Schwerer Regen geht auf die Mauern der englischen Festung hinab. Die Soldaten halten die Stellung, feuern Salve um Salve auf anrückende Nordmänner ab in einer der ersten Gameplay-Szenen von Assassin’s Creed: Valhalla . Armbrustschützen rücken an, ihre Bolzen durchschlagen die Lederharnische von Eivors Männern, die es nun mit einem Rammbock versuchen. Geschnitten als Kopf eines Steinbocks, um den Göttern zu huldigen. Und jetzt wird es spannend, denn Eivor wirft sich nicht blindlings mit seinen Truppen in die Schlacht, sondern nutzt etwas, das aussieht wie ein Enterhaken, um auf die Mauern der Festung zu klettern. Wir sehen nicht, was dann geschieht, doch ist es wahrscheinlich, dass wir das Chaos nutzen können, um die Wachen am Tor zu erledigen und jenes zu öffnen.
Oder zumindest das Fallgitter hochzuziehen, damit unsere Mannen nur noch das Tor einrammen müssen. Die Nordmänner mussten mit viel Intelligenz arbeiten, da ihre Raubzüge auf Schnelligkeit ausgelegt waren: Schnell angreifen, schnell wieder abhauen, bevor die Armee des Feindes eintrifft. Wäre es nicht stark, wenn wir selbst entscheiden könnten, welchen Weg wir gehen: Den des Assassinen, des Stealth-Vikings, der bei Nacht die Tore öffnet? Oder eine waschechte Belagerung befiehlt, wie wir sie hier erleben: Mit Angriffstürmen, Rammböcken, Sturmleitern und zu einer Schutzwand zusammen gebundenen Baumstämmen, als Deckung vor Armbrustschützen.
Große Belagerungen in Assassin’s Creed Valhalla und ein Horn zum Befehligen der Truppen?

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Assassin’s Creed: Odyssey hatte beeindruckend inszenierte Massenschlachten, machte aber zu wenig aus ihnen. Es entspann sich nicht das Gefühl eines 300, eines taktischen Master-Plans, weil wir unsere Soldaten nicht anleiteten, sondern einfach nur lossschlachteten. Wir kämpften wie König Leonidas, aber wir konnten keine Schlachtformationen befehligen, keine Phalanx etwa. Stattdessen konzentrierten wir uns auf die Kommandeure, töteten Sie, schwächten so den Feind und gewannen die Schlacht. So zeichnet die Netflix-Serie Vikings seine Belagerungsschlachten
Auch das Einnehmen mächtiger Festungen lief letztlich darauf hinaus: Reinschleichen, Zielpersonen umbringen, Vorräte zerstören – geschafft. Alternativ konnten wir auch einfach alle über die Klinge springen lassen. Es gab keine Belagerungen, nichts was diese recht repetitive Gameplay-Struktur aufbrechen würde. Ja, wir konnten in Missionen den Nachschub für Belagerungen stocken lassen, indem wir diese Routen sowie Außenposten angriffen und so den Feind schwächen. Aber diese Belagerungen nicht selbst spielen. Selbst die große Belagerung Athens gipfelte letztlich nur im Abschlachten von hunderten Soldaten, auf Schiffen, in Treppengängen, auf den Mauern, in der Stadt. Es scheint so, als würde Ubisoft Montreal seine etwas festgefahrene Formel deutlich stärker aufbrechen – wir sehen etwa, wie Eivor in sein Kriegshorn bläst, um den Angriff zu befehligen.

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Können wir etwa selbst entscheiden, wann unsere Truppen lossschlagen? Wäre doch durchaus denkbar, dass wir selbst abwägen dürfen, ob wir den Sturmangriff vom Schiff aus wagen oder unsere Soldaten erstmal hinten lassen und die Zeit nutzen, die Gegend zu erkunden – u.a. können wir wieder mit unserem Raben nach Gegnern scannen und etwaige Schwachstellen auskundschaften. Wir rekrutieren in Valhalla ein gutes Dutzend an Männern und Frauen, die wir individuell ausrüsten und die mit uns segeln in den Raids – das sind schnelle Angriffe, bei denen es ums Plündern geht Ubisoft hat aber auch bereits bestätigt, dass es große Schlachten geben wird und eben auch Belagerungen – u.a. sehen wir Katapulte, Holzwälle, die zum Schutz vor Bogen- und Armbrustschützen aufgestellt wurden und auch mehrere unterschiedliche Rammböcke. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden wir die Raids und auch unsere eigene Siedlung nutzen, um genug Materialien zu beschaffen, die wir zum Bauen dieses Belagerungsgeräts brauchen. Das würde diese drei großen Säulen der Spielerfahrung von Asssassin’s Creed Valhalla optimal vereinen. Eivor, ein Stealth-Wikinger mit moralischem Kompass?

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Darby McDevitt, Chefautor von Assassin’s Creed: Valhalla hat bereits etwas sehr interessantes verraten: „Eivor ist ein sehr spannender Charakter: Er hat Humor, aber auch Ehre, Pflichtgefühl seinem Volk gegenüber. Ihn treiben persönliche Ambitionen, er will etwas erreichen, aber auch für seine Familie, sein Volk sorgen. Aber wir wollen uns auch wegbewegen vom Stigma dieser Männer aus dem Norden, die in Filmen oft als brutale Schlächter gezeichnet werden, in Wirklichkeit aber eher Seefahrer waren. Eivor hat einen moralischen Kompass, der ihn leitet und den er an seine Männer übertragen möchte.“ Das sehen wir in einer Szene, in der Eivors Scharen in ein Dorf eindringen, brandschatzen und wüten, Eivor jedoch seinen Schild vor eine Frau mit ihrem Kind hält und dafür sorgt, dass Menschen, die keinen bewaffneten Widerstand leisten, auch nichts geschieht. „ Sie müssen im Lauf der Kampagne sehr harte Entscheidungen treffen zwischen den eigenen persönlichen Zielen und dem Wohl der eigenen Siedlung. Aber die Handlung bleibt immer eingebettet in diesen persönlichen Kampf von Eivor. Er ist auf der einen Seite ein brutaler Stratege, mit großer Lust am Kampf. Aber in Eivor steckt auch ein Poet beziehungsweise eine Poetin, und wir wollten diese Introspektion auch im Spiel erfahrbar machen.“
- Darby McDevitt, Narrative Director Assassin’s Creed Valhalla

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Dieser moralische Kompass könnte spielerisch, aber auch narrativ enorm spannend werden. Was, wenn die anderen Wikinger lieber die englischen Frauen rauben und sich zu ihrem Eigentum machen wollen, sich Eivor jedoch dagegen stellt? Könnte das seine Position, seinen Rang gefährden? Spielerisch könnte diese Rückkehr zum Stealth, die wir bereits ausführlich beleuchteten enorm interessant sein, weil Eivor ob seiner Moral versuchen könnte größeres Blutvergießen zu vermeiden, indem er nur strategisch wichtige Zielpersonen, vielleicht den Kommandanten einer Festung ermordet, statt seine Männer und Frauen in große, offene Feldschlachten gegen die überlegenen britischen Truppen zu führen. Wir erinnern uns an Szenen aus der TV-Serie Vikings, in denen der Protagonist sich immer wieder durchsetzen muss, um seinen Weg zu gehen. Was, wenn Eivor sagt: „Es gibt einen besseren Weg, lasst uns dies versuchen.“ Ist er vielleicht sogar derjenige, der die Idee hat, sich den Briten anzugleichen? Zum Stealth-Special: Assassin’s Creed Valhalla: Mehr Stealth, weniger RPG
Die Wikinger akzeptierten das Christentum, um sich zu integrieren

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In einem weiteren Gespräch mit den Kollegen von Kotaku, ging Darby McDevitt auf die diplomatische Bereitschaft der Norweger ein, die sehr viel höher war als damals üblich. Normalerweise rissen Königreiche Ländereien an sich und zwangen ihnen ihren Willen und Glauben auf – nicht so die Nordmänner: „ Unsere Historiker benutzen weniger das Wort „Invasion“, sondern „Cohibitate“ – den Willen, zusammen zu wohnen und zu wachsen. „Ja, es gab Krieg, es war blutig und es war sehr brutal. Aber die Norweger passten sich Engländern an. Das ist ein spannender Aspekt, den wir uns genau angeschaut haben. Einige Historiker glauben, dass dies vielleicht der Grund ist, warum die Wikinger im Laufe der Zeit ihren Lebensstil und ihre Kultur verloren haben – dass sie sich angepasst haben, anstatt andere zu zu unterwerfen. “
- Darby McDevitt, Chefautor Assassin’s Creed Valhalla

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In der Tat ist es faszinierend zu beobachten, dass die Norweger und Dänen letztlich halfen, einige der heute größten Städte Englands zu erbauen. Die Nordmänner waren exzellente Architekten, was sich nicht nur daran zeigt, dass sie die schnellsten und besten Boote der Welt gebaut haben. Sie verstanden auch etwas von Isolierung, wie man Häuser vor Kälte schützt, schließlich kamen sie aus sehr viel kälteren Regionen. Spannend wird auch zu sehen sein, inwiefern diese „Kleine Eiszeit“, wie sie Archäologen bezeichnen, als Grund im Spiel inszeniert wird. Damals brachen die Temperaturen brutal ein, auf bis zu -20 Grad Celsius. Ganze Dörfer erfroren. Ein guter Grund, um den Weg nach England und später auch das sehr viel wärmere Frankreich zu suchen, was in der Belagerung von Paris im Jahr 886 gipfelte.