher zahlt in dieser Bandbreiteklasse sogar mehr als 70 Prozent zu viel. In der Bandbreiteklasse von 200 bis unter 500 MBit/s erhalten 30 Prozent der Nutzer gerade einmal ein Drittel der vertraglich vereinbarten Leistung, was monatlich mindestens 20,00 bis 26,67 Euro an Zahlungen ohne Gegenleistung entspricht.
1&1
In der Bandbreiteklasse von 8 bis unter 18 Mbit/s zahlt die Hälfte der Kunden 38,4 Prozent zu viel – das sind laut den Verbraucherschützern monatlich mindestens 8,64 Euro bei einer Vertragslaufzeit von 24 Monaten oder sogar 11,52 Euro bei einer Laufzeit von drei Monaten. In der gleichen Bandbreiteklasse erhält jeder fünfte Kunde nicht einmal ein Drittel der vertraglich zugesicherten Download-Geschwindigkeit. In der Bandbreiteklasse von 200 bis unter 500 Mbit/s bekommen 50 Prozent der Verbraucher weniger als zwei Drittel der Vertragsleistung und zahlen somit mindestens 14,60 Euro zu viel. Zehn Prozent der Kunden erreichen in den Messungen nicht einmal 13,1 Prozent ihrer bezahlten Internetgeschwindigkeit, sodass sie monatlich mindestens 34,75 Euro zu viel zahlen.
Telefónica
In der Bandbreiteklasse von 8 bis unter 18 Mbit/s zahlt jeder fünfte Verbraucher mindestens zwei Drittel zu viel, was beim Anbieter O2 monatlich beispielsweise 17,72 Euro entspricht, wie die Verbraucherschützer ausrechnen. In der Bandbreiteklasse von 25 bis unter 50 Mbit/s erhalten 50 Prozent der Verbraucher weniger als die Hälfte und 30 Prozent weniger als ein Drittel der vertraglich vorgesehenen Download-Geschwindigkeit – sie zahlen somit jeden Monat mindestens 16,04 Euro beziehungsweise 21,08 Euro zu viel.
In der Bandbreiteklasse von 100 bis unter 200 Mbit/s bekommt jeder fünfte Kunde nicht einmal die Hälfte der versprochenen Leistung und zahlt monatlich mindestens 20,63 Euro zu viel.
Stellungnahme des VATM vom 2.12.2021: VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner kritisiert die ab dem 1.12. geltenden Minderungsrechte:
„Die in der Novelle des Telekommunikationsgesetzes (das seit dem 1.12.2021 gilt, Anm. der Redaktion) vorgesehenen Minderungsrechte sind besonders problematisch. Im Festnetz stehen die TK-Anbieter dabei vor der großen Herausforderung, dass sie Leistungsangaben in die Verträge aufnehmen müssen, obwohl jeder Politiker weiß, dass die Leistung bei Kupfernetzen mit jedem Meter Kupfer abnimmt und jeder Anschluss – ohne jede Schuld des Anbieters – eine sehr unterschiedliche Leistung aufweist. Hinzu kommt, dass die Verkabelung im Wohnhaus ebenso wie kundenseitige Einstellungen an den Geräten und WLAN in der Praxis oft zu Verschlechterungen führen. Vor allem aber sind Schwankungen aufgrund hoher Reserven in den Netzen oft völlig unerheblich für den E-Mail-Verkehr oder für ruckelfreie Videos. Für den Festnetzbereich wird ein ausreichend sicheres Messtool – Voraussetzung für jeden Minderungsanspruch – von der Bundesnetzagentur wohl noch im Dezember bereitgestellt werden. Im Mobilfunk ist das gesetzlich vorgesehene Minderungsrecht in der Praxis noch problematischer, da die für den einzelnen Kunden nutzbare Bandbreite unter anderem davon abhängt, wie viele Nutzer sich noch in der jeweiligen Mobilfunkzelle befinden und sogar wie die Witterungsbedingungen sind. Ein Mobilfunkanbieter hat auf solche Faktoren keinerlei Einfluss. An einem Messtool für den Mobilfunkbereich wird daher verständlicherweise noch gearbeitet.“ Zitat Ende
Stellungnahme der Verbände der Telekommunikationsbranche vom 1.12.2021 zur obigen Berechnung der Verbraucherzentrale Bundesverband vzbv
Wenig überraschend: Die deutschen Telekommunikationsverbände sind nicht begeistert von der Aussage der Verbraucherschützer. Deren Stellungnahme im vollen Wortlaut: „Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat am 10. November 2021 eine Untersuchung veröffentlicht, in der die Auffassung vertreten wird, dass Verbraucherinnen und Verbraucher künftig erhebliche Minderungsansprüche wegen unzureichender Bandbreiten gegen Telekommunikationsunternehmen geltend machen können. Der vzbv stützt sich hierbei auf Daten, welche die Bundesnetzagentur in ihrem Jahresbericht 2020 veröffentlicht hat. Die Verbände der Telekommunikationsbranche halten die Aussagen des vzbv aus den im Folgenden dargelegten Gründen für inhaltlich verfehlt. Der vzbv stellt seine Analyse auf eine ungeeignete Datenbasis. Wie der vzbv selbst ausführt, sind die Messungen keineswegs repräsentativ. Die vom vzbv herangezogenen Messungen sind nicht mit dem gesetzlich für die Minderung vorgeschriebenen BNetzA-Messtool vorgenommen worden. Die Messungen erfolgten über die Webseite der BNetzA und nicht über das BNetzA-Messtool als Desktop-App ( diese Desktop-App ist derzeit nicht verfügbar, Anm. der Redaktion). Die BNetzA verwendet für ihre Jahresberichte Messungen, die Verbraucher über ihren Browser durchgeführt haben. Dieser Webservice der BNetzA dient lediglich der allgemeinen Marktbeobachtung und nicht dem Zweck, beweiserhebliche Messergebnisse zu erzielen. Browserbasierte Messungen sind aus mehreren – insbesondere technischen – Gründen ungeeignet, eine belastbare Aussage über die Leistungsfähigkeit des Anschlusses zu treffen. Beispielhaft zu nennen sind hier verschiedene Browser, deren Aktualität sowie die sehr eingeschränkten Möglichkeiten zur Überprüfung der Messumgebung, wie WLAN- oder LAN-Messungen oder der Anschluss des Computers an eine Stromversorgung. Aus diesen Gründen verlangt die Bundesnetzagentur für die Geltendmachung von Rechten ausdrücklich die Nutzung des von ihr vorgegebenen Messtools. Lediglich die Desktop-App prüft die Leistungsfähigkeit und Geeignetheit der Netzwerkkarte sowie des Endgerätes für die gebuchte Anschlussgeschwindigkeit.
Zudem wird dem Umstand, dass die Angaben der Messenden zu ihren Tarifen nur sehr eingeschränkt validierbar sind und so gegen zu hohe Zielwerte gemessen wird, viel zu wenig Aufmerksamkeit entgegengebracht. Darüber hinaus hat die Bundesnetzagentur die Allgemeinverfügung zur Konkretisierung der unbestimmten Rechtsbegriffe in § 57 Abs. 4 TKG n.F. noch nicht erlassen ( mittlerweile ist sie erschienen , Anm. der Redaktion am 9.12.2021). Bis eine solche Allgemeinverfügung vorliegt kann noch nicht abgesehen werden, wie Verbraucher Messungen mit dem BNetzA-Messtool durchführen müssen, insbesondere wie viele Messungen durchzuführen sind und ob es Messungenauigkeitsabschläge geben wird. Dies ist im Rahmen der Betrachtung des vzbv gänzlich unbeachtet geblieben. Stattdessen wird der Eindruck erweckt, dass eine Entscheidung der Bundesnetzagentur (Konkretisierung nach § 57 Abs. 5 TKG n.F.) bereits erlassen sei. Lediglich in einer Fußnote wird darauf verwiesen, dass es sich derzeit nur um einen Entwurf handelt. Tatsächlich kann eine solche Allgemeinverfügung jedoch erst mit dem Inkrafttreten der gesetzlichen Neufassung des Telekommuni-kationsgesetzes (TKG) und damit frühestens am 1. Dezember 2021 erlassen werden.“ Zitat Ende Hinweis: Die Neufassung des TKG ist bereits in Kraft getreten: Internet zu langsam? Prüfung erst ab dem 13.12. möglich! Wie die Messungen ablaufen sollen, ist zudem ebenfalls bereits bekannt. Die obige Stellungnahme ist unterzeichnet von: ANGA Der Breitbandverband e. V., Bitkom Bundesverband, BREKO Bundesverband Breitbandkommunikation, BUGLAS Bundesverband Glasfaseranschluss, eco Verband der Internetwirtschaft, VATM Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten und VKU Verband kommunaler Unternehmen.