Kritiker sehen in smarten Lautsprechern wie Apples Home Pod oder dem „Home“ von Google den Beginn eines großen Lauschangriffs. Weltweit verkaufen sich die per KI getriebenen Geräte allerdings wie geschnitten Brot. Wem der Gedanke an die Cloud von Google, Amazon und Apple nicht behagt oder wer einfach einmal eine Alternative ausprobieren will, kann sich mit dem Raspberry Pi, etwas Hardware und der Distribution Picroft sein eigenes System bauen.
Voraussetzungen: Was Sie alles benötigen
Für die Einrichtung Ihres smarten Lautsprechers Marke Eigenbau benötigen Sie einen Raspberry Pi 3. Die Modellreihe 2 funktioniert im Prinzip auch, ist aber letztlich zu langsam. Für das Betriebssystem sollte die verwendete SD-Karte mindestens acht GB Platz bieten. Für die Einrichtung sind außerdem Tastatur und Monitor empfehlenswert. Da das System auf Sprachkommandos reagieren muss, benötigen Sie außerdem ein Mikrofon, das Sie an die USB-Schnittstelle anschließen können. Hier sind keine Besonderheiten zu beachten. Es genügt bereits etwa das Minimikrofon MI-305, das Sie für drei Euro im Elektronikhandel bekommen. Schließlich ist noch ein Lautsprecher nötig, den Sie an den 3,5-Millimeter-Anschluss der Platine einstecken können. Für die Einrichtung des Systems muss der kleine Computer mit dem Internet verbunden werden, entweder per WLAN oder über ein Ethernet-Kabel mit dem Router. Laden Sie sich zunächst das aktuelle Image von Picroft auf einen zweiten Rechner ( https://mycroft.ai/get-mycroft/ ). Mittels dd, Etcher oder Win 32 Disk Imager kopieren Sie das Betriebssystem auf die SD-Karte. Legen Sie diese ein, stecken Sie alles am Raspberry zusammen und schließen Sie am besten auch einen Monitor an das System an. Standardmäßig läuft aber auch ein SSH-Server. Für den SSH-Zugriff müssen Sie lediglich die IP-Adresse des Systems kennen, die der Heimrouter offenbart. Dann verbinden Sie sich mittels
ssh pi@[IP-Adresse]
und dem voreingestellten Passwort „mycroft“.

Einrichtung und Pairing
Ob per SSH oder per Tastatur und Monitor, spielt keine Rolle, denn Picroft führt Sie durch die notwendigen Schritte, um das Pairing auszuführen. Dabei wird der Rechner mit Ihrem persönlichen Mycroft-Konto in der Cloud verknüpft. Nutzen Sie am besten den geführten Einrichtungsprozess, das ist auch gleich die erste angebotene Option. Das System hilft Ihnen bei der Einrichtung von Mikrofon und Lautsprecher. Die Schritte sind dabei selbsterklärend. Sie können jeweils für Lautsprecher und Eingabequelle getrennt die Empfindlichkeit und Lautstärke einstellen und dann gleich die neuen Optionen ausprobieren.
Der wichtigste Schritt ist die Konfiguration des Netzwerks und die Verbindung mit dem Server von Picroft. Diese Verbindung ist notwendig, die Entwickler garantieren aber, dass hier keine Informationen gesammelt werden.

In unserem Beispiel haben wir das Setup per WLAN genutzt. In diesem Fall entscheiden Sie sich für „Basic Wifi with SSID and password“ und tragen dann die Verbindungsdaten Ihres WLANs ein. Derzeit werden nur Verbindungen mit 2,4 GHz unterstützt. Sobald Picroft erfolgreich mit dem Internet verbunden ist, aktualisiert es das System und teilt Ihnen einen Code für die Kopplung mit dem Mycroft-Account mit. Dies erfolgt dann bereits per Sprachausgabe. Wenn der Monitor noch mit dem System verbunden ist, lesen Sie den Code auch hier nach. Legen Sie sich auf der Seite https://home.mycroft.ai ein neues Benutzerkonto an.
Mittels „Add Device“ kann das Pairing gestartet werden. Dort geben Sie den sechsstelligen Code ein, den Ihnen Picroft in regelmäßigen Abständen vorliest. Und zwar so lange, bis dieser in der Cloud hinterlegt und die Verbindung hergestellt wurde. Ist dieser Schritt erfolgreich abgeschlossen, können Sie bereits erfolgreich das erste Kommando absetzen. Wie wäre es mit „Hey Mycroft, what can you do?“

Unterschiede zu kommerziellen Lösungen
Mycroft, auf dem Picroft basiert, ist ein überzeugendes Beispiel für die Kraft des Open-Source-Gedankens. Es wäre dennoch vermessen, von dem kleinen System die gleiche Leistung zu erwarten, wie sie etwa in dem KI-System Alexa von Amazon steckt. Schließlich sind die smarten Lautsprecher für den US-Konzern von großer strategischer Bedeutung und entsprechend viel Personal arbeitet daran.
Es sind insgesamt drei Bereiche, die den Unterschied gegenüber den kommerziellen Lösungen ausmachen. Der Raspberry arbeitet nur mit einem Mikrofon. Die Hardware von Amazon und Google haben eine ganze Reihe von Mikrofonen verbaut, um Signale aus möglichst allen Richtungen aus dem Raum zu empfangen. Die Verständigung mit Mycroft klappt am besten, wenn Sie direkt in Richtung des Geräts sprechen. Ein zweiter großer Unterschied besteht in der Steuerung von Geräten für das Smart Home. Hier sind mehr Bastelarbeiten nötig und oft muss man sprichwörtlich um die Ecke denken. Wer Lampen und Heizung per Sprache steuern will, benötigt nicht nur eine lauffähige Installation von Mycroft beziehungsweise Picroft, sondern auch die Steuerungszentrale für das Smart Home wie Open HAB oder Home Assistant muss eingerichtet und lauffähig sein. Außerdem müssen sich beide im gleichen Netzwerk befinden, damit Picroft dann auch den Server erreicht. In den aktuellen Versionen von Picroft kann dann das benötigte „Skill“, also die Programmerweiterung, per Sprache installiert werden. „Hey Mycroft, install openhab“ sollte als Kommando genügen. Alternativ können Sie sich auch per Terminal mit dem Picroft-System verbinden, um dann mit
msm install openhab
die Erweiterung zu nutzen. Auch eine Erweiterung für den Home Assistant steht zur Verfügung ( https://github.com/btotharye/mycroft-homeassistant ).
Gar nicht trivial: Die Umstellung auf Deutsch
Der größte Unterschied zu Alexa & Co. ist die nach der Installation fehlende Unterstützung der deutschen Sprache. Um mit dem Raspberry auf Deutsch zu kommunizieren, ist ein größerer Umbau notwendig. Die Entwickler betonen auch freimütig, dass es sich um ein experimentelles Feature handelt. Denn auch wenn der Kern auf die neue Sprache umgestellt ist, bedeutet das leider (noch) nicht, dass die installierten Skills diesen Wechsel ohne Probleme mitmachen.
Wer sich die Arbeiten auf der Kommandozeile zutraut, kann sich an die offizielle Anleitung des Projekts https://mycroft.ai/documentation/language-support/german/ halten. Hier wird erklärt, wie ein neues „Wake-Word“ eingerichtet und wie das deutsche Sprachmodell auf das System übertragen, entpackt und konfiguriert wird. Lohn dieser – allerdings erheblichen – Mühe ist ein smartes System, das ohne die Datensammelei großer Konzerne auskommt.
Mit dem Raspi können Sie übrigens auch Ihre Wohnung überwachen