Khabarovsk heißt das neueste U-Boot der russischen Kriegsmarine. Dieses Atom-U-Boot könnte nach Meinung westlicher Experten das maritime Kräfteverhältnis zu Gunsten Russlands verändern. Nicht wegen seines Antriebs – U-Boote mit Kernreaktoren als Antrieb sind seit den 1950er Jahren im Einsatz. Sondern wegen der neuartigen Torpedos, die die Khabarovsk abfeuern kann.
Denn die Khabarovsk besitzt nicht wie sonst üblich ballistische Interkontinentalraketen oder Marschflugkörper mit Atomsprengköpfen. Stattdessen soll die Khabarovsk mit Poseidon-Torpedos bestückt werden, die nukleare Sprengköpfe besitzen. Diese Atom-Torpedos sollen 20 Mal so groß wie konventionelle Torpedos sein und autonom ihr Ziel ansteuern. Es handelt sich dabei also um Unterwasserdrohnen. Diese Drohnen-Torpedos werden ebenfalls von einem Kernreaktor angetrieben – auch das ist bei Torpedos ungewöhnlich. Das Atom-U-Boot Khabarovsk verschießt also atomar angetriebene Riesen-Torpedos mit Atomsprengköpfen, die selbstständig ihr Ziel finden.
Die Khabarovsk soll nur das erste Exemplar der neuen Generation von U-Booten sein, die die russische Kriegsmarine entwickelt, und soll noch im Juni 2020 zu Wasser gelassen werden. Sie soll rund 120 Meter lang und bis zu 16 Meter im Durchmesser groß sein und vielleicht bis zu 500 Meter tief tauchen können. Als Antrieb dient ein Kernreaktor.
Russland hält sich mit der Entwicklung der neuen U-Bootklasse samt den neuen Atom-Torpedos sehr bedeckt. Umso gespannter sind westliche Beobachter auf den Stapellauf der Khabarovsk. Laut Forbes wird die Khabarovsk in Halle 1 der Sewmasch-Werft in der Hafenstadt Sewerodwinsk am Weißen Meer gebaut. Diese Werft baut seit Jahrzehnten russische U-Boote und hat auch Erfahrung mit dem Bau schwimmender Kernkraftwerke. Das Weiße Meer ist ein Teil des Arktischen Ozeans. Russland baut dieses U-Boot also an einer Stelle, die für westliche Beobachter oder Spione nur schwer erreichbar ist – Satellitenaufklärung einmal ausgenommen. Die Aufnahmen westlicher Satelliten geben derzeit keine Hinweise, dass Russland bereits Vorbereitungen für den Stapellauf trifft. Russland entwickelt die Khabarovsk unter der Bezeichnung “Project 08951”. Um die Entwicklungskosten zu reduzieren, teilt sich das neue U-Boot viele Bestandteile mit der bestehenden Borei Class Ballistic Missile Submarine (SSBN) Klasse. Im vorderen Teil der Khabarovsk befinden sich die sechs riesigen Poseidon-Torpedos.
Die Poseidon-Torpedos werden auch als „Status-6“ oder von der NATO als „Kanyon“ bezeichnet. Dank des Atomantriebs haben diese neuartigen Torpedos eine fast unbegrenzte Reichweite, wenn sie einmal abgefeuert wurden. Diese Poseidons sind letztendlich Unterwasserdrohnen, die von einem Mutterschiff, eben der Khabarovsk oder der Belgorod (siehe unten) ausgesetzt werden und sich dann ihr durchaus weit entferntes Ziel suchen.
Laut dem auf Wehrtechnikthemen spezialisierten Onlineportal Esut kann ein Poseidon-Atom-Torpedo rund 10.000 Kilometer mit einer Geschwindigkeit von 100 km/h unter Wasser zurücklegen. Ein Poseidon-Torpedo/Unterwasserdrohne soll laut Esut rund 24 Meter lang sein und einen Durchmesser von 1,6 Meter haben. Der atomare Gefechtskopf soll rund 4 Meter lang sein und einen Durchmesser von 1,5 Metern besitzen. Die Sprengkraft des Nuklearsprengkopfes wird mit über 2 Megatonnen angegeben. Zum Vergleich: Die auf Hiroshima abgeworfene Atombombe hatte eine Sprengkraft von 13 Kilotonnen.
Mit den Poseidons könnte Russland große Küstenstädte wie New York oder Los Angeles bedrohen. Aber auch ein Vernichtungsschlag gegen eine ganze Trägerflotte der USA (also ein Schiffsverband mit einem Flugzeugträger und begleitenden Kriegsschiffen zum Schutz des Flugzeugträgers) sei damit denkbar.
Die Khabarovsk ist aber nicht das erste U-Boot, das für Poseidon-Torpedos vorbereitet ist. Mit der Belgorod (Project 09852) lief bereits am 23. April 2019 ein russisches Atom-U-Boot vom Stapel (U-Boot K-139 der NATO-Bezeichnung Oscar II-Klasse), das ebenfalls sechs Stück dieses neuen Torpedotyps transportieren kann. Die Belgorod ist 184 Meter lang.
Ob Belgorod und Khabarovsk samt den Poseidon-Atom-Torpedos dann in der Praxis aber tatsächlich so funktionieren, wie es westliche Beobachter derzeit vermuten, ist noch offen. Da sich Russland nicht in die Karten schauen lässt, kann man derzeit nicht beurteilen, wie viel davon russische Propaganda oder Einschüchterungsversuche sind und wie der technische Entwicklungsstand tatsächlich ist.