Keine Software hat so schnell einen so schlechten Ruf bekommen wie die Social Bots. Der überwiegende Tenor der schreibenden Zunft ist negativ ( Social Bots verpesten das Netz oder Die Meinungsmaschinen sind unter uns ). Wir wollen aber einen auch positiven Blick auf diese Bots werfen, mit einigen Missverständnissen aufräumen und bei aller berechtigter Kritik auch die Möglichkeiten von Social Bots am Beispiel des Lernens aufzeigen.
Was sind Social Bots?
Das Gabler Lexikon der Wirtschaftsinformatik definiert Social Bots als “Softwareroboter bzw. -agenten, die in sozialen Medien (Social Media) vorkommen. Sie liken und retweeten, und sie texten und kommentieren, können also natürlich-sprachliche Fähigkeiten haben. Sie können auch als sogenannte Chatbots fungieren und dann mit Benutzern synchron kommunizieren. Social Bots werden zur Sichtbarmachung und Verstärkung von Aussagen und Meinungen eingesetzt. Dabei können sie werbenden Charakter besitzen bzw. politische Wirkung entfalten.”
Diese Definition bezieht sich allerdings nur auf Bots, die versuchen, menschliches Verhalten in sozialen Netzwerken nachzumachen. Wir werden sehen, welche Arten von Bots es noch gibt und vor allem, was uns damit noch bevorsteht.
Offensichtlich gibt es neben den Bots in den sozialen Medien Bots, denen es vor allem darum geht, Webseiten zu attackieren, um Informationen abzugreifen oder Schadsoftware zu hinterlassen. Einige von ihnen versuchen ebenfalls, menschliches Verhalten nachzuahmen, hauptsächlich, um so durch die Abwehrmaßnahmen der Webseiten-Betreiber zu kommen.
Worum geht es?
Während viele noch denken, die meiste Aktivität im Web entstehe durch das Anschauen von Pornographie und Katzenbildern, ergab eine Statistik, dass schon 2013 61,5 Prozent des gesamten Verkehrs im Web durch Bots erzeugt wurde . Wobei der Anteil der gutartigen Bots im Jahr 2016 dann bei 22,9 Prozent und der Anteil der bösartigen Bots bei 28,9 Prozent lag. 48,2 Prozent der Besucher von Webseiten waren demnach immer noch Menschen.
Bösartige Bots als Besucher von Websites lassen sich durch folgende vier Typen charakterisieren:
- Scrapers stehlen und duplizieren Inhalte, stehlen E-Mail-Adressen für Spamming-Zwecke und analysieren Preis- und Geschäftsmodelle
- Hacking-Tools stehlen Daten, beispielsweise Kreditkartendaten, injizieren und verteilen Malware, übernehmen Websites, zerstören deren Inhalte und Präsentation
- Spammers versenden irrelevante und ärgerliche Inhalte, versenden Malware und Phishing-Links, die Besuchern schaden, verwandeln Websites in Link-Farmen, wobei diese in Suchmaschinen letztlich blockiert werden
- Impersonators ( Impersonators sind Angreifer-Bots, die sich als legitime Besucher ausgeben, um Sicherheitslösungen zu umgehen) vermarkten geheimdienstliches Wissen, führen Attacken durch, die Dienste verhindern oder verzögern, konsumieren Bandbreite.
Gutartige Bots als Besucher von Websites lassen sich in folgende vier Typen aufteilen:
- Search Engine Bots
- Kommerzielle Crawler
- Feed Fetchers
- Monitoring Bots
Aber eigentlich sind Social Bots die Ultima Ratio der Informatik. Das hängt mit dem Turing-Test zusammen. Ein Social Bot, der den Turing-Test bestehen würde, wäre uns an Intelligenz gleich. Im Jahr 2011 nahm ein Social Bot namens Cleverbot zusammen mit echten Menschen an einem dem Turing-Test angelehnten Versuch am IIT Guwahati in Indien teil. 59 Prozent von 1334 teilnehmenden Personen hielten Cleverbot nicht für einen Bot, wobei sie aber nur Zuschauer und nicht Turing-Tester waren.
Welche Aufgaben haben Bots schon übernommen?
Bekannt ist der Twitter-Bot , womit man eine Reihe von Social Bots meint, die man auf recht einfache Weise erzeugen kann und die verschiedene Aufgaben in diesem sozialen Medium übernehmen. Dazu gehören das Aggregieren und das Remixen von Inhalten, aber auch soziale Interaktionen wie das Liken und das Retweeten.
Eine Plattform zur Generierung von solch einfachen reaktiven Bots ist IFTTT (If this than that). Auf dieser Plattform stehen schon tausende Bots bereit, die nur noch an eigene Aufgaben angepasst werden müssen. Diese Bots werden zunehmend in sogenannten Astroturfing-Kampagnen eingesetzt, um den Anschein einer breiten Unterstützung durch Akteure in sozialen Medien zu erwecken.
Ein Wired-Artikel unterscheidet drei Arten bösartiger Aktivitäten in Twitter:
- Überlaster, die eine bestimmte Person mit Aussagen überfluten
- Trendsetter, die durch Zusammenschalten einer kleinen Armee von Social Bots den Anschein von Relevanz erzeugen und
- Auto-Trolle, die durch das Anzetteln sinnloser Diskussionen die Zeit der Nutzer verplempern
Darüber hinaus lassen sich auch in anderen sozialen Medien wie der Wikipedia bereits deutliche Aktivitäten von Social Bots erkennen. Dort bekämpfen sich mittlerweile sogar Bots in der Erstellung und Löschung von Beiträgen in sogenannten “edit wars” .
Welche Aufgaben werden Bots noch übernehmen?
Dass Scoial Bots ihr Dasein nur in den sozialen Medien fristen müssen, ist noch nicht ausgemacht. Mit der zunehmenden Popularität digitaler Assistenzsysteme auf Smart Phones ( Siri und Co.) und in Smart Homes ( Alexa und Co.) ist davon auszugehen, dass Bots immer mehr alltägliche Aufgaben übernehmen, wenn es gelingt, in gesprochener Sprache mit ihnen zu kommunizieren. Das wird durch die allgemeine Verfügbarkeit von quelloffenen Software-Entwicklungswerkzeugen begünstigt.
Fast alle großen Unternehmen aus der IT- Branche sowie Internetriesen veröffentlichen ihre Software im Wochentakt, auch um die besten Talente auf einem heiß umkämpften Markt im Sinne der offenen Innovation an sich zu binden. Amazon hat vor einiger Zeit die Spracherkennungs-Software Lex freigegeben. Daher gibt es mittlerweile schon einige Plattformen für die Generierung von einfachen reaktiven Social Bots.
Ein Beispiel ist Chatfuel . Bei dieser Plattform kann man sich mit dem Facebook-Konto anmelden. Ziel der Plattform ist es, aus einfachen vorgefertigten Elementen ohne Programmierkenntnisse einen Chatbot für den Facebook Messenger zu bauen. Durch vielerlei Zusatzelemente lassen sich andere Dienste auf dem Web leicht integrieren.
Ähnliche Plattformen sind Pandorabots und Octane AI . Botkit ist eher etwas für Entwickler und wird mit dem Github-Konto verbunden, dafür kann man dann Bots für verschiedene Plattformen wie Slack, Facebook, Cisco Spark und Microsoft Teams entwerfen. Das Projekt selbst ist quelloffen und eine Reihe von Zusätzen ist bereits verfügbar. Auch Botpress ist quelloffen und will für Bots das werden, was WordPress für Webseiten-Betreiber ist.
Ebenfalls quelloffen ist das Microsoft Bot Framework . Es richtet sich ebenfalls an Entwickler, geht aber über Botkit und Botpress hinaus, da es bereits durch Einbeziehung verschiedener Module mit Künstlicher Intelligenz gesprochene Sprache versteht. Auch Wit.ai ist quelloffen und erlaubt die Analyse von Texten und gesprochener Sprache.
Die einzige kollaborative Plattform ist Botmock . Hier können mehrere Personen gleichzeitig an einem Bot arbeiten, aber leider ist das nur in der kommerziellen Version möglich.
Diese Plattformen dienen dem Entwurf und der Nutzung reaktiver Bots, die einfache Aufgaben übernehmen können. Der nächste Schritt ist, solche Plattformen auch für komplexere Aufgaben zur Verfügung zu stellen.
Mit den jüngsten Erfolgen der Künstlichen Intelligenz werden wieder Versuche in diese Richtung angestellt, obwohl viele Projekte in der Vergangenheit nicht erfolgreich waren. Man denke nur an Karl Klammer, den Microsoft-Office-Avatar, den viele nur als nervig empfanden, weil er nicht viel mehr als das Offensichtliche empfehlen konnte.
Neuerdings hört man immer öfter, dass natürlich-sprachige Chatbots für relativ komplexe Aufgaben wie telefonische Bewerbungsgespräche oder Tischreservierungen in Restaurants eingesetzt werden.
Wir stellen ein Beispiel aus der aktuellen Forschung vor, das sich mit dem informellen Lernen beschäftigt.
Social Bots für das informelle Lernen
Während in der Schule immer eine Lehrerin oder ein Lehrer den Lernfortschritt überwacht und gegebenenfalls eingreift, wenn die Schülerin oder der Schüler sich nicht in die gewünschte Richtung entwickeln, gibt es außerhalb der Schule immer wieder Lernkontexte, die nicht von Lehrenden überwacht werden. Beispiele sind Universitäten, wo der Betreuungsschlüssel bei ca. einer Hochschuldozentin oder einem Dozenten für 100 Studierende liegt, oder das Lernen am Arbeitsplatz. Da gibt es dann zwar Feedback, aber die Lernenden wünschen sich oft mehr und detaillierte Rückmeldungen.
Hier kann man darüber nachdenken, Social Bots als Mentoren einzusetzen. Diese Bots haben dann die Aufgabe, auf bestimmte Situationen entsprechend zu reagieren und dem Lernenden Feedback zu geben, etwa eine Erinnerung, wenn die Abgabe einer Hausarbeit ansteht.
Neben diesem reaktiven Verhalten, das schon durch existierende Plattformen in Ansätzen abgedeckt werden könnte, wollen wir aber auch Bots erzeugen, die dem Lernprozess folgen können und aus den Äußerungen der Lernenden den Inhalt erkennen, um dann auf die Lernsituation abgestimmte Antworten zu geben – was eher einem menschlichen Lernpartner entspricht.
Solche Bots sind nur durch die Anwendung fortgeschrittener Methoden der Künstlichen Intelligenz und des maschinellen Lernens möglich. Die quelloffene Deep-Learning-Plattform Tensorflow ist geeignet, um solche generativen Social Bots zu trainieren.
Es gibt einige Beispiele, Chatbots mit Deep-Learning-Methoden zu trainieren, etwa auf Distributed Noracle . Noracle erlaubt es, kollaborativ über das Web Social Bots für das informelle Lernen zu erzeugen, sie zu trainieren und zu nutzen. Die Plattform dient der Vorbereitung von Workshops zur sozialen Arbeit, indem sie die Teilnehmer auf das Ausmaß ihrer Ignoranz aufmerksam macht. Ausgehend von einer zentralen Fragestellung können Workshop-Teilnehmer vor dem Workshop gemeinsam über das Web weitere Fragen stellen, so dass ein Netzwerk an Fragen entsteht, die aufeinander Bezug nehmen können. Solche frage-orientierten Techniken befördern die Metakognition und erlauben es den Teilnehmern, sich in die Lage anderer Teilnehmer zu versetzen, und den Veranstaltern des Workshops, sich optimal auf diesen vorzubereiten.
Während die Verteilung der Plattform über das Web im Wesentlichen dazu dient, die Vor- und Nachbereitung der Workshops zu optimieren, dient der Einsatz der Social Bots zum einen der Steigerung der Motivation des kollaborativen informellen Lernens, zum anderen aber auch der Übernahme weitergehender Aufgaben, wenn beispielsweise metakognitive Prozesse angestoßen werden sollen, die ein Verständnis des Geschriebenen oder Gesagten erfordern.
Ein Beispiel für einen solchen Prozess ist die Aufgabe, zu verstehen, bis zu welchem Grad eine Frage die Gemeinschaft der Lernenden voranbringt. Dazu bedarf es des Verständnisses der Frage im Kontext der Lernsituation, aber auch ein Verständnis des sozialen Kontexts, der sich beispielsweise über eine Abstimmung äußert. Ein Social Bot kann aufgrund seines Trainings eine solche Fragestellung fiktionalisieren, also dem Fragesteller bedeuten, ob seine Frage eher positive Reaktionen oder eher negative Reaktionen hervorbringen würde. Solche Fragestellungen finden sich oft auf technisch orientierten Plattformen wie Stack Overflow . Angesichts der großen Anzahl von Fragen ist es absolut notwendig, kollektive Intelligenz einzusetzen, und Social Bots sind Bausteine einer weiteren Optimierung.
In der Wikipedia sind mittlerweile hunderte Bots für alle möglichen Aufgaben registriert. Um solche komplexen Fragestellungen zu beantworten, bedarf es entweder aufwändiger Entwicklung oder einer Entwicklungsplattform, die es – ähnlich der vorgestellten Plattformen – erlaubt, mit grafischen Werkzeugen Aufgaben für Social Bots aus vorgefertigten Elementen zusammenzustellen. Am besten geschieht das natürlich kollaborativ unter Nutzung der kollektiven Intelligenz und über das Web, um die notwendige Masse von Teilnehmern zu gewinnen. Die Ergebnisse sollten auch für andere zur Verfügung stehen.
Dann müssen die Social Bots natürlich trainiert werden, was man weitestgehend automatisieren sollte. Letztlich müssen die Bots in die Lernumgebung integriert werden, was möglichst natürlich geschehen sollte. Beispiele der Integration aus den Plattformen waren mit Slack, Messenger, Telegram und ähnlichen Kommunikationsplattformen ja schon gegeben. Auf Youtube gibt es ein kurzes Video, das erklärt, wie die Plattform arbeitet und wie die ersten Schritte aussehen.
Ausblick
Die Roboter-Mensch-Kommunikation wird zunehmen, in unserem Berufsleben, in unserem Privatleben. Paul Watzlawick, der berühmte Kommunikationswissenschaftler, schrieb, dass es uns ein tiefes menschliches Bedürfnis ist, mit Entitäten zu kommunizieren, die anders sind als wir. Seien es Götter, Tiere oder Außerirdische. Roboter und damit auch Social Bots fallen in diese Kategorie. Es fasziniert uns, mit ihnen zu kommunizieren, auch wenn wir wissen, dass sie in ihren Möglichkeiten beschränkt sind. Daher sehe ich in der Zukunft weitere Anwendungsfelder für Social Bots.
Aber wir müssen uns auch der Gefahren bewusst sein. Es ist immer gut, zu wissen, ob das Gegenüber ein Mensch oder eine Maschine ist. Wired berichtet, dass schon die Beeinflussung von 10.000 Menschen ausreicht, um Trends in deutschen sozialen Medien zu erzeugen – für eine Social-Bot-Armee sind das Peanuts.
Um sich weiter über das Thema zu informieren, empfehle ich Botswatch , obwohl die Methoden zur Identifizierung von Social Bots zur Zeit noch sehr einfach sind. Auf der Plattform Hoaxy werden die Reichweiten von Fake News überprüft. Die Plattform Botometer überprüft, ob es sich bei einem Twitter-Konto um einen menschlichen Nutzer oder um einen Bot handelt.
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