Als der erste Raspberry Pi vor acht Jahren erschien, waren es die kompakte Größe der Platine, der unschlagbare Preis und das sorgfältig vorbereitete Debian-System, das für Aufsehen sorgte. An der Leistung der ersten Platinengeneration mit dem Systemon-Chip BCM2835 von Broadcom lag es nicht – die CPU-Leistung ist äquivalent zu einem Pentium-II-Prozessor mit 300 MHz von 1998. Die Leistung der GPU lag etwa gleichauf mit einer Microsoft Xbox von 2001. Ein Übertakten war seitens der Raspberry-Pi-Entwickler aber, nach einem Firmwareupdate im Jahr 2012, von Haus aus vorgesehen, um die CPU des Raspberry Pi mit ausreichender Kühlung von 700 MHz auf bis zu 1000 MHz zu bringen. Auch das Modell 2 des Raspberry Pi erlaubt noch moderates Übertakten auf einfachem Weg per Menü. Mit jüngeren Modellen 3 und 4 ist das nicht mehr so leicht möglich – es geht mit einem höheren Aufwand, aber dennoch. Es ist ein Eingriff in die Konfigurationsdatei der Boot-Scripts mit einem Texteditor nötig und dort die Angabe einer passenden Taktrate im Rahmen der jeweiligen CPU-Spezifikation.
Raspberry Pi 4 als Desktop: Alltagstauglich oder nicht?
Entschärft: Hitze und Garantieverlust
Bei den ersten Raspberry-Pi-Modellen war ein Übertakten schlimmstenfalls (bei fehlendem Kühlkörper) mit einer Überhitzung des System-on-Chip (SoC) verbunden. Ab einer Temperatur von 85 Grad Celsius setzt die Firmware einen internen Indikator, der auch mit einem Garantieverlust verbunden ist. Das klingt dramatisch, ist aber ab den Firmwares der Raspberry Pi Foundation ab 2012 ein unwahrscheinliches Szenario.
Denn dieses Update sorgte dafür, dass die empfindlichen Teile des System-on-Chip die Maximaltemperatur nicht mehr überschreiten, sondern heruntertakten. Dieses Verhalten ist übrigens auch bei einem Raspberry Pi 4 ohne aktiven oder massiven Kühlkörper recht schnell unter Last feststellbar.
Mit dem Kommando
vcgencmd measure_temp
kann man sich die aktuelle Temperatur des SoC unter Raspberry-Pi-OS anzeigen lassen.
Ob die Platine jemals die sicheren Limits überschritten hat und der Indikator gesetzt ist, ermittelt dieses Kommando:
/proc/cpuinfo
Es zeigt die Eigenschaften des System-on-Chip mit der ARM-CPU an. In der Ausgabe ist die Zeile „Revision“ und deren Wert von Interesse: Bei nicht mehr gewährter Garantie wegen eines Betriebs außerhalb der Spezifikationen beginnt dieser Wert mit „1000“. Unter normalen Bedingungen handelt es sich beim angezeigten Wert um eine vierstellige hexadezimale Zeichenkette, die nicht mit „1000“ beginnt.
Übertakten: Die Modelle in der Übersicht

Für unsere Benchmarks dienten alle wichtigen Raspberry-Pi-Platinen zurück bis zur ersten Generation. Eine höhere Taktfrequenz bedeutet übrigens nicht, dass der ARM-Prozessor dann permanent auf der höheren Frequenz läuft, sondern gibt nur die maximale Turbofrequenz vor, die unter Last erreicht werden kann.
Ob die Platine übertaktet ist, zeigt deshalb nicht der Blick auf den aktuellen Prozessortakt, sondern der auf die maximal zugelassene Frequenz:
vcgencmd get_config arm_freq
Die Zahl hinter „arm_freq=“ ist das obere Limit des CPU-Takts in Kilohertz.
Raspberry Pi 1 : Die Optionen zum Übertakten der Platinen der ersten Generation liefert der Konfigurationsdialog von „raspiconfig“ ganz komfortabel unter „Overclocking“ in Schritten zu 100 MHz. Ein Übertakten des ARM-Prozessors wirkt sich je nach der gewählten Steigerung auch auf den Takt des System-on-Chip, also den Speichertakt aus, sowie auf die GPU. Ab 900 MHz beginnt die Platine zudem damit, die Spannung zu erhöhen, um CPU und Speicher stabil zu halten. Ein aufgeklebter Kühlkörper und ein solides Netzteil sind daher bei allen Übertaktungsversuchen Pflicht, auch bei diesen alten Modellen. Nach der Auswahl einer gewünschten Frequenz ist stets ein Reboot nötig.
Raspberry Pi 2: Obwohl die zweite Generation mit ihrem Cortex A7 als CPU der voreingestellten Taktrate von 900 MHz und vier ARM-Kernen schon ein ganz anderes Kaliber bezüglich Leistung ist, gibt es Luft nach oben. „raspi-config“ zeigt auch hier über den Menüpunkt „Performance –› Overclock“ die Option, innerhalb der gesetzten Limits die CPU auf 1000 MHz hochzutakten. Auch dazu sind ein solider Kühlkörper Pflicht sowie ein gut belüfteter Standort.
Raspberry Pi 3: Ab dieser Platinengeneration verlangt ein Übertakten die manuelle Anpassung der Konfigurationsdatei „/boot/ config.txt“, welche zum Bootzeitpunkt die Initialisierung der Hardware übernimmt. Eine Anpassung der Taktfrequenzen nach oben wird allein nicht zum Garantieverlust führen, wie die Raspberry Pi Foundation hier dokumentiert.
Praktikabel sind maximal eine Erhöhung des CPU-Takts von 1200 MHz auf 1350 MHz und die Steigerung des Speichertakts von 400 MHz auf 500 MHz bei vier Volt Überspannung. Um diese Werte einzustellen, fügen wir in die Datei „/boot/config.txt“ folgende Zeilen ein:
arm_freq=1350
core_freq=500
sdram_freq=500
over_voltage=4
In dieser Konfiguration braucht die Platine eine aktive Kühlung und taktet sonst unter Last selbständig herunter.
Raspberry Pi 4: Auch das neueste Modell verträgt Übertakten. Allerdings verlangt der Raspberry Pi 4 schon im Normalbetrieb eine aktive Kühlung oder ein spezielles Gehäuse, das als massiver Kühlkörper funktioniert. Ein Beispiel ist der Aluminiumkühler von Manouii (rund 40 Euro). Der ARM-Prozessor vom Typ Cortex A72 mit 1500 MHz Takt verträgt maximal bis zu 2147 MHz, läuft dann aber nicht mehr stabil. Das obere Limit bei diesen Testreihen waren 2000 MHz für die CPU bei einer um sechs Volt erhöhten Spannung. Die Optionen in Konfigurationsdatei „/boot/config.txt“ des Raspberry Pi 4 sind nicht exakt dieselben wie bei den Vorgängermodellen. Die Zeilen
over_voltage=6
arm_freq=2000
am Ende der Datei setzen den CPU-Takt auf 2000 MHz.

Ras pberry Pi bleibt cool: Tipps zur Kühlung des Mini-PCs
Fazit: Gutes Zubehör ist Voraussetzung
Mit dem eingebauten Schutz vor Überhitzung durch die Firmware ist das Übertakten nicht mehr gefährlich – schlimmstenfalls nur erfolglos. Sollte die Platine übrigens mal wegen einer zu hoch vorgegebenen Taktrate nicht mehr starten, so hilft beim Booten mit angeschlossener Tastatur ein Druck auf die Umschalt-Taste, um mit der Standardkonfiguration zu starten. Die Nettogewinne fallen bei den von Haus aus höher getakteten Platinen kleiner aus, wie die CPU-Benchmarks und Diagramme zeigen. Aber sie sind durchaus messbar und bei der Verwendung eines Desktops gerade im Webbowser auch spürbar. Wichtig sind aber gutes Zubehör wie Kühlkörper, eine aktive Kühlung für den Raspberry Pi 4 sowie ein solides Netzteil. Ein Smartphone-Ladegerät wird nicht genügen, es sollte eine spezielle Stromversorgung für das jeweilige Modell sein.