Kyle Crane hat alles gegeben. Er schlitterte und schlachtete sich durch Harran. Spaltete Köpfe, legte völlig absurde Sprünge hin, schlug ein paar mehr Schädel ein, gerne auch aus der Luft kommend. Ein paar tausend Zombies gehen sicherlich auf sein Konto, The Walking Dead für Sportler, für Athleten, für Menschen mit Sprungfedern in den Beinen. Doch all der Kampf, all die Opfer, die zurückgebliebenen Kameraden, denen die Haut abstarb und die sich zu dem verwandelten, was sie bekämpften, konnten kein Heilmittel bringen. In Dying Light 2 hat sich der Virusausbruch über die Grenzen von Harran hinaus auf die gesamte Weltbevölkerung ausgebreitet. Für die Überreste der Menschheit, die inmitten des Schmutzes und des Verfalls der Stadt kauern, ist die globale Hilfsaktion nur noch eine ferne Erinnerung – ein Flüstern, das man manchmal im Wind zwischen dem Gebrüll blutrünstiger Monster hören kann.

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Man hat sich mit dem Virus arrangiert, seine Wohnbereiche in der Metropole Villedor zu Festungen ausgebaut – mit Zugbrücken und Wehrtürmen, wie im Mittelalter. Weil Munition teuer und kostbar ist, nutzt man mit Nägeln beschlagene Baseball-Schläger, um Zombies die Köpfe zu spalten. Es ist eine andere Atmosphäre, keine der Hoffnung mehr, sondern des Überlebenskampfes. Mad Max, nur ohne Wüste. Die Überlebenden haben sich in Fraktionen aufgeteilt, in Gruppierungen – manche vollgedrönte Hippies, andere straff und streng reguliert, mit militärisch organisierten Kommandos, die hinrichten, wer die Gesetze nicht befolgt. In Dying Light 2 steht jeder einzelne Mensch kurz davor, tot aufzuwachen – auch wir. Als Aidan Caldwell, der neue Held von Dying Light 2. Hochgewachsen, muskulös, sportlich. Ein Parcour-Runner, ein Athlet, ein Überlebender. Er hatte den Virus, doch sein Papa opferte sich, damit er leben kann. „Vergiss nie, wer du bist und wo du herkommst“, hatte er ihm gesagt.

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So wurde er zu einem Teil der Pilger, eine Art Batman dieser Stadt, ein Verteidiger der Schwachen. Wobei, so genau kann man das nicht definieren, denn letztlich entscheiden wir: Wir können mit Waffenhändlern zusammenarbeiten, Gangstern und Piraten, die sich nehmen, was sie begehren. Oder dem Staat, respektive dem, was davon übriggeblieben ist – ein brutales Regime, das versucht, die Stadt vor dem totalen Chaos zu bewahren. Oder uns für die Aussätzigen einsetzen, die jenseits der Mauern, der Befestigungen, durch die Stadt ziehen und sich verstecken. Caldwell selbst ist auf der Suche nach seiner Schwester Mia und für Informationen und um zu überleben, müssen wir wohl den ein oder anderen Schweine-Deal eingehen. So wie in einem Metro: Last Light etwa. Wo man vieles tut, um zu überleben. Und manchmal mit den Falschen kooperieren muss, um das Richtige zu tun. Wobei auch hier jede Medaille zwei Seiten hat und die Moral des einen, nicht zwingend dem Wohle des anderen entsprechen muss. Wie passend in einem Spiel, in dem wir Infizierte töten, die auch einfach nur Menschen waren, die es nicht geschafft haben…

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„Unsere Monster waren früher kranke und leidende Menschen, die es einfach nicht geschafft haben, rechtzeitig UV-Licht oder ein anderes Heilmittel zu finden“, erklärt Lead Game Designer Tymon Smektala. „Das Virus verursacht ihnen große Schmerzen und lässt sie leiden. Sie werden nicht von Hass getrieben, sondern von Instinkt – ihrer neuen Natur. Das Virus wird durch Körperflüssigkeiten übertragen sowie durch den Biss eines infizierten Organismus.“ Will heißen: Jeder, dem man in Dying Light 2 begegnet, befindet sich bereits in einem Stadium des Infektionszyklus. Diese Infektion ist behandelbar, aber es gibt keine Heilung. „In Dying Light 2 kann es dich retten, wenn du in der Sonne stehst – aber wenn du dich zu lange im Schatten aufhältst, wird dich das töten. Respektive zu etwas anderem machen…“
Licht als Schlüssel-Gameplay-Element: Die Dunkelheit, sie nährt das Virus

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“Obwohl sich die Infektion weiterentwickelt, wenn sie einmal ausgebrochen ist, treten die gefährlichsten Stadien der Infektion auf, wenn ein Punkt überschritten wird, an dem es kein Zurück mehr gibt. Die Infektion kann durch UV-Licht kontrolliert werden – wenn man sich in der Sonne aufhält, ist man sicher… zumindest bis zum Einbruch der Dunkelheit.“ Deshalb tragen wir als Aiden Caldwell, wie jeder andere in der Stadt, einen Biomarker. Mit Biomarkern können die Menschen ihre Infektionsrate überwachen und feststellen, wie nahe sie dem Punkt sind, an dem es kein Zurück mehr gibt. Dieser Marke wird an der Vene befestigt und überwacht, wie weit ein Mensch bereits infiziert wurde – steht er kurz vor Zombifizierung, wird er meist von der Gesellschaft verbannt oder gar hingerichtet. Das ist nicht nur ein pures Story-Vehikel, es ist Dreh- und Angelpunkt des Gameplays. Sonnenlicht und UV-Strahlen halten die Infektion zurück, aber wenn wir uns zu lange in der Dunkelheit aufhalten, schreitet die Infektion voran und die Mutation setzt ein.

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Schleichen wir durch Häuser, in die kein Sonnenlicht einfällt, werden wir kranker, schwacher und dürfen uns daher nicht zu lange dort aufhalten. Eine spannende Mechanik, sie zwingt uns zum Rückzug, zum Taktieren. Werden wir von Zombies überrannt, müssen wir raus aus dunklen Räumen. „UV-Licht schützt vor der Ausbreitung des Virus. Allerdings heilt UV-Licht die Infizierten nicht vollständig, so dass diejenigen, die sich mit dem Virus infiziert haben, ständig auf die UV-Bestrahlung angewiesen sind.”, so Senior Brand Manager Anna Kubica. Das ist der Grund, warum die Bewohner dieser Stadt, einem bunten Potpourri aus der Grandesse von Paris im Mix mit den hässlichen Hinterhöfen Berlins und den goldenen Dächern von Warschau und Moskau, vor allem in die Höhe bauen. Sie brauchen das Sonnenlicht, um das Virus einzudämmen. Licht, so lernen wir, ist das vielleicht wichtigste Gameplay-Element von Dying Light 2.

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Die sogenannten “Virals“ sind in der Dunkelheit sehr viel stärker, agiler und schneller als in der Sonne, wo ihr Wirt angegriffen wird und sie schwächt. Da das Virus durch UV-Licht geschwächt wird, verwandeln sich diese “Virals“ in “Biter“, also Beißer. Beißer bewegen sich langsam, und Sonnenlicht ist für sie extrem gefährlich. Wir sehen Szenen in der in der Sonne geschädigte Biter unter Qualen über die Straße kriechen, bis sie sterben. Das ist allerdings erst Stufe Drei der Infektion. “Volatiles sind infizierte Organismen, die sich ausschließlich in der Dunkelheit entwickeln. Sie werden tagsüber nie auf der Straße gesehen und halten sich stattdessen an dunklen Orten versteckt”, sagt Kubica. “UV-Licht wirkt auf Volatiles ähnlich wie auf andere Infizierte; UV-Taschenlampen sind ein wirksames Mittel, um sich vor ihnen zu schützen, aber es ist wesentlich schwieriger, ein Volatile mit UV-Licht zu schädigen, da sie sehr agil sind, eher wie eine Raubkatze, weniger wie ein Mensch.“ Wir verändern die Stadt, machen sie stärker, vielleicht auch etwas…melodischer

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In einer faszinierenden Coverstory der Kollegen der EDGE verrät der Gameplay Director, dass ihn Saboteur tief beeindruckt hat. Ein Open-World-Abenteuer, in dem wir als Spion im Paris des Zweiten Weltkriegs eine Schwarz-Weiß-Welt in Farbe tauchen, sobald wir deren Viertel befreien. Das hat Techland dazu inspiriert, selbst stärker in diese Richtung zu arbeiten. Wir können Befestigungen setzen, etwa tödliche Fallen – Beile, die nach unten schwingen und Zombies plätten. Und weil Dying Light 2 in der Moderne spielt, können wir diese auch mechanisch auslösen. Ergo die Biter anlocken, die Low-Level-Zombies, aufs Knöpfchen drücken und Rumms, rasiert es ihnen die Köpfe ab. Oder wir können Seilrutschen anbringen, die uns Momentum geben, bei der Fahrt nach unten – immer gut, um dann im vollen Rutsch ein paar Zombies umzunieten.
Bei Tag sind viele Häuser, in denen sich Informationen verstecken und Ressourcen, reine Todesfallen. Wie in jener Demo, als ein Balken bricht, auf dem wir geschlichen sind und wir in Mitten von locker 30 Zombies landen. Die greifen und geifern nach uns, wie wir jetzt wissen sind die Volitiles deutlich stärker in der Dunkelheit eines Kellers. Nur wo werden in der Regel Munition und Ressourcen im Krieg gehortet? Richtig, im Keller, in Tunneln, In Bunkern. Techland nutzt diese Mechanik, um uns sanft in die Nacht zu zwingen. Einige der besten Missionen im ersten Dying Light fand bei Nacht statt – unvergessen etwa jener Moment, in dem wir über einen Balken über einer Brücke balancieren mussten, die nur so überfüllt war mit Infizierten. Dying Light war ein gigantischer Erfolg, 20 Millionen verkaufte Exemplare. Nicht mal Call of Duty und FIFA verkaufen deutlich mehr.

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Wir können Quests für eine Opernsängerin erledigen, die uns fortan mit ihrem Gesang erfreut – und den Bewohnern Hoffnung gibt. Wobei es natürlich auch jene gibt, die sich dann beschweren, weil sie lieber schlafen wollen. Kunstbanausen gibt es auch nach der Apokalypse. Es gibt aber auch viel schwerwiegendere Entscheidungen, etwa ob wir das Wasser in einem Bereich ablassen sollen – von einem Areal, in dem viel Loot und Reichtümer warten, aber auch ein besonders starker neuer Feind. Bis hin zu Entscheidungen, ob wir Wasserrechte privatisieren sollen, um selbst reich zu werden. Oder jedem zugänglich zu machen. Nestle oder Viva von Agua – pure Gier oder ein Interesse am Allgemeinwohl, wir haben es in der Hand. „Das sind die Momente, die mir schlaflose Nächte bereiten. Wir haben Entscheidungen, die ganze Gameplay-Areale öffnen oder versperren. Entscheidungen, die in Richtung von Megaton in Fallout 3 gehen. Oder The Witcher 2. Entscheidungen, die auch Ihnen den Schlaf rauben werden.“ Fazit: Ein großes Spiel, ein unglaublich ambitioniertes Projekt mit dem richtigen Team

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Es wirkt fast so, als wollte Techland in die Fußstapfen der Großen treten: Wir liebten Bethesda und CD Projekt RED für diese Entscheidungsmomente, die ihre Spiele veränderten. Unvergessen, als wir uns entscheiden mussten in Fallout eine Stadt mit einer Atombombe zu vernichten. Oder auch nicht. Oder all die schwerwiegenden Entscheidungen in The Witcher. Fallout ist heute ein Online-MMO, ein Schatten seiner selbst. Und ob und wann CD Projekt RED uns mit einem The Witcher 4 beglückt, weiß man nicht, noch gibt es einiges zu tun mit Cyberpunk 2077, gerade erst wurde das Next-Gen-Upgrade verschoben, auf neue Inhalte warten Spieler mittlerweile über ein Jahr. Aber wir genießen das, es ist toll, dass Techland hier so viel Risiko geht, so viele Mechaniken einbaut, die alle ineinander greifen – der Parcours früher Assassin’s Creeds in einer Metropole, die stark an Paris erinnert. In einem Szenario, was frisch ist – das Mittelalter in der Neuzeit, das hatten wir lange nicht mehr. Interessant, wie ikonische Bauwerke hier umfunktioniert werden in mächtige Festungen. Wird spannend sein, wie viel von der Ambition im finalen Spiel übrig bleibt, denn auch das haben die letzten Jahre gezeigt – nicht alles, was Entwickler versprechen, können sie auch halten. Und Techland würde gut daran tun, seinen Fans mehr Gameplay zu präsentieren, gerne ganze Missionen – wie damals auf der E3 2019. Verzaubert uns wieder. Weitere lesenswerte Geschichten: Dying Light 2: Assassin’s Creed in der Zombie-Apokalypse Back 4 Blood ist Left 4 Dead 3: Wir haben es gespielt Weltpremiere: The Callisto Protocol. Dead Space 4 kommt