Wer Ubuntu kennt, kennt die Nebenrolle der Oktoberversionen („JJ.10“) als Zwischenversionen und Short Term Versions (STS) mit beschränkter Ausdauer. Wegen der kurzen Laufzeit von neun Monaten ignorieren viele Anwender diese Ausgaben und konzentrieren sich auf die LTS-Versionen (Long Term Support), die alle geradzahligen Jahre im April erscheinen. Die nächstfolgende ist Version 22.04 im April 2022. Mehr dazu lesen Sie hier: Ubuntu 22.04 LTS Jammy Jellyfish – erste Download-Möglichkeit .
Neben der Ubuntu-Hauptedition (von Canonical) mit Gnome sind wie immer zeitgleich auch die offiziellen Ubuntu-Flavours in neuer Version 21.10 erschienen – also Kubuntu, Xubuntu, Lubuntu, Ubuntu Mate und Ubuntu Budgie. Alle Editionen stehen auf der Systembasis der Ubuntu-Hauptedition, unterscheiden sich aber in ihrer Desktopumgebung (inklusive zugehörige Systemtools) und verwenden zum Teil auch einen anderen Installer (Kubuntu, Lubuntu). Das neueste Ubuntu 21.10 („Impish Indri“) – egal in welcher Desktopedition – ist jederzeit eine Empfehlung für eine Neuinstallation, hat aber wirklich nicht viel im Gepäck, was ein Upgrade eines laufenden 20.04 LTS rechtfertigen könnte.
Linux & Co: Ausblick auf 2022
STS-Zwischenversion: Ja oder Nein?

Ubuntu 21.10 erhält nur neun Monate Updates bis Juli 2022. Sie ist aber wie alle Zwischenversionen keine Sackgasse, sondern kann im Frühjahr 2022 auf die LTS-Langzeitversion 22.04 upgraden. Diese bietet dann drei Jahre (Kubuntu, Xubuntu, Lubuntu etc.) oder fünf Jahre (Hauptedition von Canonical mit Gnome) Updatesupport via Aktualisierungsverwaltung. Trotzdem stellt sich bei den kurzlebigen Ubuntu-Zwischenversionen immer als wesentlichste Frage, ob sich dieser Schritt tatsächlich lohnt. Dazu folgende Empfehlungen:
- Wer aktuell die Zwischenversion Ubuntu 21.04 installiert hat, muss auf Version 21.10 upgraden, denn 21.04 läuft im Januar 2022 ab.
- Ubuntu-Neueinsteiger können ohne Bedenken zur Version 21.10 greifen, weil im nächsten Jahr das Upgrade auf die LTS-Version 22.04 möglich sein wird. Bevor die aktuelle Version 21.10 abläuft, bleiben also drei Monate Zeit, um sie per Upgrade auf Version 22.04 zu befördern. Ubuntus „Aktualisierungsverwaltung“ bietet dies aktiv an, sobald der Nachfolger 22.04 vorliegt.
- Für aktuelle Nutzer der Langzeitversion Ubuntu 20.04 gibt es kaum Gründe für ein Upgrade auf 21.10, es sei denn, Kernel 5.13 wird dringend benötigt, um ein Problem mit aktueller Hardware aus dem Weg zu schaffen. Tatsächlich dürfte das in den seltensten Fällen einschlägig sein, da die LTS-Version durch Aktualisierung und Updates bei Point Release 20.04.3 angelangt ist, die auch bereits Kernel 5.11 enthält. Und demnächst im Februar erscheint Point Release 4, das auch die Langzeitversion auf Kernel 5.13 bringt.
Version 21.10: Die Neuerungen

Die neue Ubuntu-Ausgabe liefert zur Unterstützung aktueller Intel- und AMD-CPUs den Linux-Kernel 5.13 aus. Hierfür hat unter anderem Intel Code für die CPU-Generation „Alderlake-S“ beigesteuert. Auch auf Microsoft-Surface-Modellen läuft Ubuntu 21.10 besser, unterstützt aber nach wie vor nicht alle Gerätefunktionen. Das bislang einschlägige Tool für Netzwerk-Filterregeln war Iptables und wird ab sofort durch Nftables ersetzt. Nftables ist als Nachfolger mit voller Abwärtskompatibilität konzipiert und sollte keinen zusätzlichen Konfigurationsaufwand für Admins erfordern. Für Desktopsysteme ist diese Neuerung aber praktisch irrelevant.
Die aufgefrischten Softwarepakete bringen ein Libre Office 7.2.1, Thunderbird 91 und Firefox 93 mit. Als Desktopumgebung gibt es in der Hauptedition Gnome in der nicht ganz taufrischen Version 40 mit den Ubuntu-typischen Anpassungen. Dazu gehört insbesondere das wahlweise an drei Bildschirmrändern positionierbare Ubuntu Dock für die Programmfavoriten. Zugunsten dieses bewährten Docks wurde Gnome 40 dahingehend geändert, dass die „Aktivitäten“-Übersicht auf das neue horizontale Dock am unteren Rand verzichtet. Die meisten Gnome-Neuheiten übernimmt Ubuntu aber unverändert, am auffälligsten die jetzt horizontale Anordnung der virtuellen Desktops in der „Aktivitäten“-Übersicht. Einige Programme der Desktopumgebung wie das Laufwerkstool und der Systemmonitor stammen bereits aus dem aktuellsten Gnome 41.
Wie schon in der letzten STS-Ausgabe 21.04 nutzt der Gnome-Desktop standardmäßig den modernen Wayland-Modus. Für eventuelle Problemfälle bleibt der klassische Xorg/X11-Modus aber als Option auf dem Anmeldebildschirm erhalten – das ist gut so, denn etliche Werkzeuge wie xprop bleiben unter Wayland weiterhin funktionslos. Auf Notebooks mit geeigneten Touchpads bietet der Wayland-Modus neue Multitouch-Gesten, um zwischen Programmen und virtuellen Desktops zu wechseln.
Ubuntu 21.10 bleibt weiterhin beim bekannten Soundserver Pulse Audio. Allerdings bringt dieser in Version 15 hörbare Verbesserungen für Bluetooth-Geräte: Die Codecs LDAC und Aptx bieten bei unterstützten Geräten eine bessere Soundqualität mit einer Bitrate von 325 KBit/s. Konfigurierbar sind die verwendeten Codecs über die Pulse-Audio-Anwendung pavucontrol. Pipewire, der Soundserver der Zukunft, bleibt vorerst noch als nachladbare Option in den Paketquellen.
Entgegen früheren Ankündigungen erledigt die Installation weiterhin der bewährte Ubiquity. Einzige Neuerung ist dessen Option, für Cryptsetup-verschlüsselte Installationen einen Wiederherstellungsschlüssel zu sichern. Ubiquity nutzen neben der Ubuntu-Hauptedition auch die Varianten Xubuntu, Ubuntu Mate und Ubuntu Budgie. Der angekündigte Ubiquity-Nachfolger wurde auf die kommende LTS-Version verschoben und wird dann neben modernisierter Optik auch eine Reparaturinstallation für havariertes Ubuntu bieten.
Firefox als Snap

Ein kontroverser Aufreger in der neuen Ubuntu-Version ist die Auslieferung des Standardbrowsers Firefox als Snap-Paket. Dass Ubuntu-Hersteller Canonical dabei mit Kritik rechnete, sieht man schon an der Tatsache, dass er bis zum Ablauf der STS-Version im Juli 2022 noch eine diplomatische Übergangsfrist vorhält: Die Ubuntu-Hauptedition liefert Firefox zwar als Snap mit, aber das klassische DEB-Paket bleibt vorläufig weiter in den Paketquellen, kann also nachinstalliert werden und erhält auch weiter Updates. Alle übrigen Editionen (Kubuntu, Xubuntu etc.) nehmen diese Situation zum Anlass, das Snap vorerst zu ignorieren, und bieten den Browser wie gewohnt als DEB-Paket. Wenn Canonical aber mit seiner Ankündigung ernst macht, dann müssen ab Mitte nächsten Jahres alle Ubuntus den Weg der Hauptedition mitgehen und auf das Snap ausweichen (oder den Browser selbst pflegen, was sich aber kein Kubuntu & Co. an den Hals binden wird).
Canonicals Entscheidung ist hier noch etwas kritischer zu bewerten als der Abschied vom Chromium-Browser als DEB-Paket vor zwei Jahren, denn Chromium war ein Alternativbrowser und nicht der Standard wie Firefox.
Dass mit den Browsern ausgerechnet die meistgenutzte Software als Snaps geliefert werden, ist insofern nachvollziehbar, als diese aus Sicherheitsgründen die meiste Updatepflege benötigen und dies für jeweils verschiedene noch unterstützte Ubuntu-Versionen. Snaps sind hingegen versionsunabhängig – und noch besser (für Ubuntu und Canonical): Man kann bei Snaps die ganze Updatearbeit einfach dem Softwarehersteller überlassen, im Falle von Firefox also der Mozilla Foundation. Einziger Vorteil für den Benutzer: Da ein Zwischenschritt entfällt, landen die aktuellsten Browserupdates schneller auf dem System des Endanwenders.
Ansonsten überwiegen eindeutig die Nachteile: Snaps starten – so auch eindeutig der Firefox unter Ubuntu 21.10 – spürbar langsamer, dies immerhin nur beim ersten Aufruf innerhalb einer Systemsitzung. Snaps, da sie distributionsunabhängig alle Bibliotheken mitbringen müssen, fordern außerdem den fünf- bis zehnfachen Platz auf dem Systemdatenträger im Vergleich zu DEB-Paketen. Nicht zuletzt zwingen Snap-Pakete für fundamentale Software alle Ubuntu-Derivate dazu, die Snap-Umgebung nolens volens als Standard zu akzeptieren. Mindestens Linux Mint hat damit bekanntermaßen erhebliche Schmerzen.
Zu schlechter Letzt gibt es auch noch aktuelle technische Probleme mit dem Firefox-Snap: In Ubuntu 21.10 funktioniert die Gnome-Shell-Integration über das Browser-Add-on nicht. Diese altbekannte Firefox-Schaltzentrale wäre notwendig, um Gnome-Erweiterungen von extensions. gnome.org zu installieren. Im Snap-Firefox darf das Add-on nicht installiert werden, da offenbar ein noch ungelöstes Rechteproblem vorliegt.
Im Hinblick auf die Einzelsoftware Firefox ist das Snap-Deployment sicher ein weiterer schwerer Treffer auf einen ohnehin abstürzenden Software-Stern. Allgemein hat Canonicals Snap-Strategie das Potenzial, das komplette Ubuntu-Biotop zu seinem Snap-Daemon und in seinen snapstore.io zu zwingen, falls künftig auch systemnahe Komponenten (ohne Wahlfreiheit wie beim Browser) nur noch als Snaps bereitgestellt werden.
Die Ubuntu-Flavours

Alle Modifikationen am Unterbau von Ubuntu 21.10 – Kernel, Software, Soundserver, Nftables – gelten eins zu eins auch für die offiziellen Ubuntu-Varianten. Alle weiteren Neuheiten sind dann desktopspezifisch.
Kubuntu : Der Desktop KDE Plasma liegt hier in Version 5.22 vor und somit ohne wesentliche Änderungen gegenüber der letzten Kubuntu-Ausgabe. KDE Plasma bietet das gewohnt klassische Bedienkonzept, exzellente Systemtools und differenzierte Anpassungsmöglichkeiten. In den Paketquellen gibt es einige aktualisierte KDE-Programme wie Krita, Kdevelop, Yakuake. Der X11-Modus bleibt weiterhin Standard, der Wayland-Modus eine Option am Anmeldebildschirm.
Xubuntu : Dieses Ubuntu nutzt den konservativen Desktop XFCE, der selten aktualisiert wird und auch hier bei der altbekannten Version 4.16 bleibt. Dringende Gründe, diesen ausgereiften und intuitiven Desktop zu ändern, gibt es aber auch kaum. Ab Version 21.10 ist das wichtige Systemtool Gnome-Disks vorinstalliert. Insgesamt ist das schlanke Xubuntu zwar etwas anspruchsvoller als Lubuntu, aber immer eine Empfehlung für nicht mehr taufrische Hardware.
Lubuntu : Die LXQT-Desktopumgebung in Version 0.17 bringt etliche Verbesserungen für die Systemleisten (Autohide), bei der Energieverwaltung, beim Standarddateimanager Pcmanfm und Archivmanager. Lubuntu bleibt das kleinste und anspruchsloseste Ubuntu mit etwa 450 MB RAM ab Anmeldung.
Ubuntu Mate : Der Mate-Desktop in aktueller Version 1.26 erhält diverse neue Detailfunktionen wie einen sicheren Gastzugang für Fremdnutzer, eine Extra-Sidebar für die Lesezeichen im Dateimanager und erweiterte Optionen zur Fensterpositionierung in der Steuerzentrale. Unter der Haube soll Mate 1.26 durch Leistungsoptimierung und Bugfixes sowohl schneller wie schlanker ausfallen. Aktuell liegt ein Ubuntu Mate 21.10 beim RAM-Bedarf etwa auf der Höhe von Kubuntu.

Ubuntu Budgie : Der Budgie-Desktop, hier in Version 10.5.3, gehört zu den aufstrebenden Oberflächen und erlebt nach wie vor die meisten Änderungen und neuen Funktionen. Die Oberfläche macht ihrem Anspruch wieder alle Ehre, attraktiver, anpassungsfähiger und dabei noch ein kleines Stück anspruchsloser zu sein als die Gnome-Basis. „Budgie Desktop Einstellungen“ plus „Budgie Themes & Layout“ erlauben schnelle und umfassende Desktopumbauten. Das angekündigte „Windows 11 Layout“ können wir nicht finden, das ist aber durch Größen- und Positionsänderungen von Hauptleiste und Menü mühelos manuell zu arrangieren. Der deutlich überarbeitete „Window Shuffler“ ist eine Budgie-Spezialität, die Tasks in vorgegebene Fensterlayouts arrangiert und auch als Programmmultistarter arbeitet. Zahlreiche kleinere Detailverbesserungen gibt es für die Leistenapplets, das Menü-Applet und die („Raven“-)Infoleiste.
Installation und Upgrades
Die ISO-Images mit den Live- und Installationsmedien der meisten Ubuntu-Editionen sind inzwischen auf satte drei GB angewachsen. Lediglich Xubuntu und Lubuntu genügen noch zwei GB.
Infos und Downloads für alle Ubuntu-Flavours finden Sie hier:
- Ubuntu (Canonical-Hauptedition mit Gnome)
- Kubuntu (mit KDE Plasma)
- Xubuntu (mit XFCE)
- Lubuntu (mit LXQT)
- Ubuntu Mate (mit Mate)
- Ubuntu Budgie (mit Budgie)
Die allesamt hybriden ISO-Images booten nicht nur von DVD, sondern auch von USB und können daher mit den bewährten Werkzeugen auf USB-Stick kopiert werden (u. a. Etcher , Gnome-Disks, dd, Win 32 Disk Imager ). Wir empfehlen nach Start des Livemediums für Installationen immer die Option „Ausprobieren“ (statt direktes „Installieren“) und den anschließenden Start des Installationslinks am Desktop des Livesystems. Das Livesystem im Hintergrund bietet in Zweifelsfällen bessere Kontrolle: So kann dann etwa das Terminal oder die Laufwerksverwaltung Unsicherheiten hinsichtlich der Laufwerkskennungen beseitigen, bei Bedarf kann vor der Installation noch eine Datensicherung erfolgen.
Das Upgrade älterer Versionen: Alle Ubuntu-Editionen bieten via „Aktualisierungsverwaltung“ das Upgrade auf die jeweils aktuelle Version an. Dazu muss vorher mit der „Aktualisierungsverwaltung“ oder im Terminal mit
sudo apt update
sudo apt upgrade
eine vollständige Systemaktualisierung erfolgt sein. Außerdem muss unter „Anwendungen & Aktualisierungen –› Aktualisierungen“ der unterste Punkt „Auf jede neue Version“ gesetzt sein. Kurzlebige STS-Ubuntus wie das aktuelle 21.10 zählen nämlich nicht zu den voreingestellten Pflichtupgrades. Nach unserer Erfahrung genügt dies, um früher oder später das Upgradeangebot gemäß Abbildung zu erhalten. Sie können die Aktion aber mit dem Terminalbefehl
update-manager -d
auch manuell anstoßen.
Extra-Tipps für Lubuntu: Beim Lubuntu-Upgrade auf Version 21.10 ändert sich der Dateiname einer wichtigen Konfigurationsdatei: Im Pfad „~/.config/openbox“ muss die bisherige Datei „lxqt-rc.xml“ ab sofort „rc.xml“ heißen. Kopieren Sie in diesem Ordner einfach die Datei „lxqt-rc.xml“ auf „rc.xml“.
Bei einer Neuinstallation von Lubuntu 21.10 gibt es ebenfalls einen marginalen Fehler: Am Ende der Installation unterbleibt der übliche Hinweis, das Installationsmedium zu entnehmen und den Rechner mit Eingabetaste neu zu starten. Der Bildschirm bleibt einfach schwarz und der Rechner fährt nicht herunter: Drücken Sie einfach die Eingabetaste.