Tony Hawk lebt, liebt und atmet Skateboarding. Er ist einer dieser positiv Verrückten, die für ihren Traum alles tun: Er brach sich den Ellbogen, drei Rippen und wurde fünfmal ohnmächtig in ein Krankenhaus eingeliefert, bis er es schaffte den ersten 900 der Welt durchzuziehen. Er ist wie Elon Musk, der sein komplettes Vermögen riskierte, um die erste Space-X-Rakete zu starten. Alles für den Traum, alles fürs Skateboarding.
Wir hatten schon öfter die Gelegenheit den König der Rollen zu treffen, jetzt gab es ein schönes Wiedersehen im Rahmen der Makers Conference sowie eSports Bar Miami. Leider nicht in Miami, sondern nur Digital, aber Tony war so gut aufgelegt, wie er es immer ist. Er ist einer dieser wenigen Superstars, die alles im Leben erreicht haben, aber nie abgehoben sind. Mit der Verschmitztheit eines Lausbuben erzählt er, wie er mal von Präsident Obama ins Weiße Haus eingeladen wurde und natürlich auch dort zumindest mal einen Manual in den weißen Gängen zog, die zum Oval Office führen. „Präsident Obama verspätete sich, ich hatte noch etwas Zeit und diese kleine Wette laufen mit meinem Sohn Riley. Er meinte damals: „Dad, du traust dich nie einen Wheelie im Weißen Haus zu ziehen. Safe, traust du dich das nicht. Und ich sagte: All right, safe traue ich mich das“ (er lacht). Als Tony Hawk das Board im Weißen Haus auspackte
Allerdings nicht auf die Bad-Bay-Tour, sondern Tony Hawk fragte brav via E-Mail beim Präsidenten an, ob er das dürfe – „weil na ja, zum einen wollte ich natürlich den Fußboden nicht ruinieren und zum anderen laufen da ziemlich viele Agenten vom Secret Service rum, unbemerkt Skateboarden wäre eher schwierig.“ Präsident Obama zeigte er anlässlich dieses Vatertags-Dinners dann auch ein paar Tricks im Rosengarten des Weißen Hauses, selbst aufs Board wollte oder durfte der Präsident aber nicht. Präsidenten sind in der Richtung etwas eingeschränkter als Pro Skater. Und über was spricht man mit US-Präsidenten? „Skate Parks in Afghanistan, die wir gerade mit der Tony Hawk Foundation in Planung hatten.“
Aber auch diesen Hoverboard-Prototypen, den ich kürzlich gefahren bin – es ist leider noch kein richtiges Hoverboard, weil es auf Magneten basiert, sprich man braucht eine voll magnetisierte Strecke und kann auch nicht so hoch springen und Tricks machen, wie das Marty McFly in Zurück in die Zukunft zeigt. Wobei, einen 180 habe ich darauf gezogen, allerdings noch am Boden, nicht in der Luft. So visionär das Ganze auch damals 1985 aussah, es brachte unglaublich viele Leute ins Skateboarding. Es machte Skateboarding cool und katapultierte es in den Mainstream. Ähnlich wie die Games, die Pro-Skater-Reihe.“ Tony ist generell ein Sportler zum Anfassen, ein Weltstar ohne Star-Allüren. Noch vor ein paar Jahren war er mal zum Launch von Pro Skater 5 in München und skatete mit einer ganzen Horde von Teenagern, die alle mal in einer Pipe mit ihm boarden wollten.

„Ich habe mich selbst nie so wichtig genommen. Es gibt ja viele dieser Sportler-Galas, wo man dann als großer Star hofiert wird. Klar ist das auch mal schön, aber eigentlich bin ich nicht der Typ für Smokings und stehe viel Lieber mit den Kids aus der Nachbarschaft auf dem Board. Lustigerweise geht es vielen Sportlern so – ich habe etliche große Basketballer kennengelernt, die lieber auf dem Court stehen, als auf dem Roten Teppich. Aber auch das gehört dazu und natürlich bin ich dankbar für diese Karriere. Es hat mir erlaubt Dinge zu tun, von denen ich zu Beginn nicht mal gewagt hätte zu träumen – mit der Tony Hawk Foundation haben wir 900 Skate Parks überall auf der Welt eröffnet. Das ist mir wichtig – ein Großteil aller Werbe-Verträge floß immer in diese Projekte, weil gerade in den USA all die öffentlichen Skateparks von den Gemeinden geschlossen wurden, ergo mussten wir neue bauen.“ „ Ich hatte meine Ups und Downs. Aber ich konnte immer kostenlos Burger essen“

Tony Hawks Geschichte ist eine faszinierende: „Ich war kein einfaches Kind, hatte einen sehr hohen IQ, mir war oft langweilig in der Schule. Ich hatte häufig Probleme mit meinen Mitschülern.
Als ich neun war schenkte mir mein Bruder sein zerkratztes Skateboard, weil er gerne ein Neues von unseren Eltern wollte (er grinst) – so ging’s dann los“ Und zwar im Oasis Skatepark in Carlsbad, nahe San Diego in Kalifornien. Tony war immer schon gut darin sich zu vermarkten, baute sich eine Fanbase via MySpace und andere Vorläufer der heutigen Social Networks und zog sich erste Sponsoren an Land. „Ich werde ja oft gefragt, wie man seinen ersten Sponsorenvertrag kriegt. Und ganz ehrlich, einfach fragen. Mehr als nein sagen, können Unternehmen ja nicht. Ich weiß noch wie ich damals ganz frech zu meinem Lieblings-Burgerladen gegangen bin und habe dem Besitzer gesagt:

„Schau mal, die ganzen Jungs aus dem Viertel schauen mir immer zu, wenn ich meine Tricks ziehe. Wäre doch cool, wenn dein Logo auf meinem Board wäre – die ganzen Jungs und ihre Freundinnen würden dann alle zu dir kommen. Er hatte zwar kein Marketingbudget per se, aber ich bekam Gratis-Burger und ein kleines Handgeld. Er war happy, ich war happy.“
„Das ist etwas, was ich immer schon am Skateboarden geliebt habe: Das du eine Community bist, das jeder mitmachen kann und keine Grenzen gezogen werden zwischen dem Athleten auf der einen und dem Fan auf der anderen Seite. Ich finde es schade, dass mittlerweile so viele Barrieren gezogen werden zwischen Sportlern und Zuschauern, etwa in der NBA.“ „ Skateboarding und Gaming: Zwei Kulturen, die so viel eint“

„Ich bin in den 70ern gestartet, was eine schwierige Zeit war, weil der Coolness-Faktor von Skateboarding gerade wieder gesunken war. Es war cool in den 60ern, in den 70ern und 80ern wurde es stark vom Basketball und der NBA verdrängt. Ich vergleiche das immer gerne mit Gaming: Es ist noch nicht lange her, da sagten die Leute: „Wie jetzt, du verdienst dein Geld damit zu zocken? Strange. Heute verdienen eSports-Stars und Streamer wie Ninja oder Shroud Millionen. Und genau das gleiche Problem hatten wir damals. Skateboarding wurde nicht ernst genommen, wir mussten hart dafür kämpfen als Sportler anerkennt zu werden. Irgendwann gelang es uns dann wieder diesen Hype darum zu entfachen, mir gelang 1999 der erste 900 bei den X-Games, was sicherlich ein enorm wichtiger Moment in meiner Karriere war. Das war generell ein großes Jahr, ich habe den Vertrag mit Activision unterschrieben, wir haben das erste Tony Hawk-Spiel in Entwicklung gebracht, Skater-Fashion gelauncht.“
„Ich war schon immer Gamer, Halo und Call of Duty liefen bei mir in Dauertour. Und mir war immer schon klar, dass sich Gaming und Skateboarding verbrüdern müssen, um zusammen Großes zu bewirken. Und ich glaube wir können noch viel mehr tun – Skaten, Gaming und eSports, das können so wundervolle Möglichkeiten sein die Welt zu vereinen. Ich erinnere mich noch daran, wie ich in Halo mit Gamern aus Pakistan und anderen Teilen unserer Erde zusammen spielte und schon als Teenager erkannte – wir sind uns so ähnlich, wir spielen nicht nur die gleichen Games, wir haben die gleichen Träume. Ich glaube, dass der Sport – in der realen und digitalen Welt, unsere Nationen vereinen kann und näher zusammenrücken lässt. Machen wir uns nichts vor: Ich bin heute 52, ich skate noch immer noch jeden Tag, aber ich werde nicht mehr den nächsten völlig durchgeknallten Over-the-Top-Move erfinden – diesen Job haben andere übernommen. Aber ich kann andere coole Sachen machen, wie dieses Skate-Camp für Mädchen in Afghanistan, was ihnen Mut, Kraft und Selbstvertrauen geben wird. Zusammen mit Amelia Brodka, eine unglaublich coole Frau, die in einer Ära anfing, als zwar Skateboarding schon cool war, aber nicht als Frau auf dem Board zu stehen. Sie hat das geändert, davor verneige ich mich und wird jetzt auch in Olympia für ihr Heimatland antreten.“ „ eSports ist Community. Skateboarding ist Community. Klar, wäre es geil eine Pro Skater eSports League zu starten“

„Es war sehr komisch: Ich wollte einfach nur skaten und die Jungs verstanden das nicht. Sie nannten mich einen Poser. Ich lernte dann einen 360 Kickflip, was ein etwas schwieriger Einsteiger-Trick ist. Und alle sagten nur: Du musst heimlich ein Junge sein“, erzählte Amelia Brodka im Rahmen der Makers Conference, die heute einer der größten Skateboard-Stars in den USA ist. „Das ist einer der Gründe, warum es mir immer schon wichtig war in unseren Pro-Skater-Spielen einen guten Mix aus männlichen und weiblichen Athleten zu vereinen: Leticia Bufoni, Aori Nishimura, Lizzie Armanto und viele andere. Und das war schon früher so, wir bringen etwa Skater wie Steve Caballero, Geoff Rowley, Bucky Lasek, Elissa Steamer, Kareem Campbell, Andrew Reynolds, Bob Burnquist, Eric Koston, Rodney Mullen, Jamie Thomas, Rune Glifberg, Chad Muska zurück. Mir war immer wichtig, dass wir auch jeden Style von Skating repräsentieren: Vert, Street, Park, Free-Skaters. Jeder soll seinen Platz haben.“
„Ich bin sehr stolz darauf, Jungs und Mädels zusammengebracht zu haben. Man spielte zusammen, dadurch verstanden die Jungs: Hey, Girls können genauso skaten wie wir. Das ist ja wie im Gaming: Man zockt zusammen Halo oder Call of Duty, hat eine gute Zeit, bildet einen Clan. So viele Kids fangen irgendwann an zu streamen, 10 Jahre später sind sie Superstars auf Twitch. Schätze es wird Zeit für Pro Skater den nächsten Schritt Richtung professioneller eSports zu machen. Klar hätte ich Lust eine Pro Skater League zu starten. So etwas wie die Overwatch oder Call of Duty League. Neue Konsolen sind am Horizont, mal schauen was wir so in den nächsten Jahren abliefern können. Streaming ist super spannend, wie nativ das Ganze integriert ist, wie leicht nutzbar. Wir haben mit VR geliebäugelt, aber ich befürchte wenn du einen 720 hinlegst und aus der Ego-Perspektive in den Spin gehst, könnte einigen schlecht werden (er lacht). Aber da ist so viel machbar, wird großartig. Gaming ist heute schon größer als Hollywood und wird sicherlich bald der größte Sport der Welt sein.“