Es schneit in New York. Der Big Apple ist in Spider-Man Miles Morales von weihnachtlicher Stimmung durchzogen, von herrlich kitschiger Beleuchtung, wie sie die Amerikaner lieben. Vom Geruch von Zimtstangen. Kinder tollen umher, suchen sich begeistert Leckereien an den bunten Buden aus und staunen über Schneemann-Figuren, die überall herumstehen. Das fühlt sich alles herrlich nach Next-Gen an, Raytracing etwa lässt auf der Playstation 5 den Schnee glitzern und sorgt dafür, dass sich der Weihnachtszauber auf vereisten Straßen spiegelt. Auch sind alle Figuren extrem scharf gezeichnet, es wirkt so, als könnten Sony-Studios jetzt die Qualität ihrer Protagonisten aus einem Uncharted 4 etwa auf alle NPCs übertragen – toll. Miles Morales selbst trägt einen Parka, lässig seine Sony-Kopfhörer übergestülpt und spielt mit seinem Handy, als er durch Harlem streift. Er schlendert vorbei an Plakaten, die seine Mutter Rio Morales zeigen.
Er ist stolz auf seine Mama, möchte ihre Rallye nicht verpassen und das ändert Spider-Man von seiner Grundkonzeption: Peter Parker war immer ein Nobody, ein völlig selbstloser Held. Stan Lee hat den Spinnen-Man als den perfekten Heroen gezeichnet, weil Amerika nach den menschlichen Verlusten des Zweiten Weltkriegs genau das brauchte – einen strahlenden Helden, der einfach nur gut ist, völlig ohne Hintergedanken. Peter Parker ist das Gegenteil von Tony Stark, der als Iron Man in erster Linie sein eigenes Gewissen beruhigen möchte: Schließlich wurde er zum Milliardär, indem er Waffen designte und verkaufte, die die Welt ins Chaos stürzten. Peter war der perfekte Marvel-Held, weil er auf fast schon eigenartige Weise selbstlos ist. Er lebt mit seiner Tante in einer kleinen Wohnung, statt der Welt zu zeigen, wer er ist und zum Star zu avancieren.

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Miles Morales ist ein bisschen anders: Seine Mutter kandidiert für den Stadtrat, ist eine einflussreiche Politikerin, die offensichtlich mächtige Allianzen geschmiedet hat: Als die Kamera auf ihre Bühne zoomt, zeigen sich schwer bewaffnete Soldaten von Roxxon, die ihr als Security dienen. Entsendet wurden diese von Sonys größtem Star, der natürlich auch hier eine wichtige Rolle spielt: Troy Baker, sicherlich einer der besten Schauspieler der Gamesbranche. Ein Mann, der schon Booker DeWitt in BioShock Infinite spielte, den Joker in Batman: Arkham Knight. Mit Preisen überschüttet wurde er für seine Rolle als Joel in The Last of Us. Ein Spiel, vor dem sich sogar Hollywood verneigte. Troy spielt in Spider-Man Miles Morales, Sonys erstem Exklusiv-Blockbuster für die Playstation 5, die Rolle von Rollox CEO Simon Krieger, der, sagen wir einfach, nicht nur noble Absichten hat mit einer innovativen, weil sauberen Energieform namens NuForm. Miles selbst scheint aber wenig bekannt zu sein, ein Verkäufer fragt ihn, ob er für Rio Morales stimmen würde. Er weiß also nicht, dass sie seine Mutter ist. Spider-Man hingegen ist weltberühmt in New York – ein Künstler, der Stan Lee durchaus ähnlich sieht, zeichnet gerade einen Comic rund um den Klassik-Spider-Man und Miles fragt, ob er auch etwas zum „Neuen“ plane. „Nö, das ist ja der einzig wahre Spidey“.
Auffällig ist, wie treffend Mimik und Gestik bei jeder Person sind, die wir sehen. Nicht nur Miles sieht fotorealistisch aus, auch der Künstler, die Kinder oder Eltern, die Zuckerwatte kaufen oder Bacchatta tanzen.
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The Underground versus Roxxon und Spidey muss sich entscheiden

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Was die Geschichte direkt spannend macht, ist, dass Insomniac Games seine Geschichte eher in Graubereichen erzählt. Wem soll Miles vertrauen? Er muss erst noch lernen, seinen Spinnensinn zu kontrollieren und optimal einzusetzen, aber ein Krieg legt sich über die Stadt. Roxxon hat eine erstaunlich starke militärische Präsenz in Harlem und transportiert in einem Hochsicherheitstransport seine neuartigen Batterien über eine Brücke, gerät jedoch in einen Hinterhalt von The Underground – einer Hightech-Terror-Gruppe unter Führung einer Lady namens The Tinkerer, die ausieht wie ein Cyber-Ritter. Mit silbernen Masken, Kevlar-Rüstung und mechanischen Armen, die unter Strom stehen und Neon-Pink leuchten. Die Gruppe verfügt über Miniatur-Schutzschilde, gegen die Kugeln nichts ausrichten und die sich bei Beschuss vergrößern, dann wieder einfahren, um ihren Soldaten maximale Bewegungsfreiheit bei ihren Ninja-ähnlichen Kampfeinlagen zu geben. Die Tinkerer-Lady ist enorm stark – die Anführerin des Angriffsteams fährt kurzerhand zwei mechanische Greifarme aus, die die Panzertür des Konvoi-Trucks von Roxxon einfach abreißt.

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Als Miles in den Truck geschleudert wird, scheint ihn die Energie zu verwandeln: Fortan kann er bioelektrische Schläge austeilen und Energy-Spider-Webs nutzen.
Im Grunde schlingt er seine Spinnenfäden um mehrere Gegner, katapultiert sie in die Luft, wo sie der Reihe nach mit Stromschlägen beglückt werden. Diese glühende Energie heißt Venon und daraus leiten sich eine Menge Schläge und Angriffe ab – etwa der Venom Punch, bei dem Miles seine Faust maximal auflädt und dann selbst den stärksten Gegner aus den Latschen haut. Diese Spezialattacken lassen sich allerdings nicht aus Lust und Laune aktivieren, sondern müssen vorher aufgeladen werden. Dafür dient die Venom-Power-Anzeige, die man gut in einigen der Screenshots und dem Video-Material sieht.
Das Gameplay wird also eine Nuance taktischer, dafür gibt’s deutlich mehr abgefahrene Manöver, die sich wenig nach Peter Parker anfühlen, sondern nach einer neuen Generation Spider-Man. Etwa kann er sich über den Venom Jump gut fünf oder sechs Meter in die Luft katapultieren. Viele der Finishing-Moves haben fast schon eine Spur God of War: Wir schleudern die Soldaten in die Luft, schnappen sie uns und rammen sie mit einem Web-Takedown in den Boden.
Führt Spider-Man 2 Captain America ein?

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Wer sich ein bisschen mit Comics auskennt, der kennt The Underground bereits. Dort nämlich ist es eine Koalition von Helden, angeführt von Captain America, die als Widerstand gegen eine Hydra-Diktatur gebildet wurde. Miles Morales ist in diesen Comics Teil von The Underground – tritt er ihnen vielleicht bei, nachdem er versteht, was Roxxon eigentlich vorhat? Spannend. Es ist nicht völlig abwegig, dass Simon Krieger eine Verbindung zu Hydra hat. Die Organisation neigt schließlich dazu, Konzerne als Tarnfirmen zu installieren, um sich Einfluss in Städten und Regierungen zu sichern. Was allerdings gegen diese Theorie spricht, ist, dass The Underground eher wie Cyber-Ninjas ausgerüstet sind – sie kämpfen mit einer Art Energie-Katana und scheinen sich auch wenig um das Wohl der Zivilbevölkerung zu kümmern, was nicht Captain Americas moralischem Kodex entsprechen würde. Die Zerstörung der Madison Avenue Bridge ist eines der großen technischen Highlights der Demo: Als der Truck von Roxxon explodiert, zerstört die energetische Welle einige der Träger der Brücke, die Verankerung reißt, Spidey erwischt gerade noch so eines der Kabel und wird mitgezogen.

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Er kracht in ein Polizei-Fahrzeug, an ihm fliegen förmlich Autos vorbei und in letzter Sekunde rettet er einen Bus, der droht, in die Tiefe zu stürzen – ein paar schnelle Schüsse aus dem Spinnen-Handgelenk und der Zehntonner ist zumindest für ein paar Sekunden verankert. Der Fahrer evakuiert alle Passagiere, plötzlich droht der Bus zu kippen, Spidey kann ihn nicht mehr halten, er stürzt in die Tiefe, Miles schießt hinterher, schnappt sich den Busfahrer und setzt ihn wohlbehalten, wenn auch dezent verdutzt schauend am Pier ab. Was dann folgt, fühlt sich nach so an und sieht so scharf aus, als würden wir gerade einen Marvel-Film in höchster Detailtiefe interaktiv erleben: Brücken drohen zu kollabieren, Miles hält sie mit seinen Spinnenweben zusammen, rettet in einem waghalsigen Stunt alle Menschen auf der Brücke und wird dabei beinahe von einem in die Tiefe stürzenden Humvee von Roxxon erschlagen.

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Erstes Fazit:
Spider-Man 2 fühlt sich definitiv anders an als der letzte Spidey auf PS4: Viel flüssiger, viel schärfer, viel explosiver – was hier alles in die Luft fliegt, wie Gebäude zerstört werden und uns Autos wie Raketen entgegen fliegen, das ist schon sehr stark inszeniert. Auch kann Miles die energetischen Ströme in seinem Körper steuern und ist so deutlich mehr Fantasy-Held als der eher bodenständige Peter Parker. Ständig verschießt er elektrisch geladenen Spinnennetze, die seine Gegner Elektroschocken oder katapultiert Feinde in die Luft, wie Kratos in seinen besten Tagen. Spannend ist auch seine Geschichte, weil Miles aus einem schwierigen Umfeld kommt. Sein Onkel Aaron bewegt sich stets außerhalb des Gesetzes und avancierte in den Comics zu The Prowler. Muss Miles am Ende seine eigene Familie bekämpfen? Wir freuen uns schon auf den Test auf der Playstation 5.