Der junge Wilde wurde er genannt. „Wer ist dieser Typ“ fragten 2003 beim Großen Preis von Ungarn alle Formel-1-Experten. Zwei Monate zuvor war Fernando Alonso sein erstes richtiges Rennen gefahren, vorher war er nur Testfahrer für die Großen von Renault. Doch an diesem Schicksalstag bekam seine Karriere Flügel: Er umrundete den unschlagbaren Michael Schumacher – „Demütigung einer Legende“ titelte damals die Sportpresse.
Wenn man ihn heute fragt, wie er damals dem Druck standhielt und sich zur Weltspitze aufschwingen konnte, dann sagt er: „Ich hatte viele Konkurrenten, aber nie Feinde. Ich habe die Formel 1 nie persönlich werden lassen und hatte immer großen Respekt vor allen anderen Fahrern. Ansonsten helfen Disziplin, gute Ernährung, viel, viel Schlaf, 1000prozentiger Fokus im Rennen, aber vor allem auch Spaß an der Aufgabe.“
In Erinnerung bleiben wird er seinen Fans aber auch als der Scherzkeks vom Dienst: Er fotografierte Lewis Hamilton auf einer Pressekonferenz und sagte „Bitte einmal lächeln. Muss doch Mama zeigen, wen ich heute überholt habe.“ Da muss auch Hamilton grinsen. „Hamilton und ich waren harte Konkurrenten, aber letztlich auch Best-Buddies. Wir haben viel Unsinn zusammengetrieben, waren oft auf Social Media unterwegs, haben uns gegenseitig Streiche gespielt. Du kannst dir auf der Strecke keinen Millimeter gönnen und trotzdem Freunde sein.“
Laut Alonso sei dieser Spaß-Gedanke wichtiger, als man vielleicht denken könnte. „Du hast vor einem Rennen diesen extremen Druck in der Luft und ich habe immer versucht den rauszulassen. Ein kleiner Gag, eine Umarmung für deine Boxen-Crew – das wirkt manchmal Wunder.“ Ob er solche Tipps wohl auch an G2 eSports respektive FA Racing Logitech G weitergeben wird? Denn deren Racing-Team verhilft er seit einiger Zeit als Coach, Mentor und Manager.
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Alonso hat noch immer Benzin im Blut – im echten Leben und virtuell
„Was viele nicht wissen: Wir verbringen extrem viel Zeit im Simulator, mehr als auf der eigentlichen Strecke. Wir sprechen hier schon von Hightech-Geräten, die mit Hydraulik und vielen speziellen Features, über die ich auch heute noch nicht reden darf, das Fahren eines Formel-1-Autos so realistisch wie möglich nachstellen.“
Was er damit meint, ist das Formel-1-Teams in ihren Simulatoren Werkstoffe testen können, die das Gewicht weiter reduzieren und Extremfälle üben, die sich im normalen Training schwer herbeirufen lassen – etwa ein platzender Reifen. Unvergessen sind ja die Momente, wo es Alonso auch auf der Funken sprühenden Felge noch in die Box schaffte.
Und auch wenn das Gerät ein anderes ist, als Sie zu Hause haben, so nutzen die Simulatoren der Formel-1-Teams doch ganz ähnliche Technologie wie ein Gran Turismo Sport oder F1 2019: Laserscans etwa, um wirklich jede Rille, jede noch so kleine Abweichung der Strecke zu 100 Prozent einzufangen. „Es geht um Hundertsel und Tausendstel. Wir fahren die Autos über gut 300 Kilometer auf Anschlag, und dafür trainieren wir extrem hart im Simulator.“
Alonso kann noch heute jede Kurve, jeden Bremspunkt aller Strecken aufsagen, weil sie sich in sein Hirn gebrannt haben. „Du musst auf der Strecke funktionieren – Bremspunkte müssen im Muskel einprogrammiert sein, damit du Hirn-Kapazität hast, um bei über 200 km/h noch strategisch denken zu können. Das Überholen mag leicht aussehen, aber es erfordert exakte Berechnung im Kopf – ich muss wissen, in welchem Winkel ich angreifen muss und welchen Radius ich brauche, um meinen Gegner nicht zu tuschieren.“
Das ist eines dieser großen Learnings, die Alonso seinem neuen eSports-Team von G2 eSports mitgeben möchte. Denn in der realen wie virtuellen Formel 1 gilt: „Jedes Überholmanöver ist ein Risiko, das dich dein Auto kosten kann. Und das ist schon den Besten passiert (er lacht).“ „ Ich möchte nicht nur ein Testimonial sein, irgendein halbwegs berühmter Typ. Sondern aktiv als Mentor das eSports-Team unterstützen und natürlich viel aus dem eSports lernen“
Man kann wohl sagen, dass ein zweifacher Weltmeister nach seiner Karriere viele Türen hat, die er öffnen könnte: Als TV-Experte etwa, als Coach eines Formel-1-Teams. Doch Alonso hat zwei besondere Gründe, warum eSports gerade eines seiner wichtigsten Babys ist.
„Es ist überall in den Nachrichten, im TV, in Zeitungen. Es werden diese gigantischen Zahlen auf Twitch erreicht. Ich mag Gaming, habe damit immer schon recht viel Zeit verbracht im Privaten. Racing im eSports war neu für mich, ich muss mich hier auch erstmal reinfinden. Aber genau das möchte ich machen nach meinem aktiven Karriereende in der Formel 1: Ich muss mich, glaube ich, der Welt nicht mehr beweisen – auch wenn ich die Indy 500 schon nochmal gewinnen will (er lacht). Aber wenn junge Leute von meinem Wissen profitieren können, ist das toll.“
Außerdem sei jeder Formel-1-Pilot auch irgendwie Gamer – „manche sogar richtig intensiv. Ich genieße es, junge Fahrer wie Max Verstappen oder Lando Norris, der ja jetzt bei McLaren meinen Platz eingenommen hat, auf Twitch zu verfolgen.“ Generell erinnert der eSports in seiner Gesamtheit Alonso an seine eigene Kindheit:
„Ich werde nie den Tag vergessen, als mein Papa ein Kart gebaut hat. Das war eigentlich für meine ältere Schwester – sie war acht, ich erst drei. Aber sie war daran nicht so wirklich interessiert, ich hingegen saß permanent drin. So ähnlich war es auch bei vielen Gamern. Sie erzählen mir davon, wie ihnen ihr Papa die ersten Spiele gezeigt und so ihre Passion geweckt hat. So ging es mir mit dem Motorsport. Erst im ganz Kleinen, ich wurde ein paar Mal Junior-Meister. Irgendwann mit 18 dann die Formel 3000.“
Das sei ja im eSports nicht so anders, wo man sich erst für die Online-Ladder qualifizierte, sich schließlich einem Team oder Clan anschließen würde und dann geht’s los – „Erst die kleinen Ziele, dann die großen. Ein Team muss viel Vertrauen in dich haben und aufbauen, ehe sie dich in ein sündhaft teures Formel-1-Auto setzen. Flavio hatte damals dieses Vertrauen, dafür bin ich ihm noch heute dankbar (Anm. d. Red.: Er meint Flavio Briatore, der ihm sein erstes Stamm-Cockpit bei Minardi verschaffte).
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©FA Racing Logitech G
FA Racing Logitech G – sperriger Name, starkes Konzept. Als Hauptsponsor fungiert Logitech, die mit dem Logitech G920 eines der hochwertigsten Force-Feedback-Lenkräder im Angebot haben. Es geht preislich noch etwas höher, aber gerade zum guten Preis ist das hier eines der wenigen Angebote mit echten, eloxierten Aluminium-Pedalen. Damit ist das Equipment klar, auch bei den Headsets werden Logitechs verwendet – das Pro X, welches ein sehr gutes Mikrofon verwendet zur Team-Kommunikation. Soweit, so üblich im eSports.
Spannend ist allerdings, dass Alonsos Team in der Tat aus vielen Racern besteht, die einen Hintergrund im realen Motorsport haben. Darunter eine Lady namens Jamie Chadwick, Champion der Formel-3-Weltmeisterschaft. Mit gerade mal 20 Jahren hat sie bereits einen ganzen Schrank voller Trophäen: F3, MRF Series Champion und Siegerin der W-Series.
Auch andere Athleten kommen aus dem realen Motorsport, während rund 70 Prozent reine eSports-Gamer sind. Alonso erklärt diese Entscheidung damit, dass er ja auch Gamer sei, aber schon glaubt, dass es leichter ist, ein Fahrzeug virtuell zu meistern, das man bereits real gefahren ist.
Zudem interessant: Das Team ist nicht auf ein Spiel fokussiert, sondern tritt in allen großen Racing-Disziplinen an: Project Cars 2, iRacing, Dirt Rallye 2.0, R2 und Gran Turismo Sport. Vielleicht ja auch bald in Codemasters brandneuem GRID, denn hier fungierte Fernando Alonso als Berater für Fahrphysik, Balance und K.I.
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©Codemasters
Seine Arbeit für G2 eSports hat Fernando Alonso tief in die Racing-Game-Szene einsteigen lassen, was ihn letztlich beflügelte, an seinem eigenen Rennspiel zu arbeiten: GRID, welches von Codemasters kommt, den Rennspiel-Gurus aus England, denen wir bereits GRID: Autosport, Dirt Rally 2.0, Dirt 4 und die letzten offiziellen F1-Spiele zu verdanken haben, wurde in enger Zusammenarbeit mit dem zweifachen Formel-1-Weltmeister und vierfachen Vize-Meister entwickelt.
„Ich habe sicherlich versucht, ein bisschen Feuer reinzubringen, diesen Ritt auf Messers Schneide – das war mir wichtig. Das sich die Duelle richtig hitzig anfühlen“, erzählt er in einem Interview mit den Kollegen von tz.de.
Zudem hat er stark an über 400 Fahrern und deren K.I-Qualitäten gearbeitet: „Es sind 400 unterschiedliche Persönlichkeiten mit unterschiedlichen – manche sind extrem gut darin, den perfekten Bremspunkt zu setzen. Andere im Überholen, wieder andere beim Start.“
Wie passend, schließlich dürfte uns Fernando Alonso vor allem für seine kongenialen Starts in Monaco und auf vielen, vielen anderen Strecken im Gedächtnis bleiben.