Schwerer Regen ergießt sich über diesen düsteren Planeten namens Bracca. Blitze durchschneiden die Nacht in den ersten Spielszenen von Star Wars: Jedi Fallen Order. Jenem neuen Singleplayer-Action-Titel im Star-Wars-Universum, aus der Feder Respawn Entertainments. Was spannend ist, denn dieses Team aus L.A. setzt sich aus Veteranen zusammen, die an zwei der besten Shooter der letzten zehn Jahre gearbeitet haben: Call of Duty: Modern Warfare und Titanfall. Dass deren Autoren erzählen und inszenieren können, zeigt sich dann auch gleich: Die Musik, stark angelehnt an das weltberühmte Leitmotiv John Williams‘. Die Story-Sequenzen beginnen stets ruhig und überlegt, nicht hektisch und hastig, wie wir das aus vielen Spielen dieses Genres kennen. Als Protagonist Cal Kestis sehen wir im Intro zu, wie ein Sternenzerstörer der Venator-Klasse von robotischen Greifarmen und anderen Raumgleitern förmlich auseinandergerissen wird. Der einstige Stolz der Republik.
Das ist hart für Cal, denn er ist ein Jedi, der hier nur zur Tarnung in der Werft arbeitet. Star Wars: Jedi Fallen Order spielt nicht zur Zeit der Regentschaft der Jedi. Sondern nach der berühmt, berüchtigten Order 66 – Kanzler Palpatine befahl seinen Klonsoldaten, die Jedi zu vernichten, die noch wenige Minuten vor ihrem Tod als Generäle die Klon-Truppen in die Schlacht geführt hatten. Jedi Fallen Order bewegt sich innerhalb des offiziellen Star-Wars-Kanons, was die Einführung neuer Charaktere begünstigt. Darunter ein herrlich sarkastischer Alien-Pilot, der quasi den neuen Han Solo portraitieren soll – nur eben mit rüssliger Nase, schuppiger Haut und mehr wie ein Nasenbär aussehend denn Mensch. Sowie die Rückkehr alter Fan-Lieblinge wie Saw Gerrera aus Star Wars: Rogue One, der nicht nur Forest Whitaker wie aus dem Gesicht geschnitten ähnlich aussieht – ein 3D-Gesichtsscan macht es möglich. Sondern auch von ihm gespielt wird. Oh, und dann ist da noch BD-1 – „Buddy Droid 1“, der ähnlich knuffig rüberkommt, wie BB-8.
Star Wars IX: Neue Szenen mit Darth-Vader-Röcheln
Der Buddy-Droide: so knuffig und aufgeregt wie BB-8

©EA
Was Star Wars: Jedi Fallen Order besonders spannend macht, ist das wir nicht etwa einen mächtigen Jedi spielen, sondern einen Padawan in Ausbildung. Cal muss erst lernen, mit dem Lichtschwert umzugehen, die Macht zu nutzen. Nicht selten liegt deshalb das Heil in der Flucht, denn Elite-Inquisitoren und deren Purge Trooper sind ihm mitunter durchaus überlegen. Purge Trooper sind harte Hunde – echte Elite-Soldaten, die mit Schubdüsen arbeiten, ähnlich wie Robert Downey Jr. alias Iron Man. Es sind Einheiten, trainiert darauf, jegliche Jedi-Magie zu kontern.
Kein Problem hat er mit Stromtroopern, die auch in diesem Spiel die Rolle des Kanonenfutters übernehmen. Diese Jungs werden speziell ausgebildet, grundsätzlich daneben zu schießen und wie jeder andere Jedi zuvor, benutzen Sie diese Einheiten in erster Linie als Trainingsobjekt – wie einen Tennisball schleudert Cal die Soldaten durch die Luft. Sollten sie ihn doch mal treffen, wehrt er ihre Blaster-Schüsse mit dem Lichtschwert ab – machen Sie das besonders geschickt, zischen die Salven zurück zum Ursprungspunkt und hauen die Sturmtruppler aus den glänzend weißen Stiefeln.

©EA
Süß: Der kleine Droide namens BD-1 duckt sich, wenn der Feind schießt und applaudiert, nach getaner Arbeit mit freudigem Piepen. Generell ist der knuffige kleine Kerl schon jetzt unser Liebling: Er besteht aus einem rechteckigen Körper, hat die Beine eines Mini-AT-ST und neugierige LED-Glupschaugen, mit denen er zoomt wie ein wandelndes Smartphone, welches aufgeregt vor sich hin piepst.
Richtig gut gefällt uns generell, wie Respawn Entertainment die Stärken der drei Star-Wars-Trilogien miteinander verknüpft und uns in Szenen wirft, die sich vertraut anfühlen, aber wir so noch nie erlebt haben. Etwa auf Kashyyyk, jenem Wookie-Planeten, wo das Imperium die Wollknäuel-Bären als Sklaven zwingt, in ihren Minen zu schuften. Es patrouillieren hier unter anderem auch riesige AT-ATs, die sich mit ihren mächtigen Füßen durch den Sumpf kämpfen und dabei allerlei Lianen und anderes Gestrüpp mitreißen. Eine gute Gelegenheit für Cal, sich an einer Liane festzuklammern und langsam dieses Ungetüm hochzuklettern. BD-1 guckt dabei immer wieder nach unten – Höhen mag er nicht so gerne.
Das hier ist übrigens die erste Gelegenheit, einmal innerhalb eines AT-ATs zu kämpfen – in einer Ladebucht stehen Speederbike-Einheiten zum Start bereit, die werden gleich mal kaltgestellt. Anschließend übernimmt der Jedi in Ausbildung das Cockpit – er schlägt einfach die Köpfe der beiden Piloten zusammen, die sinken in sich zusammen und halten Schönheitsschlaf.
Lesetipp: Alle Star-Wars-Filme samt Reihenfolge im Überblick
Wie funktioniert der Lichtschwertkampf, und wie linear ist dieses Spiel?

Jetzt kann die Unreal Engine 4 ihre Muskeln spielen lassen: Eine komplette Basis des Imperiums will in Schutt und Asche geschossen werden, mächtige Explosionen und schick animierte, volumetrische Rauschwaden inklusive. Ein jähes Ende setzt unserem AT-AT-Ausflug jedoch ein X-Wing, der sich wohl aus purer Verzweiflung auf uns stürzt – die gute, alte Rebellen-Methode auf die weniger elegante Art. Der AT-AT bricht zusammen, unsere Protagonisten werden aus dem Cockpit geschleudert – BD-1 piepst vergnügt, „Nein, wir machen das nicht nochmal“, antwortet ihm Cal. Schließlich will ein ganzes Level erkundet, Mechaniken geknackt und der Lichtschwertkampf perfektioniert werden.
Spezialeinheiten kämpfen mit den gleichen Energiestäben, die wir schon aus J.J. Abrams großartigem Star Wars: The Force Awakens kennen. Hier ist es wichtig, das richtige Momentum zu erwischen, welches Sie an Hand mehrerer Meter messen können: Es gibt zum einen das Defensiv-Meter – geht es gen Null, ist der Feind zum Kill freigegeben. Und ein Timing-Meter beim Parieren: Erwischen Sie den perfekten Moment, können Sie eine Parade in einen Konter verwandeln.
Unser Jedi kann während dieses Kampftanzes auch seine Macht einsetzen – etwa den Push, um einen gut getimten Angriff eines Purge Trooper zu unterbrechen. Purge Trooper verfügen über Jetpacks und Schubdüsen an den Schuhen, lassen sich also nicht wie ein 0815-Stormtrooper abservieren.

©EA
Stattdessen verwandeln Purge Trooper solche Angriffe der Macht in eine eigene Attacke: Ziehen Sie diese an sich heran, beschleunigen sie den Flug via Jetpack, crashen frontal in Cal rein und versuchen, ihn sogleich zu überwältigen. Generell ist dieses Spiel durchaus fordernd, weil die Soldaten sich gut organisieren: Einheiten mit Energie-Battons blocken Cals Angriffe, während sich etwa Minigun-Truppen stationieren und deutlich mehr Feuerkraft ins Feld bringen.
Die größte Überraschung dürfte jedoch sein, dass Star Wars: Jedi Fallen Order gar nicht so linear ist, wie man denken könnte. Respawn hat sich recht stark von Metroid Prime inspirieren lassen. Die Levels stecken voller Geheimnisse – es gilt, Schätze zu bergen und Energiequellen für neue Macht-Kräfte freizuschalten. Dafür ist BD-1 enorm wichtig: Der kleine Droide projiziert eine 3D-Karte direkt ins Spiel, die zumindest die Richtung anzeigt – das Spiel ist aber darauf ausgelegt, dass man durchaus ein bisschen suchen muss. Wo andere Werke mit dicken Pfeilen anzeigen, wo es langgeht, möchte Respawn unseren Entdeckergeist wecken. Faszinierend, gerade weil große Schätze auch von massigen Mutantentieren bewacht werden: Auf Kashyyyk leben nicht nur wuschlige Wookies, sondern die Wyyyyschokk – dicke Monsterspinnen, die versuchen, Cal mit Netzen einzuwickeln, zu vergiften und aufzustacheln. Und noch deutlich, deutlich größere Bosse. Erinnern Sie sich an den Brain-Bug aus Starship Troopers? Yep, über diese Größe reden wir.

©EA
Fazit
Es ist schon skurril – für das ganz gute, aber nicht fantastische Battlefront 2 hat EA Welten in Bewegung gesetzt, Previews, Alphas und Betas rausgefeuert, als gebe es kein Morgen. Und dieses Star Wars: Jedi Fallen Order, welches Witz, Charme, gute Ideen sowie spannende Gameplay-Mechaniken hat und viele neue Figuren in das Star-Wars-Universum einführt, fliegt weitestgehend unter dem Radar. Wird Zeit, seine Marketing-Truppen zu entsenden, denn die Konkurrenz schläft nicht: Call of Duty: Modern Warfare legt dieses Jahr seinen Fokus voll auf die Kampagne und dann ist da ja noch ein einsamer Reiter mit seiner Gang – in Red Dead Redemption 2, welches ab dem 05. November auf PC das Lasso schwingt.
Star Wars: Jedi Fallen Order erscheint am 15. November 2019 für PC, Xbox One Xbox One X und PS4/PS4 Pro.
Lust auf mehr gute Singleplayer-Action? Hier geht’s zum Making-of von Call of Duty: Modern Warfare .
Und hier zum Hands-On-Preview von Doom Eternal .