Die Siedler. Das war eine große Liebe vor einigen Dekaden und das erste PC-Spiel, mit denen sich der Autor dieser Zeilen die Nächte um die Ohren geschlagen hat. Nur noch ein Zug, nur noch das eine Gebäude, nur noch schnell das Upgrade. Im 2020er-Die Siedler wird einiges anders, geht die Reise zumindest dezent in Richtung des super erfolgreichen Anno 1800. Doch die alte Faszination, die bleibt. Die Siedler war nie Hardcore-Strategie. Es ist kein Company of Heroes, in dem wir permanent um Truppen bangen. Auch kein Warcraft 3: The Frozen Throne, Starcraft 2 oder Age of Empires 4, in denen Geschwindigkeit und Perfektion im Basenbau alles sind. Die Siedler, das ist vor allem gemütliche, entspannte, wundervoll anzuschauende Aufbaustrategie. Es bringt die Entschleunigung in den Alltag, die wir alle manchmal brauchen. Es ist eines dieser wenigen Spiele, die uns die Zeit gestatten, auch einfach mal zuzuschauen: Bäume fallen, werden im Ganzen von putzig animierten Arbeitern zum Sägewerk getragen und dort schauen wir zu, wie sie zu Brettern verarbeitet werden. Anschließend holt sie wieder einer ab, bringt sie zur nächsten Baustelle, wo schon jede Menge Siedler auf Gerüsten stehen und am Gebäude rumbasteln. Ist der Job erledigt, stellen sich alle vor das Werk ihrer Arbeit und klatschen.
Gemütliche Aufbaustrategie mit Verantwortung für Mensch und Tier
Hier gibt’s ein Interview mit jeder Menge Gameplay-Szenen:
Wir beginnen auf einer Galeone, die über wunderschön animiertes Wasser schippert. Schließlich basiert Die Siedler auf der Grafikengine von The Division 2, Ubisofts Team-Taktik-Shooter, der eigentlich nicht auf paradiesischen Eilanden, sondern in Washington DC rund um das Weiße Haus spielt. Also schnell Beiboot zu Wasser lassen, die ersten Baumaterialien auspacken, ein Dorf will errichtet werden. Das Ressourcen-System erinnert dabei dezent an Siedler von Catan und ist in Hexfelder unterteilt – je größer der Betrieb, desto mehr Felder braucht er. Am Waldesrand lassen wir besagten Holzfäller seine Arbeit machen, müssen allerdings darauf achten, dass sich die unterschiedlichen Spezialisten nicht in die Quere kommen: Im Wald gibt’s auch schmackhafte Beeren, die für die Nahrungsmittelproduktion gerade zu Beginn wichtig sind und zusammen mit Brot und Fisch die Basis liefern. Holzen wir zu viel ab, schwindet der Vorrat. Ökologisches Wirtschaften ist angesagt. Das ist Entwickler Blue Byte wichtig: Als Inselherrscher müssen wir Verantwortung übernehmen und uns genau überlegen, wie wir haushalten wollen. Die Siedler simuliert nämlich das Leben von Tieren: Diese werden geboren, werden älter und sterben letztlich. Nehmen wir ihnen den Wald als Lebensraum, können sie gar aussterben. Witzig: Kaninchen hoppeln gemütlich an unserer kleinen Siedlung vorbei und naschen auf unseren Feldern, wenn wir genau hinschauen.
Effizienter Straßenbau und strategische Ausbildung

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Auch wenn Die Siedler keines dieser hektischen Strategiespiele ist, die gerne mal in Arbeit ausarten, müssen sie schon das Köpfchen anstrengen und wirtschaftliches Geschick beweisen. Denn das Aufbaustrategiespiel arbeitet mit einer interessanten, letztlich authentischen Komponente: Jeder Bewohner ist zunächst mal ein ungebildeter Träger, der Ressourcen von A nach B tragen kann. Im Gildenhaus wird er zum Arbeiter, etwa um im Sägewerk zu schaffen. Oder zum Baumeister, denn nur diese erhalten die Ausbildung zum Ingenieur und können Gebäude hochziehen. Auch unsere Soldaten rekrutieren sich aus dem einfachen Volk: Wir müssen uns also gut überlegen, wie viel Militär sinnvoll ist, denn dieses beschneidet letztlich unsere ökonomische Entwicklung. Süß ist übrigens auch die Ausbildung von Bogenschützen, Schwertkämpfern, Keulenschwingern und Pikenieren. Die dusseligen Jungs verlieren gerne mal ihre Waffe oder schießen beinahe ihren Ausbilder ab.

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Eine interessante weitere Komponente, um schnell zu wachsen, ist der Straßenbau: Anders als in Anno 1800 brauchen wir nicht zwingend Wege, unsere Träger finden ihre Route auch selbst. Doch wollen wir diese optimieren, setzen wir erste Pfade und bauen diese zunächst zu Schotterwegen aus. Die Krönung des Straßenbaus sind dann Pflastersteine, aber die müssen erstmal aus dem Bergwerk kommen und dann aufwendig veredelt werden. Der Vorteil: Während unsere Träger anfangs noch zu Fuß unterwegs sind, bekommen sie in der ersten Ausbaustufe schon mal ein Eselchen, welches ein bisschen mehr tragen kann. Und schließlich gar einen Ochsen, der einen Haufen Material auf einmal nach Hause schunkelt.
Hungrige Wuselmänner und den Krieg gewinnen ohne Blutvergießen

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Neu ist das Bedürfnissystem: Hart arbeitende Wuselmänner und Wuselfrauen wollen ein ordentliches Mittagessen, was natürlich erst gekocht werden muss. Sind ihre Bäuche leer, setzen sie sich auf den Boden und machen erstmal ein Nickerchen. Schon okay, aber wenn man ein Königreich bauen will, bleibt dafür nur bedingt Zeit. Essen wird in den Häusern gekocht, die Zutaten auf dem Markt eingekauft. Interessant dabei: Je höher sich die Siedler entwickeln, desto kompliziertere Rezepte können sie kochen, welches die Mägen länger füllt. Je umfangreicher jedoch das Rezept, desto öfter müssen sie auch zum Markt, wo wir unterschiedliche Spezialisten ansiedeln – Metzger, Becker, Fischverkäufer etc. Anschließend muss die Mahlzeit natürlich zu den Arbeitern geliefert werden – es ist wichtig, diese Prozesse zu optimieren. Wenn wir über die Wirtschaft sprechen, dann wird Die Siedler höchstwahrscheinlich nicht so enorm anspruchsvoll wie Anno 1800, schielt aber zumindest öfter mal rüber zum großen Bruder. Neue Bewohner müssen wir ab einem gewissen Level mit Münzen ködern, deren Metalle wie Kupfer, Silber und Gold wollen in Bergwerken und Stollen gewonnen werden, anschließend eingeschmolzen und vom Münzenpräger veredelt.

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Zeit übers Militär zu sprechen: Wie schon vor Dekaden nutzen wir nach wie vor Wachtürme, um den Grenzstein unseres Territoriums zu verschieben. Großartig: Anders als in Anno 1800 dürfen wir beliebig Mauern hochziehen, Torhäuser mit Fallgittern einbauen und so unsere Defensivposition stärken. Treffen wir auf der Karte auf Kontrahenten, müssen wir unsere Armee hochziehen. Neue und ausgebildete Truppen schicken wir zum einen zu unseren Wachtürmen, zur Verteidigung der Grenzen. Und zum anderen in Garnisonen, wo diese auf ihren Einsatz warten. Die Soldaten selbst steuern dürfen wir nicht, sondern lediglich ihre Kommandanten und über diese Spezialfähigkeiten aktivieren, wie etwa eine Art Schildwall, um sich vor Pfeilbeschuss zu schützen. Und Angriffsbefehle – allerdings nicht auf einzelne Einheiten, sondern nur Sektoren.

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Erstaunt sind wir über die großen Armeen, die sich bereits in Präsentationen gezeigt haben: Bis zu 300 Soldaten kämpfen dann auf dem Schlachtfeld. Belagerungen werden wichtiger in Die Siedler 2020, als je in der Reihe zuvor: Es gibt zwar bislang keine Belagerungswaffen wie Katapulte zu sehen, dafür aber zum Beispiel Axtkämpfer, die Mauern hochkraxeln können, um alle Gegner auszuschalten und das Tor zu öffnen. Es gibt aber auch eine Möglichkeit des Feindes Volk und Ressourcen abzuluchsen, ohne Pixelblut zu verschwenden: Dafür bauen wir eine Arena, trainieren einen Helden und fordern ihn zum Duell. Das ist dann ein großer Festakt, wo all unsere und seine Bewohner ins Stadion strömen und sich schon mal beschnuppern – gewinnen wir das pompös inszenierte Turnier, stehen die Chancen auf freundliche Übernahme nicht schlecht.
Fazit: Hach, die Siedler
Unzählige Stunden mit dem zweiten Teil verbracht, doch in den letzten Jahren gab es auch ein paar merkwürdige Versuche, die Reihe neu zu erfinden, die alle nicht so richtig fruchteten. Umso mehr freuen wir uns, dass der neue Teil zu seinen Wurzeln zurückfindet, ohne konservativ zu wirken. Das Team um Serien-Erfinder Volker Wertich hat sich offensichtlich genau angeschaut, wie man das Optimum aus Warenkreisläufen und Effizienzmaximierung moderner Aufbaustrategie rausholen kann, ohne den berühmten Wusel-Charakter der Serie zu verlieren. Auch technisch sieht das Ganze bereits toll aus: Durch die Snowdrop-Engine von The Division 2, wirken das Meer und die unterschiedlichen Inselgebiete wahrlich malerisch und die Animationen jeder einzelnen Figur sind sehr liebevoll ausgearbeitet.