Pfeilschnelle Langboote zischen durch die See, meterhohe Wellen peitschen sie voran. Eivor steht an der Reling, blickt gen Horizont und der Himmel wird verdunkelt von Pfeilen. Eine Szene wie in 300 eröffnet die Weltpremiere von Assassin’s Creed Valhalla, dem nächsten Mega-Epos von Ubisoft Montreal. Eivors Wikinger schützen sich hinter ihren Rundschilden, doch diese sind gemacht für das Duell – klein und handlich, sie schützen den Rumpf, nicht den kompletten Körper. Die brennenden Pfeile durchschlagen die Nordmänner, viele Leichen stürzen in die See. Doch Wikinger sind aus einem Holz geschnitzt, das sich nicht verbrennen lässt: Eivor lässt zum Angriff blasen, und seine Truppen preschen mit voller Wucht gegen die Armee King Alfreds.
Das fühlt sich schon sehr nach Vikings an, jener brillanten TV-Show von Amazon Prime. Der Trailer weist durch seine unterkühlten Farben dieselbe Tonalität auf. Wir erleben extreme Brutalität, bei der Männer im Sprint aufgespießt werden. „Es ist ein Wikinger-Spiel. Es braucht diese langen Bärte, breiten Muskeln und raue Brutalität“, bekräftigt Creative Director Ashraf Ismail im Rahmen der Weltpremiere des Launch-Titels für Xbox Series X und Playstation 5.
Waren die Wikinger ruchlose Schlachter ohne Herz und Strategie? Nein, deswegen bauen wir ein Dorf in Assassin’s Creed Valhalla

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Auch wenn Assassin’s Creed: Valhalla natürlich die raue Mentalität der Norweger und Dänen jener Zeit widerspiegeln wird, so zeigt der Trailer doch ein paar faszinierende Facetten, die vielen eventuell so noch nicht bewusst war: „Geschichte wurde oft von denen geschrieben, die der Schrift überhaupt fähig waren“, erklärt Darby McDevitt, Narrative Director, der zuletzt Assassin’s Creed: Black Flag und Origins geschrieben hat. „Viele Überlieferungen stammen vom Königreich der Anglo Saxons (germanische Einwanderer, die maßgeblich die britische Lebenskultur prägten und das Kingdom of England schufen – jenes Königreich England, aus dem letztlich auch die United Kingdoms entstanden sind. „Ihr König hasste die Wikinger, und er wollte, dass sein Volk Angst vor ihnen hat. Ergo beschrieben seine Autoren diese als besonders blutrünstig. Das deckt sich aber nicht mit archäologischen Erkenntnissen: Es ist zwar korrekt, dass die Nordmänner plünderten und raubten, sie hatten jedoch einen Ehrenkodex – Frauen und Kinder wurden generell nicht angefasst und waren zu schützen. Zivilisten nur getötet, wenn sie bewaffnete Gegenwehr leisteten.“ Wir sehen eine Szene, in der eine weinende Frau mit ihrem Kind auf der Schulter auf Eivor trifft, der sie von seinen Männern in Sicherheit leiten lässt.

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„Die Wikinger haben geraubt und getötet, sie waren sicherlich keine Heiligen. Nur muss man das im Kontext dieser Zeit sehen, in der im Krieg oft Dörfer gebrandschatzt und Zivilisten ermordet wurden.“ Zudem haben die Nordmänner viel Struktur geschaffen: Sie halfen Dörfern, sich zu entwickeln, bauten ihnen etwa Verteidigungsanlagen gegen Banditen und schützten sie. Die Wikinger waren anscheinend gar nicht so unähnlich zum Römischen Imperium, welches sich auch so erfolgreich ausbreiten konnte, weil die Römer viel taten, um Dörfer und Städte zu entwickeln. „Die Wikinger waren bekannt dafür, dass sie viel taten, um sich zu integrieren. Oft kamen sie in Dörfer, boten ihre Dienste an, durften dafür dort wohnen und ihre Kinder aufziehen. Sehr viele Städte des heutigen Englands, haben ihre Wurzeln in Dörfern, die die Wikinger mit aufgebaut haben.“ Daraus macht Ubisoft jetzt eine spannende Spielmechanik: So müssen wir unser Dorf aufbauen und zwar nicht nur zur militärischen Bastion, sondern ähnlich wie in einem Anno auch auf Nahrungsmittelversorgung achten, eine Schmiede errichten, Kornspeicher anlegen, Schlachter einsetzen etc. Noch möchte man auf die einzelnen Spielmechaniken nicht im Detail eingehen, der Creative Director bestätigt jedoch, dass unsere Dörfer richtige Gemeinschaften sind. Also nicht nur bewohnt von Kriegern, sondern Familien mit Kindern, aber auch Händlern, die ihre Ware feilbieten. Den Prolog spielen wir in Norwegen, erst danach geht’s dann zur großen Überfahrt und Invasion auf englisches Territorium 861 nach Christus.
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Was brauchen wir, um eine Siedlung bauen zu können? Nun, der Wikinger plündert ja gerne

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Anfangs griffen die Wikinger mit ihren extrem schnellen Langbooten lediglich Dörfer in Küstennähe an, um zu plündern, weil die Engländer viele Ressourcen und schöne Kleider hatten, die die Nordmänner und ihre Frauen auch gerne hätten. England machte es ihnen dabei verhältnismäßig einfach, denn wir reden hier über ein gigantisch großes Territorium, welches für die unterschiedlichen Königreiche schwer zu schützen war. Die englischen Armeen waren rein taktisch gesehen auf den klassischen Krieg und große Feldschlachten ausgelegt. Sie waren relativ behäbig und große Verbände, die von den Wikingern ständig völlig überraschend getroffen wurden. Denn diese kamen bei Nacht mit ihren Langbooten, rannten in die Dörfer, verbreiteten etwas Chaos, klauten was sie in die Finger kriegen konnten und ehe die Truppen aus benachbarten Festungen zur Hilfe eilen konnten, waren sie schon wieder weg. Wie die meisten Länder dieser Zeit, gab es zudem nur wenige große Städte – drei davon werden wir in Assassin’s Creed Valhalla besuchen, etwa London. Und hunderte Dörfer – man konnte gar nicht jedes einzelne beschützen. „Die Langboote waren die Ferraris ihrer Zeit. Sie waren extrem schnell und sehr schmal, was es den Wikingern erlaubte, auf Flüssen tief in englisches Territorium einzudringen, anzugreifen und auch genauso schnell wieder zu verschwinden“, erklärt der Creative Director. Natürlich macht Ubisoft das auch zur Spielmechanik – für diese sogenannten Raids bauen wir uns eine Mannschaft auf, die wir kosmetisch anpassen und mit unterschiedlichen Waffen ausstatten können. Diese Raids behalten wir zwar bei, die Nordmänner erkennen jedoch, dass es in England deutlich schöner ist als in Norwegen, die Gründe dafür soll auch die Geschichte beleuchten. Weshalb sie beginnen, Siedlungen zu bauen und diese zu befestigen. Das dürfte ein starkes narratives Element werden, schließlich entscheidet Eivor sich, sein Volk auf fremden Territorium anzusiedeln, welches ihre Heimat wird. Eine Heimat, die sie verteidigen müssen – als King Alfred, den wir übrigens schon in Total War Saga: Thrones of Britannia selbst gespielt haben, seine Armeen entsendet, kämpft man bis aufs Blut für dieses Stückchen Land. Auch weil in den Siedlungen nicht nur Krieger hausen, sondern Familien leben. Eivor muss diese mit seinen Männern und Frauen beschützen. Denn in diesem Bereich waren die Wikinger sehr viel fortschrittlich als der englische Adel: Auch Frauen durften kämpfen, anführen und herrschen. Deswegen gibt es wie in AC: Odyssey auch wieder die Wahl, eine weibliche Hauptfigur zu spielen.
Der Assassine kämpft mit zwei Äxten und Hidden Blade

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Es wird große Schlachten geben im Stil von Assassin’s Creed Odyssey. Dabei werfen wir Speere und Äxte und kämpfen je nach Belieben beidhändig: Entweder mit Schild und Axt, oder zwei Äxten rechts und links oder einer Breitaxt, die man breithändig führt. Generell möchte Ubisoft Montreal wieder mehr Action-Adventure abliefern, etwas weniger Rollenspiel – die recht nervigen Level, die in Odyssey über den Köpfen prangerten, etwa fallen weg. Auch gibt es keine linear ansteigenden Charakterstufen mehr, sondern der Ausgang eines Kampfes wird in erster Linie von unserer Waffe, unserem Skill und der Rüstung des Gegners entschieden – später werden wir zwar auch Wikinger-Rüstungen schmieden, die Nordmänner kämpften aber lange Zeit nur mit Lederröcken gegen die schwer gepanzerten englischen Ritter. Spannend wird zu sehen sein, wie Ubisoft es gelingt, die Assassin’s-Creeds-Saga in die Wikingerwelt einzubetten. Im ersten Material sehen wir bereits einen Assassinnen, der sich in einen Raben verwandelt, was Eivors Männer anstachelt – denn Odin, der Göttervater, entsandte seine Raben Hugin und Munin auf die Erdenwelt, um dort nach dem Rechten zu sehen. Das mythologische Element und die Götter bettete Assassin’s Creed: Odyssey ziemlich hervorragend ein, insofern sind wir hier guter Dinge.

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Fans der Serie erinnern sich vielleicht sogar noch an Assassin’s Creed Rogue, wo bereits von den Wikingern erstmals gesprochen wurde. Ob Eivor zum Orden der Assassinen gehört, wissen wir noch nicht. Eivor trägt allerdings bereits die versteckte Klinge, was ein spannender Hinweis darauf ist, dass wir hier durchaus einen Konflikt der Assassinen gegen die Templer erleben könnten. King Alfred könnte durchaus Mitglied der Templer sein, die ja in der Assassin’s-Creed-Saga immer dazu neigten, sich die höchsten politischen Ämter einzuverleiben respektive Verbündete in den Reihen der Mächtigen zu suchen. Assassin’s Creed Valhalla erscheint im Winter 2020 für Xbox Series X (Xbox One X), Playstation 5 (Playstation 4), Google Stadia und PC.
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