The Last of Us Part 2 ist schockierend brutal, todtraurig, melancholisch, aber auch liebevoll und romantisch. Geschrieben und inszeniert wird es von Neil Druckmann, der zu einer Mischung aus Christopher Nolan, Quentin Tarantino und Martin Scorsese avanciert ist. In The Last of Us ging es um Trauer, Hilflosigkeit, aber auch Freundschaft. In Uncharted 4 hat er bewiesen, wie gut er es versteht, mit One-Linern, Situationskomik und Gags zu arbeiten. Mit The Last of Us 2 gesellen sich jetzt zwei neue Komponenten hinzu: Romantik und Liebe sowie Hass. Viel ändert sich, weil Ellie sich völlig verändert hat: Im ersten Teil erlebten wir die 13-jährige Ellie, in den zweiten startet sie mit 19. Sie weiß, wie man tötet, aber Naughty Dog macht nicht den Fehler, aus ihr eine Kampfmaschine zu machen.

©Naughty Dog
Sie killt nicht so leicht und professionell wie Lara in Shadow of the Tomb Raider. Die Lara-Reboots krankten ja generell daran, dass Lara viel zu schnell von der verängstigten Lady zur Kampfmaschine avanciert, die keine Gnade kennt. Generell murkst Ellie ihre Gegner nicht einfach ab, es ist ein Kampf auf Leben und Tod, jedes Mal. Und es tut weh, diese KI-Figuren zu töten, weil sie sich nicht anfühlen wie Künstliche Intelligenz, sondern eher wie echte Menschen. Es sind nur noch wenige Tage bis zum Launch und Test von The Last of Us Part 2, Zeit für ein großes Special zu einem der faszinierendsten Spiele des Jahres, welches die Kunstform Videospiele auf ein völlig neues Level heben könnte.
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Das ist die Naughty-Dog-Magie: Wir fühlen mit den Figuren wirklich mit
The Last of Us Part II dreht jegliche antrainierte Videospiellogik der letzten Dekaden auf links, weil wir nicht auf Pixelfiguren schießen, die einfach umfallen – so wie wir das in fast jedem anderen Spiel ständig erleben. Sondern es handelt sich um Mütter, Väter, Ehemänner, Ehefrauen. So viele Situationen gibt es, die sich schmerzlich in unser Hirn brennen. Sekunden, in denen wir eine Wachpatrouille von hinten greifen, das Messer an die Kehle drücken, diese durchschneiden und das Opfer uns mit weit aufgerissenen Augen ansieht, ehe es röchelnd verblutet. Mit Ekel denken wir an diese Situation zurück – eine Szene, wie wir sie als Sam Fisher in Splinter Cell schon hunderte Male durchgezogen haben und die auch in Ghost Recon Breakpoint schnell zur Routine wird. Weil wir dort keine emotionale Bindung zum Opfer aufbauen, weil es ein Videospielcharakter ist, der einfach nur im Weg stand. Oft vermummt, die Mimik von Maske und Helm verdeckt. „ Hey Jimmy, schau mal da hinten nach. Bruno hat etwas gewittert“

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Doch hier war es eine Mama, eine Ehefrau, ihr Mann beugt sich über sie, als er sie findet und schreit vor Schmerz. Vielleicht ist genau das jene neue emotionale Ebene, die Videospiele der nächsten Generation definieren könnten. Dass wir uns von der Ballerbude wegbewegen, hin zur emotionalen Achterbahnfahrt. Uncharted 4 macht das – jedoch nicht in seinem Gameplay, welches ein klassischer Shooter mit Hollywood-Inszenierung ist. Aber in seinen Zwischensequenzen, denn im Laufe der Reihe sind uns Nathan und seine Elena ans Herz gewachsen. Nun ist es nicht so, dass uns die Feinde in The Last of Us Part 2 plötzlich zum Freund werden. Das sind größtenteils brutale Gruppen, wir schleichen vorbei an aufgehängten Leichen und anderen Abschreckungen.
Doch Naughty Dog macht etwas, was sich Entwickler nur sehr selten trauen: Sie geben unseren Opfern Namen. “Hey Jimmy, da hinten hat’s geraschelt, sieh mal nach.” “Klar, mache ich. Komm Bruno”. Bruno ist der Name seines Hundes. Das ändert die Dynamik des Spiels: Plötzlich fühlt sich das hier auf surreale Art real an, unser Gehirn und unser Herz sagen: „Den willst du nicht töten, seine Mama ist da hinten. Finde einen anderen Weg.“ Und das tun wir dann auch. Das Töten wird Ihnen auch deshalb schwerfallen, weil es ekelhaft inszeniert ist. Naughty Dog hat studiert, was passiert, wenn man einem Menschen mit einer Bierflasche die Kehle aufschneidet, wie dieser an seinem eigenen Blut erstickt. Das ist ein brutaler Anblick. Generell scheut sich das 2020er The Last of Us 2 nicht, seinen Spielern viel zuzumuten, auch dafür ist Naughty Dog bekannt. Unvergessen Szenen im ersten The Last of Us, in denen wir Männern mit Ziegelsteinen die Schädeldecke zertrümmerten. Es ist eine harte Serie, aber das fühlt sich authentisch und richtig an. Eine andere Ellie: 19 Jahre alt, geübt im Kampf, aber keine Lara Croft

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Ellie spielt sich anders als Joel, weil sie sehr viel kleiner und deutlich weniger massig ist. Sie kann Gegner nicht im Nahkampf mit Faustschlägen ausknocken, sondern muss trickreicher vorgehen. Sich anschleichen, Haken schlagen, sich von oben auf ihr Opfer stürzen und ihre Schnelligkeit ausnutzen. Oft wirkt das alles nicht geplant, sondern improvisiert, aus der Aussichtslosigkeit der Situation geboren: Einem Menschen die Kehle durchzuschneiden, ist hart, blutig, Ellie zerrt an ihrem Messer, das Opfer wehrt sich mit allem, was es hat. Es wirkt echt, so an den Kampf ranzugehen, den Naughty Dog nicht als Duell zwischen Gutem und Bösem sieht, sondern in erster Linie zwischen zwei Menschen, die überleben wollen. Dafür hat Naughty Dog Ellies Statur studiert und überlegt, was für Angriffs- und Verteidigungsarten, man ihr mitgeben sollte, damit sie gegen deutlich muskulösere und größere Gegner besteht. „Es gibt darauf ein paar klassische Antworten“, erklärt Creative Director Neil Druckmann im jüngsten Video.

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Viele Studios mussten diese Herausforderung angehen und die Antwort lautet in der Regel Kampfsportarten: Krav Maga, Judo, Karate. Tritte, Würfe, Sprungangriffe. Aber das würde nicht zu Ellie passen, denn als Spieler haben wir genau miterlebt, wie Joel sie ausgebildet hat. Joel ist kein Ex-Militär, er hätte Ellie also nicht trainieren können wie es ein Elitesoldat tun würde. Sie kann nicht kämpfen wie eine Scarlett Johansson alias Black Widow in The Avengers Endgame, die vom russischen Geheimdienst KGB ausgebildet wurde. Und das will Naughty Dog auch nicht: „Der Kampf ist brutal, vielleicht ein bisschen eklig, auf jeden Fall aber realistisch“, so Druckmann. „Und Ihre Gegenspieler wollen überleben, darauf legen wir einen großen Fokus. Sie sind nicht designt als Kanonenfutter, sondern Menschen, die alles dafür tun, lebend aus dem Duell rauszukommen.“
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The Last of Us Part 2 führt neue Sprung- und Stealth-Mechaniken ein
Um Ellies Charakterentwicklung treu zu bleiben, brauchten die Kalifornier eine andere Idee. „Wir fingen an, mit Sprüngen zu experimentieren, entschieden uns letztlich eine Sprungtaste zu implementieren.“ Naughty Dog geht es dabei nicht nur um den puren Angriff, so wie Lara Croft aus dem Dschungel schnellt und Soldaten killt. Sondern eher darum, Ellie schneller zu machen – sie kann schneller im Gebüsch verschwinden, schneller in Deckung sliden. Interessant: Diese Stealth-Mechanik ist analog, sprich das Spiel berechnet, wie viel von Ellie sichtbar ist anhand der Dichte und Höhe des Grases, gleiches gilt für Gegenstände und wird anhand eines Kreises an der Seite dezent eingeblendet. Schon das erste The Last of Us war ein smartes Spiel, aber Joel konnte es viel eher mit mehreren Gegnern aufnehmen. Ellie muss sich auf ihren Instinkt verlassen, öfter ist es ratsam, die Flucht zu suchen, wofür Drogen zum Einsatz kommen. Ellie kann bestimmte Pillen und Drogen finden, die für gewisse Zeit ihr Bewusstsein verstärken – etwa ihren Hörsinn schärfen oder die Möglichkeit geben, Gegner als weiße Silhouette auch durch Wände zu sehen. Freischalten lassen sich auch Mechaniken, die echte Militärs trainieren wie das Anhalten des Atems beim Zielen. Warum Naughty Dog für TLOU2 seine K.I.-Systeme stark umbaut

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„ The Last of Us wirkte oft, als hätten unsere Gegenspieler telepathische Fähigkeiten“, erklärt Neil Druckmann. „Eine Leiche wurde entdeckt, diese Information drang sofort und ohne Verzögerung zu jedem in einem großen Umkreis durch. Das ist nicht realistisch, nicht ohne Funkgeräte. Jetzt gibt es deutlich mehr Kommunikation zwischen der K.I., man flüstert sich Informationen zu und bis sich diese Kette schließt, dauert es ein bisschen. Das kann Ellie natürlich nutzen.“ Auf der anderen Seite hebelt Naughty Dog das aus, was sie Videospiellogik nennen: „Es gibt keine Sicherheitszonen, weil es keinen Sinn ergibt. Jeder würde unter einem Auto nachschauen, weil es das optimale Versteck ist.“ Zudem haben unterschiedliche Gruppen unterschiedliche Informationen: „Wenn der Nachschub eintrifft, wissen die nicht direkt, was Sache ist. Wir wollen reflektieren, dass wir hier über religiös motivierte Milizen reden, recht wild zusammengewürfelte Einheiten und keine Elitesoldaten.“ Laut Neil Druckmann wird es deutlich mehr Klassen an Infizierten geben, die Zombies sind also auch wieder mit von der Partie. Diese lassen stellen nicht nur für uns eine Gefahr dar, sondern lassen sich wohl auch gegen andere Fraktionen einsetzen. „ Was mich beim Schreiben des Drehbuchs immer wieder gefesselt hat, ist die Frage, wie wir in dieser Lage reagieren würden? Würden wir töten, um zu überleben?“ Das ist eine moralische Frage, die wir immer wieder stellen.“ – Neil Druckmann, Creative Director

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Druckmann ist zudem bewusst, dass Naughty Dog mit The Last of Us Part 2 alle Tabus bricht, was Gewaltdarstellung angeht: „Es soll sich echt anfühlen, weil es nur dann ein Gefühl in dir erzeugt. Das kann durchaus Ekel sein, die Frage – warum tue ich das gerade? War das notwendig? Musste ich ihm die Kehle durchschneiden oder hätte ich vorbei schleichen können? Die Brutalität ist in der Geschichte verankert, Hass ist ein starker Antrieb für Ellie für gewisse Teile des Spiels. Und es ist mir wichtig, keine Geschichte einer Heldin zu erzählen, sondern eines Menschen, der menschlich handelt. Das kann man für falsch halten, aber aus ihrer Perspektive ist es nachvollziehbar. Es ist aber auch nachvollziehbar, warum andere Fraktionen sie jagen. Genau das ist es, was die Geschichte so unglaublich spannend und kraftvoll macht.“