Free Guy ist GTA 6: The Movie. Nie war etwas so sehr GTA, wie dieser Comedy-Action-Hit mit einem blendend aufgelegten Ryan Reynolds. Die Stadt, die Welt, die Autos, die wilde Action. Regisseur Shawn Levy hat enorm viel GTA gespielt und sich in diese Welt verliebt: Apache-Helikopter verfolgen Supersportler, der Beifahrer zückt einen Raketenwerfer und holt den Kampfhubschrauber vom Himmel, der anschließend spektakulär in einer Feuerwolke endet und noch zwei, drei Polizei-Fahrzeuge mitreißt. Ein Typ mit Flammenwerfer zieht durch die Straßen, wie wir in jedem GTA. Und genau wie in GTA: Vice City bilden sich Blubberblasen um Items, wie Waffen oder Med-Kits. Und genau wie jeder von uns, entdeckt der Protagonist irgendwann den God-Mode. „Ich kann nicht sterben“, schreit er, bevor ihn ein Polizeifahrzeug 100 Meter weit fliegen lässt. Wie in GTA.

©20th Century Studios
Ryan Reynolds, seine Autoren Zak Penn (Ready Player One) und Matt Lieberman (Dr. Dolittle) sowie Regisseur Shawn Levy (Nachts im Museum, Stranger Things) haben sich in GTA 5 verliebt, müssen den Mega-Hype um GTA 5 RP mitbekommen haben, eine Rollenspiel-Mod für GTA, und dachten sich: All right, daraus machen wir einen verdammt witzigen Comedy-Sommer-Blockbuster. Reynolds kann ja alles spielen im Comedy-Segment, weil es kaum jemanden gibt, der so gut darin ist, sich selbst auf den Arm zu nehmen. Deadpool lebte von seinem Charisma und das ist auch hier so, wobei auch Jodie Comer als Molotov Girl richtig Spaß macht. Sie ist sexy, sie ist eloquent, sie kann Ärsche treten. Es ist keine anspruchsvolle Rolle, weil Free Guy kein besonders anspruchsvoller Film ist, aber die Kick-Ass-Agentin mit oranger Ballistik-Brille im Stil von Angelina Jolie aus Mr. and Mrs. Smith ist ihr wie auf den Leib geschrieben. Und ganz ehrlich: So einen Film brauchen wir gerade. Zu viele Blockbuster sind zu düster, zu traurig, zu rührselig – Free Guy will einfach Spaß machen, von Minute Eins bis zum Ende, transportiert aber trotzdem seine Message und ist gut geschrieben.
Generell ist der Cast hochwertig besetzt – der Polizist, der Guy ständig malträtiert und den Tag schwer macht, wird etwa von Stranger-Things-Star Joe Keery verkörpert. Zwischendrin hüpfen auch immer wieder Youtube-Stars wie Ninja oder Pokimane rum, die nicht viel mehr tun, als das Game zu spielen und als Streamer zu fungieren – viel mehr hat man ihnen wohl nicht zugetraut. Aber hey, egal! Deadpool spielt einen NPC in einer Videospiel-Welt, die frappierend wie GTA wirkt und das ist einfach nur urkomisch. Er läuft durch die Straßen, als wäre er ein Welpe, mit weit aufgerissenen Augen, immer gut gelaunt, permanent lächelnd. Und das, obwohl sein Leben eben das eines GTA-NPCs ist: Geht er über die Straße, wird er überfahren. Will er einen Donut holen, fliegt der Laden in die Luft. Er arbeitet in einer Bank, die uns spontan an die von Youtube-Star iCrimax in GTA 5 RP erinnert hat.

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Und genau als wäre dieser Film die Hollywoodversion von GTA-Youtube, wird diese Bank ständig überfallen: Ryan Reynolds, der hier einfach nur “Guy“ heißt, was generisch für “ein Typ“ steht, schmeißt sich auf den Boden, die Kugeln schlagen über ihm ein, aber er grinst nur und unterhält sich mit seinem Buddy, der lustigerweise eben auch einfach nur “Buddy“ heißt, was er denn so am Wochenende gemacht hat. Warum? Nun, seine Bank wird fünf Mal am Tag überfallen, für ihn ist das Routine. Free Guy liefert Situationskomik, wie wir sie schon verdammt lange nicht mehr im Kino erlebt haben. Heute ist in Hollywood alles so geskriptet, so gekünstelt. Weil man seinen Zuschauern nicht mehr viel zutraut, wird jede Punchline drei Mal erklärt. Wer aber Gaming liebt, der findet in Free Guy hunderte Anspielungen: Der Scorpion-Tank aus Halo rollt über die Straße, während der Master Chief einen Cappuccino trinkt. Es gibt Teabagging, Glitches. Die Macher müssen ganz schön recherchiert haben, denn sogar die Diskrepanz der brillanten Matrix-Filme (vor allem dem Ersten) und dem Videospiel dazu wird durch den Kakao gezogen. Und natürlich viele Marvel-Streifen, 20th Century Fox gehört ja jetzt Disney. Sogar Hugh Jackman und Chris Evans sind dabei. Und hunderte GTA-Online-Referenzen.
Wer GTA mag, der wird Free Guy lieben

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Free Guy amüsiert sich herrlich über die unstillbare Gier der Gamesbranche, speziell Rockstar Games liebt es, uns immer irrere und immer teurere Items zu verkaufen – fliegende De Loreans, gepanzerte Autos mit mehr Waffen an Board als ein Flugzeugzeuträger. Epische Yachten und neuerdings ja sogar U-Boote. Und natürlich Epic Games, die Herrscher der absurden Outfits. Um das gebührend durch den Kakao zu ziehen, trägt etwa einer der Polizisten ein Hasen-Kostüm mit Sheriff-Stern. Die Rolle des Gaming-Moguls spielt Taika Waititi, der von seinem Glaspalast aus seine Angestellten zu sich zitieren lässt und ständig verlangt, dass noch teurere Items produziert werden und dabei cholerisch herumschreit, als er hätte er zu viel Cruella geguckt. Um wie viel wollen wir wetten, dass der Singleplayer-Modus von GTA 6 nur so überfüllt sein wird mit kaufbaren Items? Genau dieses Free2Play-Prinzip, seinen Spieler an jeder Ecke ein paar Euro aus der Tasche leiern zu wollen, nimmt Free Guy herrlich auf den Arm. Ryan Reynolds erkennt als Guy nämlich irgendwann, dass er nur Teil eines Videospiels ist. Und als NPC ist er ziemlich arm dran, weil er natürlich keine Credits hat. Sogar David Hain mag den Film:
Aber alles in der Stadt kostet ja Geld. So gerät er dann an windige Gangs, die ihm Waffen verkaufen wollen, obwohl er eigentlich nur ein Motorrad haben wollte. Das wollte ihm nämlich im normalen Geschäft keiner verkaufen, weil seine Rolle als NPC straff vorprogrammiert ist. Er soll immer nur über diese eine Straße laufen, immer am selben Donut-Shop seinen Donut und Kaffee holen. Und immer in der identischen Bank überfallen werden. Der Slapstick funktioniert, weil es Reynolds gelingt, in den absurdesten Situationen keine Miene zu verziehen und immer zu grinsen wie ein Lila-Laune-Bär. Streckt ihm ein Gangster ein Sturmgewehr an den Kopf, sagt er nur so etwas wie „Ah, das neue Modell. Damit wurde letztens erst in unserer Bank rumgeballert. Hoffe, Sie haben viel Freude damit.“ Natürlich kann sich der Film auch alte Gags nicht verkneifen, gibt ihnen aber einen neuen Spin. Weil Guy eine Beule in der Hose hat, als die heiße Molotov Girl auf ihm sitzt, fragt sie ihn nur ganz cool: „Hast du da eine Desert Eagle drin?“ „Nein, zwei Desert Eagle.“

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In Free Guy steckt aber auch unglaublich viel Liebe zum Videospiel drin: Mirror’s Edge, Portal, Half-Life, Tomb Raider, Call of Duty und, und. Aber nicht In-Your-Face, wie das Hollywood normalerweise macht, etwa in Ready Player One. Sondern sehr subtil – da fährt dann eben mal ein Scorpion-Panzer durchs Bild. Und über ein Polizeiauto. Kürzer halten hätte man gerne die Real-Life-Story, die Beziehung zwischen zwei Spiele-Programmierern in der echten Welt, weil dann der Film regelmäßig an Geschwindigkeit und Charme verliert. Der Sub-Plot, der hier passiert, ist wichtig für die Gesamtgeschichte, aber man hätte ihn kürzer halten können. Aber immer wenn wir in Free City sind, in dieser virtuellen Gaming-Welt, dann ist das ein Genuss. Nicht nur, weil die Autoren es schaffen, uns permanent zu überraschen und einfach mal die Portal-Gun smart einzubauen. Oder ikonische Szenen aus Max Payne. Davor haben wir viel Respekt, denn das hier ist ein Film, der seine 500, 600 Millionen am Box-Office holen soll. Sich aber traut, einen Film abzuliefern, der Videospiele in seiner ganzen Nerd-Kultur zelebriert.

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Fazit: Free Guy funktioniert als Gaming-Film, weil er Spaß macht wie eine Runde GTA
Free Guy macht einfach Laune. Es ist ein Popcorn-Film, aber der intelligenten Art. Mit einem blendend aufgelegten Ryan Reynolds, der seine naive, skurrile Figur so herrlich spielt, wie es nur er kann. Mit einer starken Jodie Comer, generell gut gewähltem Cast und vor allem einer schönen Art, Videospiele als Kultur zu zelebrieren. Dafür muss man den Hut ziehen, denn es ist mutig – Free Guy hat hunderte Anspielungen, die nur Gamer verstehen werden und genau das ist großartig, weil eben nicht jede Exposition drei Mal erklärt wird. Weil es Gags gibt, die für einige zünden, für andere nicht und die lachen dann über eine andere Situation. Die meisten Videospiel-Verfilmungen scheitern, weil sie oft bierernst versuchen, einen völlig absurden Plot rüberzubringen, der komplett überdreht inszeniert ist. Free Guy macht gerade deshalb Spaß, weil Videospiele nun mal meistens ziemlich absurd sind: Machen wir uns nichts vor, jeder von uns hat schon mal einen NPC in GTA überfahren, auch wenn es nicht nett ist.
Wie großartig ist bitte die Idee, genau so eine arme Wurst als Hauptcharakter zu etablieren in einer Welt, in der er gar nicht versteht, dass er in einer Simulation lebt. Für kurze Zeit mussten wir an Elon Musk denken, der ja die Wahrscheinlichkeit für relativ hochhält, dass wir wirklich nur in einer Simulation einer Hightech-KI leben. Brachen dann aber schon wieder in Lachen aus, was gut tat nach so vielen Monaten ohne Kino. Und, dieser Film ist endlich mal nicht zerschnitten: Mit Grausen schauten wir gerade erst Snake Eyes: G.I. Joe Origins, wo jede Minute von 30 Cuts unterbrochen wird und es enorm schwer ist der Action zu folgen – wenn es hier kracht, dann richtig und das wird auch ausgekostet mit hochwertigstem CGI. Die Gags zünden, Ryan Reynolds spielt diesen treudoofen GTA-NPC mit Bravur und jede Szene referenziert irgendetwas aus der Popkultur. Oder wirft einfach mal Hugh Jackmann rein. Der Film hat Herz, Charme und viele, viele Ideen, die Gamer lieben werden. Wer während der Pandemie viele, viele schlechte Eigenproduktionen von Netflix und Amazon Prime geguckt hat, sollte mal wieder ins Kino gehen. Neben Suicide Squad ist Free Guy bislang der spaßigste Film des Jahres.
Pro:
- GTA – The Movie. Wer GTA mag, wird Free Guy lieben
- Ryan Reynolds muss man als GTA-NPC erleben
- Viel Herz, viel Charme
- Spaßiger Cast
- Unglaublich viele Gaming-Referenzen, die oft subtil integriert werden
- Sehr hochwertiges CGI, wodurch der Film wie ein Spiel wirkt
- Bislang der beste Film 2021 neben Suicide Squad
Contra:
- Mitunter Probleme im Pacing, die Real-Life-Szenen wirken deplatziert
- Taika Waititis Figur als cholerischer Gaming-CEO funktioniert nur bedingt
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