Am 15. April 2021 um 18 Uhr hat Mercedes-Benz den EQS vorgestellt. Der EQS ist sozusagen der elektrische Bruder der konventionell angetriebenen S-Klasse . Im Vorfeld hagelte es reichlich Spott für Mercedes-Benz, weil im hochpreisigen EQS ein uraltes Android-Tablet mitgeliefert wird: Darum nutzt Mercedes ein uraltes Tablet in der elektrischen Luxus-Limousine.
Wir haben die wichtigsten Fakten zur neuen „elektrischen S-Klasse“ zusammengestellt.
Diese Varianten gibt es zum Start
Der EQS steht als erstes Daimler-Modell auf der modularen Architektur für Elektrofahrzeuge der Luxus- und Oberklasse. Als erste Modelle kommen der
- EQS 450+ mit 245 kW (Stromverbrauch NEFZ kombiniert: 19,1-16,0 kWh/100 km; Verbrauchswerte nach WLTP: EQS 450+ Stromverbrauch kombiniert 20,4-15,7 kWh/100 km)
- und der EQS 580 4MATIC mit 385 kW (Stromverbrauch NEFZ kombiniert: 20,0-16,9 kWh/100 km; nach WLTP: EQS 580 4MATIC Stromverbrauch kombiniert 21,8-17,4 kWh/100 km)
auf den Markt. Eine Performance-Version mit bis zu 560 kW ist in Planung. Alle EQS besitzen einen elektrischen Antriebsstrang (eATS) an der Hinterachse, die Versionen mit 4MATIC zusätzlich auch einen eATS an der Vorderachse.
Daimler gibt einen cw-Bestwert von 0,20 an. Dieser Wert gilt aber nur für die 19-Zoll-AMG-Rad-/Reifenkombination (verfügbar in der EU ab Ende 2021) im Fahrprogramm “SPORT”.
Rekuperation
Der Fahrer kann drei Rekuperationsstufen und die Segelfunktion über Schaltwippen am Lenkrad manuell einstellen.Von der maximalen Verzögerung im Rekuperationsprogramm DAuto von 5 m/s² werden bis zu 3 m/s² durch Rekuperation erreicht (2 m/s² durch die Radbremsen). Damit ist eine Verzögerung bis zum Stillstand ohne Betätigung des Bremspedals möglich. Das Auto auch ohne Bremspedal zum Stehen zu bringen, schaffen allerdings auch andere, längst verfügbare und deutlich preiswerte E-Autos.
Reichweite und Akkus
Die maximale Reichweite gibt Mercedes-Benz mit bis zu 770 Kilometer (nach WLTP) an. Wie viel Reichweite der EQS in der Realität schafft, müssen erst Tests zeigen.
Die größere der beiden Batterien hat einen nutzbaren Energieinhalt von 107,8 kWh. Die Batterie-Management-Software soll Updates over the Air (OTA) ermöglichen, um immer ein Energiemanagement auf dem aktuellen Stand bieten zu können. Bei der Zellchemie will Mercedes-Benz den Kobalt-Anteil der Kathoden auf zehn Prozent reduziert haben.
Die Batterien lassen sich mit bis zu 200 kW an Schnellladestationen mit Gleichstrom laden. Nach 15 Minuten soll Strom für bis zu weitere 300 Kilometer (WLTP) nachgeladen sein (Ladegeschwindigkeit an DC-Schnellladesäulen mit 500 Ampere). Das setzt natürlich voraus, dass Sie eine entsprechend leistungsstarke Ladesäule finden, die zudem frei ist. Zu Hause oder an öffentlichen Ladestationen kann der EQS mithilfe des Onboard-Laders mit bis zu 22 kW mit Wechselstrom aufgeladen werden.
Die Akkus sind – so wie es Tesla vorgemacht hat – in einem crashgeschützten Bereich im Unterboden verbaut.
Das Infotainmentsystem MBUX (Mercedes-Benz User Experience) zeigt in einer Visualisierung an, ob die vorhandene Batteriekapazität ausreicht, um ohne Laden zum Startpunkt zurückzukehren. Manuell hinzugefügte Ladestationen entlang der Route werden bei der Routenberechnung präferiert. Vorgeschlagene Ladestationen können ausgeschlossen werden. Die voraussichtlichen Ladekosten pro Ladestopp werden berechnet.
Neue Funktionen via Software-Update
Als erster Mercedes-Benz bietet der EQS die Möglichkeit, komplett neue Fahrzeugfunktionen per Over-the-Air-Updates (OTA) in vielen Funktionsbereichen zu aktivieren. Das Angebot zum Start: zwei spezielle Fahrprogramme für junge Fahrer und Servicepersonal, kleine Spiele etc. So lässt sich nach dem Kauf und der ursprünglichen Neuwagen-Konfiguration manche Ausstattung des EQS entsprechend den persönlichen Wünschen anpassen. Auch ein Freischalten der Hinterachslenkung mit dem größeren Lenkwinkel von 10° wird möglich sein. Neben einem klassischen Kauf einzelner Funktionen sind auch Abonnements, temporäre Aktivierungen und kostenlose Testphasen geplant.
Beim nachträglichen Aktivieren von Funktionen via Software-Update ist Mercedes-Benz allerdings spät dran: Konkurrent BMW bietet das bereits seit Sommer 2020 für Fahrzeuge mit BMW OS 7 an. Und für Tesla-Fahrer ist das seit Jahren Routine, beispielsweise wenn man den „Autopiloten“ nachträglich freischalten lassen will. Auch Audi bietet das nachträgliche Freischalten von Funktionen via OTA schon länger an.
Türen öffnen automatisch gegen Aufpreis
Mercedes-Benz will zu einem späteren Zeitpunkt gegen Aufpreis automatische Komforttüren vorne und hinten anbieten. Geht der Fahrer auf das Auto zu, fahren zunächst die Türgriffe aus. Bei weiterer Näherung öffnet sich die Fahrertür automatisch. Über MBUX hat der Fahrer außerdem die Möglichkeit, die hinteren Türen ferngesteuert zu öffnen und beispielsweise Kinder an der Schule einsteigen zu lassen. Wobei sich bei diesem Beispiel die Frage stellt, ob mit dem EQS typischerweise wirklich Kinder von der Schule abgeholt werden…
Hochautomatisiertes Fahren bis 60 km/h
Die maximale Anzahl an Sensoren für den EQS gibt Mercedes-Benz mit 350 an. Diese erfassen Entfernungen, Geschwindigkeiten und Beschleunigungen, Lichtverhältnisse, Niederschlag und Temperaturen, die Belegung von Sitzplätzen ebenso wie den Lidschlag des Fahrers oder die Sprache der Passagiere. Zahlreiche Steuergeräte werten alle diese Daten aus, wobei auch Künstliche Intelligenz (KI) mithelfen soll. Darauf basieren dann zahlreiche Fahrerassistenzsysteme. So kann der EQS mit der Sonderausstattung “DRIVE PILOT” bei hohem Verkehrsaufkommen oder Stausituationen auf geeigneten Autobahnabschnitten zunächst in Deutschland bis 60 km/h hochautomatisiert fahren können. Eine derartige Demo gab Audi mit seinem Stau-Pilot 2015 in Shanghai.
Sound und Hinterachslenkung
Den Sound liefert ein Burmester-Surround-Soundsystem. Dieses beschallt den Innenraum auf Wunsch auch mit dem Geräusch von Meeresrauschen oder Sommerregen.
Serienmäßig ist eine Hinterachslenkung mit einem Lenkwinkel von bis zu 4,5 Grad. Gegen Aufpreis kann eine Hinterachslenkung mit einem Einschlag von bis zu 10 Grad bestellt oder nachträglich durch ein Upgrade over the Air (OTA) freigeschaltet werden. Dadurch ist ein Wendekreis des 5,2 Meter langen EQS von 10,9 Metern möglich.

©Daimler
Parken
Mit dem Remote-Park-Assistenten kann der Fahrer das Fahrzeug per Smartphone ein- und ausparken. Das geht mit einem 7er BMW übrigens schon seit 2016.
Der EQS ist außerdem für Automated Valet Parking (AVP, SAE-Level 4) vorbereitet. Zusammen mit der benötigten Sonderausstattung und dem entsprechenden Connect Dienst (länderabhängig) hat das Fahrzeug die Technik an Bord, um vollautomatisiert und fahrerlos in mit AVP-Infrastruktur ausgerüsteten Parkhäusern ein- und auszuparken, sofern die nationalen Gesetze einen solchen Betrieb erlauben. Eine Demonstration von Automated-Valet-Parking-Demo haben wir 2019 von Continental vorgeführt bekommen.
Riesen-Bildschirm
Gegen Aufpreis nimmt ein riesiger, gewölbter MBUX Hyperscreen das ganze Armaturenbrett von A-Säule zu A-Säule ein. Drei einzelne Bildschirme sitzen hierbei unter einem Deckglas und verschmelzen optisch. Mit dem 12,3 Zoll großen OLED-Display für den Beifahrer hat dieser seinen eigenen Anzeige- und Bedienbereich. Die Entertainmentfunktionen sind dort während der Fahrt nur im Rahmen der länderabhängigen gesetzlichen Vorschriften verfügbar. Dabei setzt Mercedes-EQ auf eine kamerabasierte Sperrlogik: Erkennt die Kamera, dass der Fahrer aufs Beifahrer-Display schaut, wird dieses bei bestimmten Inhalten automatisch abgedimmt.
Bleibt noch die Frage nach dem Preis: Diesen nennt Mercedes-Benz noch nicht. Die klassische S-Klasse startet bei rund 97.000 Euro, wobei bei derartigen Fahrzeugen in der Regel noch viele Extras dazugebucht werden. Einen EQS mit “vernünftiger” Ausstattung dürfte man also nicht unter 100.000 Euro bekommen.
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