„ Necessity is the mother of invention“ ist ein Satz, den Hollywood-Star, Gin-Fabrikant und Marketing-Mogul Ryan Reynolds besonders gerne benutzt, als wir ihn auf der Tech-Konferenz Collision treffen. Doch was heißt „Notwendigkeit ist die Mutter aller Innovation“ eigentlich, Ryan? „ Ich musste zehn Jahre lang an die goldenen Türen der Hollywood-Bosse klopfen, bis ich Deadpool machen durfte. Und dann bekamen wir ungefähr so viel Geld wie das Kokain-Budget in den 90ern. Wir mussten uns also sehr viel einfallen lassen, um effizient zu arbeiten. Sowohl in der Produktion, als auch in der Vermarktung.“

Was viele nicht wissen: CGI ist enorm teuer geworden und eine einzelne große Action-Szene kann schnell in die Millionen gehen. Einer der Gründe, warum man in Hollywood mittlerweile wieder mehr real in die Luft jagt – ein reales Auto mit realem Sprengstoff in die Luft zu jagen, ist viel günstiger und braucht eine kleinere Crew, als das von einem 100-köpfigen Studio animieren zu lassen. Für Deadpool wurde zum Beispiel ein Chevrolette-SUV an ein Drehgestell geschraubt, so konnte man das Auto in der Luft drehen – so ist dieser ikonische Shot entstanden, in dem sich der SUV überschlägt und Ryan Reynolds alias Deadpool in die Kamera spricht. Für jede Szene mietete man Sets, statt sie selbst zu bauen – so entstanden beispielsweise einige auf einem echten Schrottplatz.
Auch ist es Hollywood eigentlich gewohnt, 50 bis 100 Millionen ins Marketing eines Films zu stecken oder gerne auch mal deutlich mehr. Ryan ging einen anderen Weg – „Wir haben dumme Sachen gemacht, bei denen wir dachten – die Leute werden darüber lachen, im besten Fall den Humor feiern und deshalb in Deadpool gehen. Wir haben zum Beispiel ein Poop-Emoji (quasi ein “Kackaufen, der lächelt“, Anm d. Redaktion) auf ein Billboard gedruckt, welche jeder gesehen hat, der nach Los Angeles reingefahren ist. Oder eine riesige Werbetafel in New York, auf der stand „Wir haben diese dumme Werbetafel für viel zu viel Geld gekauft, damit ihr unseren Film schaut. Bitte schaut unseren Film. Quasi alles, was man in Hollywood eigentlich nicht tut und ich schätze genau deshalb hat es funktioniert.“ Ryan Reynolds hat ein besonders gutes Gespür für Popkultur, was er mit seiner eigenen Marketing-Agentur Maximum Effort jetzt für Ryans eigene Firmen wie Aviation Gin umsetzt oder für Beteiligungen wie MintMobile. „Popkultur ändert sich heute alle zwölf Stunden, deshalb arbeiten wir anders als die meisten Agenturen – wir müssen schnell sein, weil der Effekt eines Meme oder eines Aufregers schnell wieder verblassen kann. Wir nennen das FastVertising.“

©20th Century Fox
So nutzte er etwa die absurde Debatte darum, dass der letzte Präsident der Vereinigten Staaten Donald J. Trump kleine Hände habe auf gewitzte Art für eine Deadpool-Kampagne. Man könnte denken, wie schwierig kann es sein, für einen Mega-Star seinen Film zu promoten? Darf aber nicht vergessen, dass es Deadpool war, der Ryan im Grunde erst zu diesem Mega-Star gemacht hat. Er hat enorm viele Filme gedreht, einige davon mit andren großen Stars wie The Dude höchstpersönlich – Jeff Bridges. Einige waren sehr erfolgreich wie The Hitman’s Bodyguard, andere floppten wie Selfless mit Ben Kingsley, manche wurden gar ziemlich verrissen, wie Green Lantern. Aber natürlich hatte er schon den Vorteil, dass er Leute kennt, die auch gerne mal für ein sehr viel kleineres Honorar einen Werbetrailer drehen, als sie das sonst tun würden. Etwa David Beckham, die beiden kann man hier sehen im Valentinstag-Spot, der einfach großartig ist:
Ryan Reynolds spielt einen GTA-NPC in Free Guy. Das ist so absurd, wie es klingt Eine Rakete zischt auf den Black Hawk zu, er wird getroffen, gerät ins Schlingern, seine Rotorblätter crashen in einen Büroturm, reißen die Fenster mit und er endet in einer riesigen Explosion in den Straßen von Los Angeles. Könnte eine Szene aus GTA 6 sein und Ryan Reynolds spielt einen NPC, der gerade zur Arbeit schlendert und ein Eis isst, während die Explosionswelle den halben Straßenzug zerreißt. Er arbeitet in der Free City Bank und weil diese jeden Tag überfallen wird, sind er und sein Sicherheitschef bereits ein eingespieltes Ziel – dieser schmeißt seinen Revolvergürtel weg, beide werfen sich auf den Boden und unterhalten sich: Hey Buddy, hast du dich nie gefragt, ob es mehr da draußen gibt, was auf uns wartet.

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Wir werden ständig erschossen, überfahren.“ Lustigerweise heißt sein Charakter auch noch “Guy“, was englisch für „Typ“ steht. Also irgendein Typ, der nicht mal einen richtigen Namen hat, weil sein Sicherheitschef heißt auch einfach nur “Buddy“. Ryan ist nicht nur der Protagonist, sondern auch Executive Producer des Films, das Drehbuch stammt von Matt Liebermann (The Christmas Chronicles, The Addams Family, Dr. Dolittle) und Zak Penn, der mit The Avengers und Ready Player One zuletzt große Blockbuster geschrieben hat. „ Es ist eine abgedrehte, coole Story über einen Typ, der ein Videospiel-NPC ist. Das aber nicht weiß. Er wird jeden Tag überfahren, erschossen, von Zügen überrollt. Und wacht dann am nächsten Tag wieder in seinem Bett auf und alles geht von vorne los. Weil seine Bank auch jeden Tag vom gleichen Typen überfallen wird, schließlich ist es ein Script-Event, beschließt er etwas zu unternehmen. Und sein Lieblings-Donut-Laden wird jeden Tag in die Luft gesprengt. Stell dir vor, du willst morgens einen Donut kaufen und musst jedes Mal durchs Feuer laufen, schön ist das nicht“
Guy verliebt sich zum ersten Mal. Erschießt zum ersten Mal einen anderen NPC. Fährt zum ersten Mal Auto und findet heraus – die Entwickler des Spiels, wollen seine Welt löschen und durch eine andere ersetzen – der Fortnite-Effekt quasi. „Ich las das erste Skript und sagte nein“, erzählt Ryan Reynolds in seiner typischen Art. „Und dann las ich es nochmal, dachte daran, wie gerade Videogames in die Popkultur explodieren, mit Travis Scott in Fortnite und jeder redet nur noch über Gaming. Und dann dachte ich mir: Hmm, es gibt eigentlich noch keinen Film, der quasi die filmische Antwort darauf ist. Also sagte ich ja. Und genau das tun wir auch – wir wechseln quasi ständig zwischen der realen Welt und dieser Videospielwelt Free City hin und her, das ist der eigentliche Gag. Wobei, sollte ich den Gag jetzt schon verraten? Na ja, wir sind ja unter uns.“

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Im Grunde spielen viele Schauspieler und Schauspielerinnen wie Youtube-Star Pokimane oder Jodie Comer (Killing Eve) mimen also eine Person in der realen Welt. Und eine super coole, abgefahrene Version davon in der Gaming-Welt. Comer spielt eine Studentin in der echten Welt und eine heiße, schießwütige Super-Agentin namens Molotov Girl, in diesem filmischen GTA 6. Es gibt sogar einen Akzent-Filter im Spiel, sie spricht also wie man das aus einem Hollywood-Blockbuster / Action-Game kennt. Die ganze Idee ist, dass normale Menschen in Videospielen zu Superhelden werden und Bad-Ass-Stuff machen – rückwärts Motorrad fahren im Highspeed mit nur einer Hand und mit der anderen eine Desert Eagle abfeuern zum Beispiel. Und natürlich kann man in Free City auch über Health-Packs laufen, um etwa Schusswunden zu heilen oder eine gebrochene Nase. „Was man eben so an einem Dienstagmorgen macht, kurz nach dem ersten Kaffee. Und den hol ich mir jetzt mal. Willst auch einen?“ Free Guy startet am 12. August 2021 in deutschen Kinos.