Google Stadia ist ein enorm spannendes Konzept. Cyberpunk 2077 spielen, ohne Konsole, ohne PC. Ghost Recon: Breakpoint, Doom Eternal, Borderland 3 – einfach aufs Köpfchen drücken, keine Installation notwendig, keine Updates. Die Games laufen auf einem Google-Server, es wird nichts heruntergeladen. Einfach auf „Start“ drücken, los geht’s. Das geht wirklich ziemlich flott, so um die zehn Sekunden dauert der erste Launch bei unserem Hands-On-Test mit Stadia-Controller in der Hand und Doom Eternal auf dem Screen, die Zielsetzung liegt bei fünf Sekunden.
Und es ist smart gedacht: Wie oft haben wir in Call of Duty oder PUBG Probleme mit Aimbots. Gefühlt gibt es immer irgendeinen Horst, der sich einen Vorteil ercheaten will. Dafür müsste man bei Stadia schon Googles Server hacken, denn nur dort liegen die Konfigurationsdaten für jeden Titel. Und ja, natürlich dürfen PC-Spieler auch mit Maus-Tastatur-Kombi ran, während Konsoleros sich zwischen Xbox-One-Gamepad und DualShock-Controller für die Playstation entscheiden können.

Google will ganz offensichtlich ein offenes Ökosystem bauen, was lobenswert ist. Denn das ist die eigentliche Idee von Stadia: spielen, wo auch immer Sie sind. Und genau deswegen könnte dieses System auch für echte Gamer interessant werden. Sie haben mit hoher Wahrscheinlichkeit einen dicken Gaming-PC im Büro stehen, aber wie sieht’s mit dem Schlafzimmer aus? Oder der Garage? Und wäre es nicht cool, auf dem Tablet im Garten auf der Sonnenliege eine Runde zu daddeln? Das funktioniert übrigens ziemlich einfach: Stadia erkannt automatisch, welche Geräte mit ihrem WLAN verbunden sind, und Sie können diese auf dem Controller durchschalten. Und die Anforderungen sind erstaunlich niedrig: 20 MBit sollen reichen für 1080p-Gaming, mit 35 sind Sie bereits mit 4K-HDR unterwegs.
Siehe auch: Google Stadia – Alle Infos zum neuen Game-Streaming-Dienst
Das Hands-On: exzellenter Controller, tolle Spielerfahrung
Der Stadia-Controller ist sehr hochwertig verarbeitet, vom Look & Feel am ehesten dran an einem etwas schlankeren, flacheren Xbox-One-Gamepad. Insbesondere das Oberflächenmaterial könnte 1:1 von Microsoft stammen. Mit 268 Gramm hat er ein gutes Gewicht, nicht zu schwer, nicht zu leicht. Mal zum Vergleich: Der Xbox-One-Controller wiegt 463 Gramm, der DualShock 4 von Sony 210 Gramm. Klingt nach einem großen Unterschied, wenn Sie ihn jedoch in die Hand nehmen, dürfte dieser minimal ausfallen. Die Tastenanordung ist sehr klassisch gehalten und orientiert sich eher am Playstation-Pendant.
Es ist recht offensichtlich, dass Google vor allem die klassische Konsolen-Fanbase abholen möchte – PC-Spieler haben, wie gesagt, die Option auf ihre Lieblingseingabegeräte zurückzugreifen. Von Federweg her gehen Bumper und Träger an der Rückseite eher Richtung Playstation, sind also schärfer angewinkelt und deutlich kürzer als bei der Xbox One. Die werden wir in der Demo oft malträtieren, denn in Doom Eternal wird geballert, bis die Hölle zufriert. Übrigens: Wer mehr zum Gameplay von Doom Eternal wissen möchte: Hier geht’s zum ausführlichen Hands-On-Test .

In diesem Special fokussieren wir uns eher auf die Bildqualität: Keine Schlieren, wenige Artefakte, kein Nachladen von Texturen. Das ist insbesondere deshalb bemerkenswert, weil sich Google mit Doom Eternal und Mortal Kombat 11 für zwei Titel entschieden hat, die beide von ihrer Schnelligkeit leben, und wir konnten keinerlei Lag feststellen. Ist die Qualität zu 100 Prozent en par mit einem Ultra-Highend-PC? Schwer zu sagen, dafür müssten beide Versionen nebeneinander laufen. In der Tat haben wir Doom Eternal aber sowohl bei Bethesda auf PC gespielt, als auch auf Stadia in Googles Creator-Lounge. Und ja, es gibt kleine Unterschiede in der Renderqualität, aber sie sind minimal.
Das funktioniert auch in der Skalierung: Auf der Gamescom wurde an rund 50 Screens gleichzeitig gespielt und von unserem Eindruck her war die Spielerfahrung bei allen gut bis sehr gut. Faszinierend ist aber eigentlich Googles Vision. „Wir haben eine frühe Version von Stadia sehr intensiv mit Project Stream 2018 getestet und die Ladezeiten lagen im Schnitt bei fünf Sekunden für Assassin’s Creed Odyssey – vom Drücken auf den Startbutton bis zur Übernahme der Spielfigur auf dem Screen.“ Google glaubt durchaus daran, dass die Ladezeiten von Stadia signifikant schneller sein werden als auf Xbox One X, PS4 Pro und den meisten PCs. Je nach Internetverbindung will Google zudem 120 FPS Bildwiederholraten anbieten. 4K mit 120 FPS, das schafft nicht mal eine Geforce 2080 für 700 Euro. Aktiv erlebt haben wir das indes noch nicht, müssen also abwarten.
Auch mit 8K plant Google bereits, entsprechende Displays sind aber aktuell nur zu Mondpreisen erhältlich. Der Dell UltraSharp UP3218K kostet gut 3000 Euro in der 32-Zoll-Variante, aber auch diese Preise dürften sich 2020 nach unten korrigieren und dank 5G streambar sein.
Mehr Power als eine Xbox One X in der Cloud
Als Gamer spielen wir seit Jahrzehnten auf PCs und Laptops. Wir sind es gewohnt, an Wasserkühlungen rumzubasteln, CPUs und Grafikkarten zu übertakten. Da wird Google Stadia wie ein Eindringling in eine schöne heile Welt wirken. Und doch lohnt es sich, offen zu sein, für Innovation. Eher selten schleppen wir heute noch PCs zu LAN-Partys, Gaming-Notebooks stehen ihren Desktop-Kollegen in nichts nach. Also zumindest, wenn man nicht gerade eine Höllenmaschine mit gleich zwei Nvidia Geforce Titan RTX baut, die ihr glücklichen Menschen gewinnen könnt. Wäre es nicht cool, wenn man einfach nur einen Chromecast-Dongle mitnehmen müsste, um mit seinem Kumpel Multiplayer-Sessions zu spielen? Der eine am PC, der andere auf dem Fernseher, ein Dritter auf dem klapprigen Notebook, auf dem sonst gerade noch so Age of Empires 2 läuft.
Stadia ist kein Casual-Produkt, sondern durchaus für echte Gamer konzipiert, weil ordentlich Power in den Serverzentren schlummert: 2,7 GHz x86-Prozessor mit Hyperthreading und 9,5MB L2+L3 Cache, 16 GByte Ram, eine AMD Custom GPU mit 10,2 Terraflops stehen für jeden Nutzer zur Verfügung. Zum Vergleich: die Xbox One X hat mit 8 Terraflops weniger Power, gilt aber als aktuell stärkste Konsole der Welt. Die Geforce RTX 2080 liegt bei 11.
Super spannend: Laut Google haben Entwickler die Möglichkeit, Multi-GPU-Support einzuplanen, können ergo auf bis zu drei parallel geschaltete Grafikkarten und drei Server-CPUs zugreifen, um etwa lebendigere K.I. für tausende NPCs in Open-World-Titeln zu simulieren. Sie bekommen also einen Monster-PC in der Cloud, der keine nervigen Updates braucht. „Wir sind alle Gamer, und es geht uns nicht darum, andere Anbieter zu verdrängen“, erklärt Googles Patrick Seibold vom Stadia-Team. Das ist nicht nur Marketing-Sprech, sondern in der Tat plant Google mit voller Cross-Plattform-Funktionalität, damit alle zusammenspielen können. „Aber es ist schon bemerkenswert, wie viel Zeit wir eigentlich damit verbringen Spiele herunterzuladen und zu updaten. Wir sprechen täglich mit Entwicklern, und das ist eines der Kernfeatures, was für sie am spannendsten ist. Es werden sehr viel mehr Spieler Betas testen, und es wird keine Warteschlange geben. Es wird keine langsamen Server am Launch-Tag geben, weil gerade alle laden, sondern Sie drücken auf den Startbutton und es geht los.“
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Größte Schwäche: Das Preismodell
Die eindeutig größte Schwäche Google Stadias ist das Preismodel: Wer in 4K-HDR spielen möchte, der muss 9,99 Euro zahlen. Das ist teuer und liegt im Netflix-Bereich, aber leider plant Google aktuell kein Netflix-Angebot. Es werden zwar ein paar Titel inkludiert, darunter befinden sich aktuell aber eher Allerweltsspiele wie Destiny 2 und kein Blockbuster. Wer also Ghost Recon: Breakpoint, Watch Dogs Legion oder Cyberpunk 2077 auf Stadia spielen will, wird die Titel zum Vollpreis kaufen müssen.
Hier sind wir skeptisch, weil die Konkurrenz deutlich mehr zum gleichen Preis bietet: Microsoft liefert ebenfalls für einen Zehner pro Monat seine komplette Xbox-Bibliothek in 4K-HDR, inklusive Exklusiv-Blockbustern wie Forza Horizon 4, Gears 5 und zum Release Halo: Infinite.
Ab 2020 wird es auch ein kostenloses Stadia-Angebot geben, allerdings nur, um in maximal 1080p zu spielen. Deutlich besser wäre ein Zehn-Euro-Service, der aber bereits eine große Bibliothek guter, gerne ein bis zwei Jahre alter Titel inkludiert, schließlich muss Google sich erst das Vertrauen der Spieler erarbeiten. Hoffnung liegt jetzt bei Partnern wie Ubisoft, die mit etwas Glück anbieten UPlay mit Stadia zu verbinden, damit man zumindest bereits gekaufte Titel auf Google Stadia spielen kann und nicht nochmal die Kreditkarte zücken muss. Enorm wichtig werden auch Spiele-Demos, denn bevor wir den Vollpreis zahlen würden, möchten wir wissen, dass die Spielerfahrung perfekt ist. Größte Stärke: Brillante Youtube-Features

Die größte Stärke von Stadia liegt auf Seiten der Youtube-Features: Google hat eine Technologie namens State Share entwickelt, mit der sich alle Daten eines Spiels in einen Link komprimieren lassen. Sie wollen schauen, ob der beste Kumpel dieses spezifische Level in Doom Eternal schneller abschließen kann als sie. Einfach Link schicken, go. Das soll vor allem auch das Zusammenspielen massiv erleichtern: Aktuell muss man Freunde in seine Steam-Liste einspeichern, dann demselben Server beitreten – es ist recht umständlich. Über den Link hingegen können Sie problemlos in eine Koop-Partie einladen und alle Teamkollegen joinen, so Sie dieses Spiel ebenfalls besitzen. Weniger versierte Gamer können dem besten Freund einen Link schicken, damit der hilft, einen besonders harten Boss zu legen.
Spannend ist auch die Integration des Google Assistant in den Controller: Sie können einfach sagen: „Hey Google, komme in dem Dungeon nicht weiter“ in Shadow of the Tomb Raider, und weil das Spiel auf dem Google-Server läuft, weiß dieser wo Sie gerade sind und ruft automatisch das passende Youtube-Tutorial auf, indem es den Namen des Levels und den jeweiligen Abschnitt automatisch analysiert. Das könnte eine ganz neue Form von Community-Building ermöglichen, etwa wenn man versucht, zusammen auf Twitter den unmöglichen Boss im nächsten Dark Souls zu legen. Fazit
Google Stadia ist nicht der Tod von Konsole und PC, hier muss sich keiner Sorgen machen. Vielmehr ist es die smarte Evolution von Youtube, denn hier werden seine größten Stärken liegen: Direkter 4K-Upload auf den eigenen Youtube-Channel, völlig ohne sich über Hardware Gedanken machen zu müssen ist klasse, schließlich lassen sich diese monetarisieren. Youtube-Stars werden über einen Link einfach ihre Community zum Spielen einladen oder Sie machen das privat im Freundeskreis.
Das sind die stärksten Features, denn die Cloud-Technologie an sich ist nicht brandneu, Nvidia hat mit Geforce Now ein ähnliches System. Schade ist allerdings, dass Google nicht wie erwartet ein Netflix-System anbietet, wo wir einmal zahlen und so viel spielen können, wie wir wollen. Insbesondere Microsoft hat hier mit Xbox Game Pass (der als Ultimate auch für PC-Spieler zur Verfügung steht), ein brillantes, kostengünstiges System etabliert. Letztlich wird entscheidend sein, dass die Spielerfahrung perfekt ist. Denn nur wenn Google zusammen mit den vielen unterschiedlichen Internet-Providern alle Bandbreiten-Probleme eliminieren können, werden die meisten Spieler bereit sein Vollpreis zu zahlen.