Blut klebt an den kahlen Stahlwänden. Ein lebloser Körper lehnt an einem Geländer, es ist nicht der erste und wird auch nicht der letzte sein im wohl härtesten Shooter, der uns 2020 erwartet. Er heißt GTFO – das steht für „Get The Fuck Out!“ Nicht die feine englische Ausdrucksweise, und doch verstehen wir schnell, wie man auf diesen Namen kam. Der Bauch der Leiche ist aufgeschlitzt, seine Eingeweide hängen heraus, und Sie haben einfach nur Schiss. Wie ein geisterhafter Schatten bildet sich ein langgezogener Kopf an einer Wand aus, Krallen fingern durch die Luft, und Sie haben noch ein bisschen mehr Angst. Immer wieder wollen wir gerade unsere Waffe durchladen, feuern, uns in überlegene Position bringen – doch der Feind lacht nur aus der Dunkelheit heraus und tötet uns.

©10 Chamber Collective
Sehr oft werden wir von der Jägerseite in die Opferrolle gedrängt. Rückzug ist hier keine Scham, sondern ein essentielles taktisches Mittel, denn ohne genaue Vorbereitung, taktische Analyse von Räumen und Etablieren von Verteidigungspositionen geht hier gar nichts. Das hat uns an GTFO am meisten begeistert, weil es zwar ein Koop-Shooter ist, aber atmosphärisch so dicht und gruselig wirkt wie das brillante Alien: Isolation von Sega und Creative Assembly, die eigentlich berühmt sind für Spiele wie A Total War Saga – Troy. Sogar The-Witcher-Star-Henry Cavill ist ein Mega-Fan der Total-War-Reihe. Genau dieses Horror-Element fehlte nämlich einem Spiel, das eigentlich in die gleiche Scherbe schlagen wollte: Evolve. Evolve war ein toller Shooter, hatte allerdings zu wenige Inhalte, eine merkwürdige DLC-Politik und war auch einfach ein bisschen zu sehr auf Action getrimmt. Es fehlte dieses wunderschöne Horror-Flair, was wir alle spätestens seit Ridley Scotts Alien-Reihe kennen und lieben.
Hands-On: Warframe Empyrean – Warframe goes Star Citizen „ Ihr werdet verdammt oft sterben. Und das ist auch gut so“
Hinter GTFO steckt ein sehr kleines Team, welches aber schon große Erfolge gefeiert hat: Creative Director Ulf Andersson schaut uns beim Hands-On über die Schulter, der bärtige Wikinger aus dem hohen Norden war vorher Lead Designer von Payday 2. Er weiß also genau, was einen guten Koop-Shooter ausmacht. „Koop-Shooter müssen ihrem Namen gerecht werden“, erklärt er. „Die meisten Spiele machen nur bedingt Spaß, wenn es nur darum geht, sich durch zu ballern. Payday erfordert viel Hirn, viel strategisches Geschick und diese Kern-DNA wollen wir auch ins Horror-Genre mit GTFO verpflanzen“. Was er damit meint: Payday ist ein Spiel, das einen großen Plan erfordert. Wenn der gelingt, fühlt sich das gut an. GTFO erfordert etwas mehr situatives Entscheiden, weil allerdings die Zombie-Aliens sehr stark sind, versuchen wir tendenziell eher, ihnen aus dem Weg zu gehen, sie zu umschleichen, ihnen mit Stealth-Taktiken in den Rücken zu fallen. In Minenschächten und Bunkeranlagen des Militärs, die wir zurückerobern sollen, ist es generell sehr düster, oft erhellen nur rote Signalanlagen den Raum. Daher bietet es sich an, mit Nahkampfattacken zu experimentieren: Mit dem Hammer müssen wir länger ausholen, töten aber auf dem ersten Schlag. Hands-On: gruselig, taktisch, einfach gut

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Hunderte Meter unter der Erde füllt ein nasser Nebel die Hallen eines verlassenen Industriekomplexes. Das Umschalten zwischen mehreren Taschenlampen ist nutzlos. Die Luft ist so dick, dass helles, gerichtetes Licht einfach im Nebel gestreut wird. Wir stolpern nahezu blind durch den Atombunker und seine Stollen. Dann flackert ein zweites Licht in der Nähe und ein drittes. Plötzlich sind überall um uns herum ominöse Klickgeräusche zu hören. Der erste Sleeper zeigt seine hässliche Fratze: Er sieht von den Füßen bis zu den Schultern vage menschlich aus, aber anstelle eines Kopfes gibt es einen schwarzen, knorrigen Wuchs, der an Vulkanstein erinnert. Das bernsteinfarbene Licht kommt von innerhalb dieser Kreatur und ändert immer wieder seine Form und Intensität, je nach Haltung des Weltraum-Zombies. Der Sleeper dreht sich um, schlingert auf uns zu, holt mit seinen mächtigen Pranken aus. Der Raum füllt sich mit Schüssen. Das Razer-Headset hallt vor Schreien. Sobald der Rauch verschwunden ist, liegen wir auf dem Boden. Ein gutes Dutzend Sleeper haben wir erledigt – die letzten Drei waren dann doch zu viel. Holla-die-Waldfee, ist dieses GTFO hart. Irgendwo zwischen Alien: Isolation und The Last of Us 2

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In der Welt von GTFO übernehmen die Spieler die Rolle von Gefangenen unter dem wachsamen Auge eines Meisters namens Warden. Der Aufseher schickt Gruppen von vier Gefangenen auf eine Reihe von Missionen, die miteinander verbunden sind und dezent an die Operations aus Battlefield 1 erinnern. In GTFO werden diese als Rundown bezeichnet, mit dem Ziel, wertvolle Artefakte in einem verlassenen unterirdischen Komplex zu lokalisieren und dann zu extrahieren. Im Weg stehen diese Sleeper, eine Kreuzung zwischen den pilzinfizierten Zombies in The Last of Us Part 2 und den tödlichen Witches in Left 4 Dead. Und ja, Sie ahnen es schon: Wir fühlen uns immer unterlegen, in jeder Situation.
Bestehen können wir nur, wenn wir ruhig bleiben, als Team funktionieren und wirklich strategisch vorgehen. Mit am wichtigsten ist es zu vermeiden, dass wir zu früh entdeckt werden, noch während wir in den Komplex eindringen. Je tiefer wir vorstoßen, desto mehr Raum haben wir – das Gelände nahe am Eingang ist eher schlauchartig und gibt wenig Deckung. Jenes danach arbeitet mit größeren Hallen, die mehrere taktische Möglichkeiten eröffnen. Zudem stehen uns einige interessante Waffen zur Verfügung: Für diese erste Mission wählen wir eine fast geräuschlose Nahkampfwaffe, einen massiven Hammer. Zudem arbeiten wir mit einem Sturmgewehr, ein leistungsstarkes, aber langsam nachladendes Maschinengewehr und dem Lauscher, mit dem wir klebrigen Schaum versprühen. Unsere anderen Teamkollegen haben ebenfalls ein vielseitiges Sortiment, darunter Bewegungsscanner im Stil von Alien: Isolation, automatische Selbstschussanlagen und vieles mehr.
Preview: Journey to the Savage Planet Kein Grind, sondern Taktik ist gefragt. Und DOS-Experten sind im Vorteil

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Andersson erklärt uns, dass wir all diese Waffen und Gadgets nicht erst freischalten müssen. Es gibt keinen Grind, der von den meisten Spielern verhasst, von der Industrie jedoch geliebt wird – schließlich lässt sich Grind mit Lootboxen und anderen kaufbaren Inhalten erträglicher machen, wodurch sich sehr viel Geld verdienen lässt. Eine Entscheidung halten wir jedoch für überdenkenswert: „Wir planen aktuell nicht mit Waffenmodifikationen“. Das finden wir wiederum schade, weil Spieler, die sehr viel Zeit in GTFO investieren, dafür ja durchaus auch belohnt werden sollten. Entwickler 10 Chamber Collective geht es deutlich mehr darum, dass wir als Team lernen zu harmonieren und viel experimentieren, um die beste Kombination aus Waffen und Werkzeugen für unsere Taktik zu finden. Jeder Rundown ist übrigens anders, zu Beginn erhalten wir jeweils ein Missionsziel. Etwa einen nummerierten Gegenstand im Inventar des Komplexes zu finden, wobei der erste Job darin besteht, erstmal den Standort zu lokalisieren. Nach dem unglücklichen Hinterhalt, bei dem beinahe unser komplettes Vier-Mann-Team draufgegangen wäre, sichern wir leise mit Nahkampfwaffen ein paar Räume, bevor wir auf ein Terminal stoßen. Tools – einschließlich Gesundheits- und Reparatur-Kits sowie unsere Quest-Ziele sind alle in einem fiktiven Betriebssystem in GTFO indiziert. Die Schweden haben ihr eigenes DOS-ähnliches System mit Befehlszeilen erstellt, die Sie dazu zwingt, einfache textbasierte Suchen in Echtzeit durchzuführen. Die korrekte Verwendung der Syntax unter Beschuss erhöht die Spannung. Sie können sogar jemandem über die Schulter schauen und beobachten, wie er im Spiel Befehle eingibt. DOS-Veteranen sind hier also im Vorteil. Türen entriegeln wie in Thief und klebriger Spaß Marke Prey

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Eine weitere Herausforderung besteht darin, sich einfach an der Umwelt zu orientieren. Das Lesen von Karten spielt dabei eine große Rolle, und 10 Chambers hat einfache Tools integriert, mit denen Spieler auf einer gemeinsam genutzten Karte Routen einzeichnen können. Der Wechsel von einer nummerierten Kammer zu einer anderen ist recht einfach, aber die mehrstufige Route scheint sich auf ungewöhnliche Weise zu drehen und zu verbinden. Wenn Sie lange genug leben, um das Ziel zu erreichen, müssen Sie natürlich auch den Weg zurückfinden. Das Entriegeln von Türen ist auch äußerst spannend inszeniert. Sobald sich diese öffnet, wird ein lauter Alarm ausgelöst, der die Sleeper von überall auf der Karte in Rage bringt und direkt zu uns führt. Schwierig daran: Wir können uns nicht beliebig verteilen, sondern müssen innerhalb des Bewegungsbereichs der Tür bleiben, damit ein biometrischer Scan stattfinden kann. Gerade ob der sehr raren Munition ist es verdammt herausfordernd, die immer wieder abladenden Wellen an Weltraumzombies zu überleben. Und wie schafft man das nun? Mit Köpfchen. Wir fangen an, mit dem klebrigen Schaum aus der Launcher-Waffe zu experimentieren. Damit lässt sich eine Tür an unserer linken Flanke verstärken. Zudem sorgt die klebrige Masse dafür, dass die Sleeper-Zombies sich langsamer auf uns zu bewegen und so leichtere Ziele abgeben. Das gibt uns genug Zeit, um uns auf die Feinde zu konzentrieren, die auf unserer exponierten rechten Flanke einströmen. Wir zitterten und hatten Schiss, aber wir siegten, und das war ein tolles Gefühl. Fazit
Ein hart erkämpfter Sieg schmeckt umso süßer. Und Boy, haben wir hart gekämpft in GTFO. Wer auf Koop-Shooter steht, die sich enorm taktisch spielen und mehr taktischer Experimentierkasten als Ballerbude sind, der ist hier genau richtig. Wir sind besonders beeindruckt von diesem Werk, weil es von einem winzigen Team mit weniger als 20 Mann stammt, aber trotzdem mehr Ideen verarbeitet als wir stellenweise in Triple-A-Games erleben. DOS-Kommandozeilen zu verwenden, ist eine krude Idee, aber eine brillante, weil wir teuflisch genau auf die Syntax achten müssen – und das unter dem Ansturm von Massen von Weltraum-Zombies. GTFO soll 2020 für PC und PS4 erscheinen. Wer bereits jetzt Lust hat, kann auch in den Early-Access auf Steam für 31,49 Euro starten.