Fester Händedruck, exzellent gekleidet, immer gut gelaunt, stets lachend, nie verlegen um einen Witz: So kennen wir Carlos “Ocelote“ Rodríguez, den CEO von G2 esports. Er war mal einer der Superstars in League of Legends, aber nur als Midlaner und Athlet unter Vertrag von SK Gaming von Sieg zu Sieg zu rennen, war ihm irgendwann zu wenig. Er wollte mehr, wollte Teams bauen, ein Imperium namens G2 esports. Rodríguez ist einer dieser Machertypen, die der eSports braucht, um groß zu werden wie die NBA in den USA, vielleicht sogar der Fußball in Europa. Und ja, das sind langfristige Projekte, wir reden hier eher über 20 als zehn Jahre. Doch das ist okay, Evolution braucht seine Zeit, und das versteht Carlos. Das US-Wirtschaftsmagazin Forbes hat G2 esports gerade auf einen Marktwert von 160 Millionen USD geschätzt – „mein Ziel ist es, die Milliarde zu knacken, egal wann, egal wie lange es dauert, egal, wie viel Kraft es kostet“. Carlos ist einer, der schon sehr früh das große Geld verdiente – er war 20, da hat der gebürtige Katalane und jetzt Wahl-Berliner die erste Million gemacht. Im eSports wird schon lange viel Geld verdient, aber die Branche ist weit entfernt vom Status einer NBA oder des Fußballs, was selbst seine Superstars erdet. Wo es für Fußball-Profis selbstverständlich ist, im Privatjet zu fliegen, setzt sich auch der CEO eines hunderte Millionen schweren eSports-Unternehmens noch in den Airbus A380 der Lufthansa gen Los Angeles. Rodríguez, ist kein Nerd, er ist einer der wenigen Akteure im eSports, der immer schicke Designer-Anzüge trägt, eine schöne Uhr, seinen legendären Schal, der schon zu Profitagen zu seinem Markenzeichen wurde. Er grinst, wenn er darüber redet, wie drastisch sich sein Leben verändert hat: „Es ist schon seltsam und manchmal muss ich mir die Augen reiben und frage mich: Okay, träume ich das, ist das Realität? Sind wir mit dem eSports wirklich schon so weit gekommen? Wenn ich heute in L.A. bin, dann bitten die Chefetagen von großen TV-Sendern und Manager Hollywoods um einen Termin. 2020 wird der Wahnsinn – es geht so viel hinter den Kulissen ab und werden Verträge geschlossen, nicht nur von uns, sondern allen großen Playern in der Branche, die zeigen, wie rasant sich das ganze Ökosystem entwickelt.“
“Phoenix”: Das Making-of zur offiziellen Hymne für die League of Legends Worlds 2019
„ Ich möchte andere Leute motivieren zu sagen: Fuck it, ich mache das einfach“
„Mein Motto war immer: „Nicht nur reden, machen. Ich habe so viele Leute kennengelernt mit geilen Ideen, die aber zurückhaltend sind. So im Sinne von „Ah, ich weiß nicht – könnte eine Nummer zu groß sein. Und sollen wir wirklich jetzt schon mit dem großen Triple-A-Partner verhandeln oder eine Nummer kleiner gehen? Ich sage dann immer: „Fuck it, mache es einfach. Es kann direkt funktionieren. Oder du musst härter arbeiten, mehr Gas geben und dann unterschreibst du den nächsten Mega-Deal. Man sagt ja so schön – „It’s not a sprint, it’s a marathon. Ich glaube eSports ist beides – es ist ein Sprint, weil du immer auf das nächste Turnier hinarbeitest: ESL One, The International, Intel Extreme Masters, die nächsten Worlds und da abliefern musst. Aber es ist auch ein Marathon, weil die besonders hochgesteckten Ziele oft ein bisschen mehr Zeit brauchen.“

©G2 esports
Er meint damit Vorgaben von Sponsoren und Partnern, schließlich entscheiden die größten Marken im eSports wie Mercedes-Benz, Audi & Co in der Regel nach der Größe des Media Values und damit dem Return of Investment, den ein Team anbieten kann. Der Media Value errechnet sich aus Interaktionen auf Social Media – wie viele Likes & Kommentare auf Instagram, Facebook und Twitter. Und wie viel schreibt die Presse über ein Team, inkludiert dabei optimalerweise die Markennamen, im Optimalfall gar ein Produkt aus dem aktuellen Portfolio – nicht umsonst stand der Mercedes-Benz EQC auf der Bühne der ESL One in Hamburg und designte Louis-Vuitton ein wunderschönes Case, welches sich per Fernbedienung öffnen ließ, um die Trophäe der Worlds 2019 zu beherbergen. Nach solchen Aktionen messen Marken, wie oft über sie geschrieben wird – nicht nur von Journalisten, sondern Gamern auf Social Media – Brand Loyalty nennt sich das. Der 20 jährige eSports-Fans wird nicht direkt eine Limousine für 60.000 Euro bestellen – aber in zehn Jahren und darauf setzen Konzerne.
Auch G2 eSports hat ein beeindruckendes Sponsoren-Line-Up: Red Bull, Logitech, AOC, Aorus, Twitch, Paysafecard und ganz neu – Mastercard. Sogar Banken mischen mittlerweile im großen Stil im eSports mit – Mastercard war neben Louis Vuitton Hauptsponsor der League of Legends Grand Finals Worlds 2019.
„ Ich habe dieses Team gebaut, um die Worlds zu gewinnen“

©G2 esports
Carlos Rodriguez gilt heute auch deshalb als eine der wichtigsten Figuren des eSports, weil er Europa wieder wettbewerbsfähig gemacht hat für League of Legends. Traditionell sind es SK Telecom T1, Samsung Galaxy, Invictus Gaming, die den vorgeben – LoL wird seit fast 2012 von asiatischen Teams dominiert – 2011 gewann mit Fnatic zuletzt ein westliches Squad die größte und wichtigste Trophäe des eSports. In der Tat hatte G2 einen fantastischen Lauf dieses Jahr: Die LEC Spring Playoffs – easy durchgerockt. Das 2019 Mid-Seasonal Invitational – gewonnen. Die Secret Sauce, die magische Zutat, was G2 eSports von so vielen Teams abhebt: Freiheit. Freiheit für seine Stars zu sagen, was immer sie denken. Carlos war schon als Spieler nicht auf den Mund gefallen, als CEO spricht er Tacheles und erlaubt das auch seinen Spielern. Wo auf Pressekonferenzen vieler Teams eher eine Art PR-Sprech vorherrscht und die Athleten sehr vorsichtig sind in ihren Aussagen, sind Jankos oder Perkz Macher – die auch mal das eigene Team kritisieren, aber vor allem einen Herrschaftsanspruch haben und damit meisterlich spielen, wie dieses Video hier zeigt:
Du wirst nie gut genug sein. Du wirst nie Geld verdienen mit Videospielen Du wirst nie einen Spot in der LCS kriegen Du wirst dein Team nie in die Playoffs kriegen. Und selbst wenn dir das gelingt, wirst du keine Trophäe gewinnen … Du wirst nie in der Lage sein, ein Team zu führen Du wirst nie Turniere gewinnen und dabei Spaß haben Du wirst nie der Beste sein. Und du wirst nie die Worlds gewinnen. Watch. Me. Brillantes Marketing, weil es stimmt: Viele glaubten nicht an G2 eSports und das Team, welches mittlerweile sogar in Deutschland, im Herzen Berlins, residiert, rockte alles, was es zu rocken gibt. Sie haben geschafft, wovon kaum einer zu träumen wagte: G2 esports hat SK Telecom T1, das beste LoL-Team der Welt, vernichtet und Faker entthront. Niemand hat geglaubt, dass im Finale der Worlds je wieder ein europäisches Team stehen würde.
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Und ja, bei den Worlds 2019 in Paris musste sich G2 eSports unglücklich geschlagen geben – nach einem harten Fight siegten die Chinesen von FunPlus Phoenix und nahmen den gigantischen Check von 1 Million US-Dollar mit nach Hause. Das war hart, auch für Carlos, doch auch hier zeigte er, was für ein Manager er ist – er ging selbst auf die Bühne, den Tränen nahe. „Es gibt nur zwei Dinge, die auf so einem Turnier passieren können: Du kannst gewinnen oder du kannst lernen. Das ist meine Philosophie.“ Er sagt das nicht nur, er lebt das: Nur wenige Tage nach dem Grand Final nahm er ein Video auf für den G2-eSports-Youtube-Channel und machte klar: „Wir kommen wieder, das ist nicht das Ende. Er ist der Anfang.“
Hier ist der eSports dann doch gar nicht so weit entfernt vom Fußball: Wir alle erinnern uns daran, wie oft Jürgen Klopp seine Finger bereits dran hatte, am Pokal der Champions League. Mit Borussia Dortmund, mit dem FC Liverpool – jetzt klappte es. Und wir müssen ja nur ein Jahr warten, bis die europäischen Könige von League of Legends die nächste Chance haben, die Worlds zu gewinnen. Wir werden dabei sein.