Die EU-Kommission hat heute der 18,4 Milliarden Euro schweren Übernahme der Kabelnetze der Liberty-Global-Tochter Unitymedia in Deutschland (aktiv in Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen), der Tschechischen Republik, Ungarn und Rumänien durch Vodafone unter Auflagen zugestimmt. Damit kann Vodafone den Kabelnetzbetreiber Unitymedia übernehmen. Vodafone will in den nächsten drei Jahren insgesamt 25 Millionen Haushalte mit Gigabit-Geschwindigkeit versorgen. Details zu den beiden Unternehmen und zur enormen Größe des künftigen Kommunikations-Giganten mit über 31 Millionen Mobiltelefonkunden, über 7 Millionen Breitbandanschlüssen und über 14 Millionen TV-Kunden finden Sie in dieser Meldung. Insgesamt 272 Tage prüfte die EU-Kommission laut Vodafone die geplante Übernahme. Zwei Bedenken blieben bis zuletzt bestehen: Die Gefahr eines verminderten Wettbewerbs durch Wegfall des DSL-Angebots im Unitymedia-Vermarktungsgebiet und eine mögliche größere Verhandlungsmacht für Vodafone im Fernsehmarkt.
Auflagen der EU-Kommission
Um diese Bedenken auszuräumen, muss Vodafone deshalb sein Kabelnetz bundesweit für Telefónica öffnen und damit einen weiteren nationalen Kabelwettbewerber schaffen: O2/Telefónica Deutschland nutzt künftig Kabelnetz von Vodafone & Unitymedia.
Vodafone verpflichtet sich unter anderem auch dazu, TV-Sendern die Verbreitung ihrer Inhalte im Internet nicht einzuschränken und die Netzübergänge so zu gestalten, dass ausreichende Übertragungs-Kapazität über das Internet vorhanden ist. TV-Sender sollen damit unabhängiger vom klassischen TV-Kabelnetz und damit von Vodafone werden.
Auf die EU-Genehmigung wird jetzt das sogenannte Closing (Vollzug des Kaufvertrags) zum Monatsende erwartet – damit kann die Integration beginnen, wie Vodafone erklärt.
Vodafone hatte bereits 2014 Kabel Deutschland übernommen und war dadurch zum größten Kabelnetzanbieter in Deutschland geworden. In 13 Bundesländern besitzt Vodafone damit die Kabelnetze: Bayern, Berlin, Brandenburg, Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Bremen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen. Unitymedia ist der zweitgrößte deutsche Kabelnetzanbieter, es besitzt die Kabelnetze in Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen. Diese Netze kommen nun zu Vodafone dazu. Mit der Übernahme entsteht für die Deutsche Telekom, die den DSL-Markt beherrscht, ein mächtiger Gegenspieler mit eigener Netz-Infrastruktur.
Unmittelbare Folgen für Kunden von Vodafone oder Unitymedia
Ein Vodafone-Kunde bleibe weiterhin Vodafone-Kunde und ein Unitymedia-Kunde bleibe weiterhin Unitymedia-Kunde, verspricht Vodafone. Alle Verträge, Tarife und Ansprechpartner im Service blieben bis auf Weiteres bestehen. Ein Sonderkündigungsrecht gebe es nicht, wie Vodafone betont.
Bundesverband Breitbandkommunikation warnt vor den mittel- und langfristigen Folgen
Der Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko) ist von der Entscheidung der EU-Kommission nicht begeistert und warnt vor dem Zusammenschluss zwischen Vodafone und Unitymedia. Dieser werde nach Auffassung der Breko zu einer erheblichen Einschränkung des Wettbewerbs – und damit zu Nachteilen für Bürger und Unternehmen – führen. Bei der Öffnung der künftigen Vodafone-Kabelnetze für Telefonica würde es sich um einen „Exklusiv-Deal“ zwischen zwei Großunternehmen handeln, wodurch sich nichts an den negativen Auswirkungen der Übernahme in den Kabelmärkten sowie auf den „echten“ Glasfaserausbau (FTTB / FTTH) ändern werde.
Auf dem „klassischen“ Kabelmarkt könne der Zusammenschluss insbesondere negative Auswirkungen auf den Markt für Verträge mit der Wohnungswirtschaft zur Versorgung von Endkunden (sogenannter Gestattungsmarkt) haben. Hier liege der Marktanteil von Vodafone künftig bei rund 75 Prozent, warnt Breko. Dies werde – ungeachtet des Netzzugangs für Telefónica – in den meisten Fällen auch ein Monopol in puncto Kabel-Internet bedeuten: Da in den Gestattungsverträgen meist entsprechende Exklusivitätsvereinbarungen zugunsten der Kabelanbieter vorhanden sind, könne die Wohnungswirtschaft keine weiteren Verträge – etwa mit regionalen TK-Anbietern für Glasfaseranschlüsse bis in den Keller des Gebäudes (FTTB) oder bis direkt in die Wohnungen (FTTH) – mehr vereinbaren. Mindestens ebenso erheblich seien laut Breko die negativen Effekte auf den Telekommunikationsmarkt, hier insbesondere auf den Ausbau von reinen Glasfaseranschlüssen (FTTB/FTTH-Netze) in Deutschland. Bei einer gemeinsamen TK-Marktbeherrschung des künftigen Vodafone-Kabelnetzes (inklusive Netzzugang für Telefónica) und Deutscher Telekom verbleibe kaum mehr Potenzial für einen zukunftssicheren FTTB-/FTTH-Ausbau in diesen Gebieten. Dies würde vor allem lokal/regional tätige, mittelständische Unternehmen gefährden, die den Glasfaserausbau in der Praxis vorantreiben (82 Prozent der heute verfügbaren, reinen Glasfaseranschlüsse werden von den alternativen Netzbetreibern in Deutschland – mehrheitlich Mitgliedern des Breko – gestellt). Für einen eigenwirtschaftlich realisierten, rentablen Glasfaserausbau bliebe somit praktisch kein Raum mehr.
„Ähnlich wie die Deutsche Telekom mit (Super)-Vectoring setzen auch die großen Kabelnetzbetreiber mit ihren Koax-Kabeln auf Kupfer auf der letzten Meile und vermeiden so Investitionen in zukunftssichere, reine Glasfaser“, stellt Breko-Geschäftsführer Dr. Stephan Albers fest. Und weiter: „Nach dem Zusammenschluss besteht die Gefahr, dass jedenfalls Vodafone nicht mehr in den Glasfaserausbau investieren wird.“ Breko bedauere zudem, dass die EU-Kommission Vodafone nicht zur Auflage gemacht habe, dass langfristig mit der Wohnungswirtschaft laufende (Gestattungs)-Verträge ein Sonderkündigungsrecht erhalten. Nur so könne ein Wettbewerb ermöglicht werden, indem es auch Dritten – etwa lokal oder regional operierenden Netzbetreibern – möglich werde, attraktive(re) Angebote auf Basis reiner Glasfaser (FTTB/FTTH) zu machen. Vodafone übernimmt Unitymedia: Neuer Gigant greift Deutsche Telekom an