Auf der IAA 2019 hat Volkswagen sein erstes komplett neu entwickeltes Elektro-Auto ID.3 mit dem neuen Modularen E-Antriebs-Baukasten (MEB) vorgestellt. Wir saßen schon drin. Sie müssen einen Funk-Schlüssel bei sich tragen, wenn Sie den ID.3 fahren wollen. Der Schlüssel im gewohnten Funkschlüssel-Design öffnet kontaktlos den Wagen (per Smartphone-App wie beispielsweise bei Tesla geht das noch nicht). Dann nehmen Sie auf den durchaus bequemen Sitzen Platz und legen „D“ in der Automatik ein – den Hebel dafür finden Sie vor sich rechts vom Cockpit-Display. Und schon können Sie losfahren, die Handbremse löst sich automatisch. Der Losfahr-Vorgang läuft also genauso unkompliziert wie in einem Tesla Model 3 ab.

Die Innengestaltung ist freundlich, farbig und durchaus peppig. Die Oberflächen-Materialien machen einen soliden Eindruck. Das Platzangebot ist im 4,26 Meter langen ID.3 ebenfalls gut (VW nennt das Prinzip “Open Space” ), auch auf den Rücksitzen sollten selbst groß gewachsene Personen ausreichend Platz finden. Das macht vor allem der lange Radstand möglich. Vorn sorgen zusätzlich die weit nach vorn gerückte Windschutzscheibe und eine vergleichsweise niedrige Mittelkonsole für angenehmes Raumgefühl. In der Mittelkonsole sind etliche Ablagen vorhanden und ein Ladeschacht zum kontaktlosen Aufladen des Smartphones. Der Kofferraum im Heck reicht ebenfalls für normal dimensioniertes Gepäck oder einen größeren Wochenendeinkauf.

Das sogenannte ID.Light soll dem Fahrer Orientierung geben. Dabei handelt es sich um einen LED-Streifen vorne unterhalb der Windschutzscheibe. Er leuchtet zum Beispiel grün, wenn ein Anruf auf dem gekoppelten Smartphone eingeht. Bei der Navigation leuchtet die Seite des ID.Lights auf, in die der Fahrer abbiegen soll. Und bei einem Notfall, beispielsweise der Aufforderung. sofort zu bremsen, leuchtet das LED-Band rot auf.

Vor dem Fahrer befindet sich ein Head-up-Display (HUD), das wie gehabt die wichtigsten Fahrdaten anzeigt. Zusätzlich hat VW darin eine AR-Navigation integriert: Abbiege-Pfeile werden also über das HUD so in das Sichtfeld des Fahrers eingeblendet, dass das für den Fahrer so aussieht, als ob die Pfeile sich vor ihm auf der Straße befinden würden. Auf dem 10-Zoll-Touchscreen vor der Mitte des Armaturenbretts läuft parallel dazu die Navigationskarte, allerdings ohne AR-Einblendungen (wie man sie beispielsweise vom MBUX in der A-Klasse kennt).

Einige der reichlich vorhandenen Lenkradtasten im Multifunktions-Lenkrad werden zwar beim Wischen etwas anders bedient als im Golf, doch die Verwandtschaft zu den bisherigen Multifunktions-Lenkrädern ist offensichtlich. VW will hier für seine Stammkunden keine zu großen Hürden aufbauen. Das gilt auch für die links am Armaturenbrett angebrachten Bedienelemente für Licht, Heckscheibenheizung und Windschutzscheiben-Defroster. VW verzichtet also anders als Tesla im Model 3 nicht auf klassische Bedienelemente für den Fahrer. Das Armaturenbrett und Bedienkonzept des ID.3 macht somit zwar einen angenehm aufgeräumten Eindruck, ist aber nicht annähernd so entschlackt wie beim Tesla Model 3.

©VW
Der Fahrer blickt auf zwei Bildschirme: auf das Cockpit-Display mit drei wechselbaren Ansichten beispielsweise für die gefahrene Geschwindigkeit und die Reichweite oder die aktivierten Fahrerassistenten wie Spurhalteassistent und auf den vor der Mitte des Armaturenbretts stehenden 10-Zoll-Touchscreen mit dem Infotainmentsystem. 10 Zoll sind heutzutage keine ungewöhnliche Größe mehr in PKWs. Die Größe ist okay und fügt sich gut in das Gesamtambiente des ID.3 ein, doch einen Haben-wollen-Effekt wie bei Tesla-Fahrzeugen ruft der Bildschirm nicht hervor. Immerhin scheint das Display auf Fingerdruck und -wisch schnell zu reagieren und sich gut ablesen zu lassen. Unterhalb des Touchscreens hat VW physische Bedienelemente für Heizung und Klimaanlage angebracht. Die Insassen müssen also nicht alles per Touch bedienen und auch nicht für eine simple Änderung der Heiztemperatur durch Bildschirmmenüs scrollen.

©VW
Die Anordnung der Menüs und Unterseiten ist konventionell, so gibt es komplette Bildschirmseiten zum Beispiel für Navigation oder Telefonie. App-Connect zum Einbinden von Carplay und Android Auto ist vorhanden, funktionierte in unserem Ausstellungsfahrzeug aber noch nicht. Laut der Pressestelle von VW soll der ID.3 Carplay und Android Auto serienmäßig wireless unterstützen. Zusätzlich zu den oben beschriebenen klassischen Bedienelementen und dem Touchscreen gibt es auch eine Sprachsteuerung, die auf den Startbefehl „Hallo ID“ hört.“ Hier zeigt sich VW also nicht sonderlich einfallsreich, sondern orientiert sich einfach an den bekannten Konkurrenten „Hey Mercedes“ beim MBUX von Daimler und „Hey BMW“ beim BMW Intelligent Personal Assistant. Nette Spielereien: Wenn man sich dem ID.3 nähert, bewegt er die Scheinwerfer. Und beim Ein- und Aussteigen ertönt ein leiser Sound.

Fazit: Man sitzt gerne im ID.3, er gefällt auf Anhieb, wirkt freundlich und frisch. Die an vielen Stellen konventionelle Anordnung der Bedienelemente beziehungsweise das von Golf & Co. bereits bekannte Bedienkonzept soll Autofahrern, die von einem Fahrzeug mit Verbrennungsmotor kommen, den Um- beziehungsweise Einstieg erleichtern. Wer bisher einen Golf fahren konnte, kommt auch mit dem ID.3 problemlos zurecht. Volkswagen will mit dem ID.3 also nicht nur die Generation Smartphone anlocken, sondern auch ältere Stammkunden, die bisher Golf oder Polo oder einen Benziner/Diesel eines anderen Automobilherstellers gefahren sind. Das könnte durchaus gelingen, zumal der ID.3 aufgrund seines Hinterradantriebs und des ebenfalls im Heck untergebrachten Elektromotors im Winter eine gute Traktion auf Eis und Schnee und ganzjährig einen engen Wendekreis versprechen dürfte. Schon der VW Käfer war mit seiner Kombination aus Heckantrieb und Heckmotor ein bewährtes Winterfahrzeug in einer Zeit, als es außer einigen wenigen echten Geländewagen noch keinen Allradantrieb in PKWs gab. Und die wie bei Tesla oder beim BMW i3 im Fahrzeugboden verbaute Batterie sorgt für gute Straßenlage dank tiefem Schwerpunkt.
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