Okay spannend. Dieses Call of Duty: Modern Warfare spielt sich so ganz anders, als wir gedacht hatten. Bedachter, taktischer, eine Nuance langsamer als früher, ohne die von der Serie geliebte Leichtigkeit zu verlieren. Das Studio dahinter, Infinity Ward, war verantwortlich für die größten CoDs aller Zeiten – Modern Warfare 1 und 2. Shooter, die ein ganzes Genre prägten. Und jetzt traut man sich, Features zu adaptieren, die andere Spiele groß gemacht haben: Das Um-die-Ecke-Lehnen, nach rechts und links aus Ubisofts Rainbox Six: Siege etwa. Und die großen, weitläufigen Karten aus Battlefield mit einem neuen Modus für 20 gegen 20 Spieler. Ein smarter Schachzug, denn die Battlefield-Community sehnt sich nach einem modernen Battlefield 6, welches nicht wieder im 1. oder 2. Weltkrieg spielt.
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Mutige Entscheidung: Größere Karten ohne Radar

©Activision
Schon nach wenigen Matches fällt auf: Call of Duty: Modern Warfare arbeitet mit deutlich größeren Karten, die sehr viel verschachtelter sind und deutlich mehr Zugänge bieten als in früheren Teilen. Etwa über umherstehende Fahrzeuge in den ersten Stock einer Fabrik. Man bleibt zwar prinzipiell seinem berühmten Three-Lane-System treu – es führen also drei Hauptwege über die Karte. Aber diese ist signifikant größer, kombiniert oft mehrere Lagerhallen etwa, deren Türen sich jetzt öffnen und schließen lassen. Smarte Spieler nutzen das in Kombination mit dem Rauslehnen, um möglichst wenig Trefferfläche zu bieten und den Vorstoß ihrer Kameraden zu decken. Man kann zwar rennen, und es gibt sogar einen neuen Supersprint, um ungeschützte Bereiche schneller zu durchqueren. Aber keine Mini-Map mehr: In allen Call of Dutys bisher gab es ein kleines Radar, auf dem Feindbewegungen angezeigt wurden – traf ein Kollege auf einen Gegner, wusste man, wo es Arbeit gibt. Diese Neuerungen wird in der Community kontrovers diskutiert, weil Call of Duty traditionell ein extrem schneller Shooter ist – ohne Mini-Map sind wir gezwungen, spürbar vorsichtiger vorzugehen. Toll für Taktik-Fans, erfordert aber eine gewisse Umgewöhnung für Run-and-Gun-Freunde.
Exzellentes Trefferfeedback und Panzer wie in Battlefield 5?
Wer Call of Duty kennt, der kennt auch die Killstreaks – Abschussserien, die für besonders talentierte Schützen Boni freischalten. Diese können nur nützlich sein, wie eine Drohne, die Gegner aufdeckt. Oder ziemlich mächtig, wie ein AC-Gunship, ein Helikopter mit Minigun, ein Raketenschlag. Diese lassen sich jetzt deutlich strategischer einsetzen und bringen das Spielgefühl ein Stück weit Richtung Battlefield, weil die Karten zwar Infanterie-basiert sind, aber im Zusammenspiel mit der Luftwaffe besser harmonieren als früher.
Man schaltet jetzt nicht mehr einen Raketenangriff frei und hält einfach drauf nach dem Motto „Irgendwas triffst du immer.“ Sondern greift etwa gezielt ein Container-Dorf an, welches die Brücke zwischen zwei Lagerhallen bildet. Und das AC-Gunship lässt man über einem Banken-Tower kreisen, der besonders viel Raum für Scharfschützen bildet. Spannend ist, wie interaktiv sich das ausgestaltet: Wir fliegen mit dem Helikopter Angriffe auf feindliche Stellungen und sichern mit dem Schützenpanzer etwa Flaggenpunkte. Die Fahrzeuge explodieren nach gewisser Zeit, sind also nur temporär verfügbar, können aber mitunter durchaus ein Match drehen. Könnte das im Chaos enden, weil permanent aus der Luft gebombt wird? Tendenziell nein, weil wir über Abschussserien von 10 bis15 Kills reden, um diese mächtigen Waffen freizuschalten – dafür muss man schon verdammt gut spielen.
Neue Grafikengine, superber Waffensound

©IDG / PC-WELT
Zwei weitere Dinge, die direkt ins Auge springen: Der Waffensound ist superb – fühlt sich sehr authentisch an, hat viel Punch. Ganz besonders im neuen Duell-Modus Gunfight für zwei gegen zwei Spieler, der in einem Trainingslager des britischen SAS angesiedelt ist. So eine Shotgun donnert richtig, eine Desert Eagle hallt lange nach. Die Waffen sind ziemlich laut und haben einen deutlich stärkeren Rückstoß als im futuristischen Call of Duty: Black Ops 4, wo das Schießen aus der Hüfte etwas zu einfach ist. Zudem erhält das Spiel eine brandneue Engine: Call of Duty war in seinen Kampagnen immer super schick, insbesondere in den CGI-Zwischensequenzen. Wirkte aber etwas altbacken im Multiplayer. Mit der neuen Engine ändert sich das: Call of Duty: Modern Warfare setzt auf Fotogrammetrie in Kombination mit Physical Based Rendering. Bei der Fotogrammetrie werden 3D-Scans von realen Objekten verwendet, und das merken wir direkt:
In der PC-Version, die auf Nvidias Showcase-Event einen Tag vor der Gamescom auf einer Geforce RTX 2080 läuft, sehen die Kampfhelme der Soldaten besonders echt aus. Insbesondere das auf Physik basierende Rendering sorgt dafür, dass matter Stahl das Licht nur dezent reflektiert – Spezialeinheiten wollen ja nicht auffallen. Auch die einzelnen Waffenmodelle strotzen nur so vor Details, jede Schraube wird sichtbar abgebildet, jede Kerbe und das Material von Sturmgewehren ist nicht einfach aalglatt, sondern gerne auch mal verkratzt. Eine klare Abkehr von den exotischen, extrem bunten Designs, die Black Ops 4 dominieren. Interessant: Eine spezielle Multiplayer-Karte namens Azhir Cave im Nahen Osten spielt bei Nacht und erfordert den Einsatz von Nachtsichtgeräten – Infinity Ward hat dafür ein Spektralsystem integriert, der das ikonische Rauschen ins Bild einfügt, was wir aus TV-Serien wie Six: SEAL Team Six kennen. Fans dürfen sich freuen: Dessen Star Barry Sloane spielt die männliche Hauptrolle in der ambitionierten Kampagne.
Atmosphärisch dichte Kampagne mit schwierigen Themen
Während Black Ops 4 zu Gunsten eines großen Battle-Royale-Modus auf eine Kampagne verzichtete, erzählt Call of Duty: Modern Warfare seine Story aus gleich mehreren Perspektiven. Und bedient sich dabei interessanter Stilmittel, auch wenn diese durchaus kontrovers ausfallen.
So erleben wir etwa, wie ein junges Mädchen zur Freiheitskämpferin wird. Wir sind dabei, als Bomben ihre Mama töten und Soldaten Zivilisten zusammentreiben und erschießen. Wir sehen, wie sie sich mit vielleicht sieben Jahren unter einem Bett versteckt, die Hände ihres Vaters greifen möchte, doch auch der ist bereits tot. Als der Soldat ihren kleinen Bruder bedroht, nimmt sie einen Schraubenzieher und sticht damit solange auf den Soldaten der russischen Eliteeinheit Speznas ein, bis dieser zusammenbricht. Anschließend erleben wir, wie ein Gasangriff auf das Dorf geflogen wird – mit ihrem kleinen Bruder an der Hand und einer Gasmaske rennt sie durch die Straßen, versteckt sich unter Leichen – das ist extrem harter Tobak, für den die Entwickler gerade in den USA harsche Kritik einstecken mussten. Es sind Szenen, die uns emotional nahe gehen, weil wir alle noch die Bilder von Syrien im Hinterkopf haben und sogar die White Helmets helfen, Verwundete aus den Trümmern zu bergen. Doch man muss auch die Frage erlauben: Wenn ein American Sniper, ein Jack Ryan und viele andere Werke Hollywoods die Grausamkeiten des Krieges zeigen dürfen, warum dann nicht die Kunstform des Videospiels?

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Anspiel-Fazit:
Call of Duty: Modern Warfare wird das spannendste CoD der letzten Jahre. Gerade weil es etwas mutiger ist, sich etwas traut, neue Wege geht und viel von den Platzhirschen des Genres lernt. Das ist smart, denn Rainbow Six: Siege etwa ist schon über so viele Jahre erfolgreich, weil es das Genre für sich neu entdeckt hat. Auch dieser sanfte Drift hin zu Battlefield ist clever, weil die Community unzufrieden ist mit Battlefield 5 und sich dringend ein modernes Battlefield wünscht, was jetzt zumindest in abgespeckter Form CoD: Modern Warfare liefert. Besonders gespannt sind wir aber auf die Kampagne: Zum einen gibt es nur noch wenige Singleplayer-Shooter, zum anderen scheint Infinity Ward auch hier mutige Ansätze zu wählen. Etwa die Geschichte jener Frau, deren Motive nachvollziehbar und Taten aber irgendwo im Graubereich zwischen Freiheitskampf und Terrorismus fluktuieren.
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