200 Gramm, mehr wiegt die eigene Bibliothek dank des Siegeszugs des E-Readers nicht mehr. Spezielle E-Ink-Displays, die dem Sonnenlicht trotzen, wochenlange Laufzeiten und robuste Gehäuse ebneten den Weg zum Erfolg.
Wer sich heute überlegt, ein neues Lesegerät anzuschaffen, stößt schnell auf die Frage: Amazon Kindle oder Tolino ? Die beiden Anbieter dominieren den E-Book-Markt in Deutschland. Und schmieden fortlaufend neue Angebote, um die Leserschaft auf ihre Seite zu ziehen. PC-WELT nimmt die beiden Anbieter unter die Lupe und zieht einen Vergleich.
Tolino: Flexibel lesen
Tolino ist ein Zusammenschluss der größten deutschen Buchhandelsketten. 2013 kamen die ersten E-Reader der Tolino-Allianz auf den Markt, um der seit 2009 aufstrebenden Amazon-Dominanz Paroli auf dem deutschen E-Book-Markt zu bieten. Mit dabei sind namhafte Vertreter wie die Buchhandelsketten Thalia , Weltbild und Hugendubel . Technologische Unterstützung bekam Tolino in den ersten Jahren von der Deutschen Telekom. Seit 2017 stellt der E-Reading-Spezialist Kobo als neuer Technologiepartner die Hardware für Tolino bereit.
Im Gegensatz zum Kindle-Ökosystem setzt Tolino auf eine offene Plattform, die das kompatible Epub-Format unterstützt. Einen Gerätezwang wie bei Amazons Kindle gibt es nicht. Über Weltbild und Co. erworbene Bücher sind zwar ebenfalls kopiergeschützt, lassen sich aber legal auf kompatible Geräte anderer Hersteller übertragen.
Seit Herbst 2017 bietet Tolino unter dem Namen Tolino Select auch eine Art eingeschränktes E-Book-Abo an: Aus einer Empfehlungsliste können Leser für rund zehn Euro im Monat vier Bücher auswählen und diese zeitlich unbegrenzt lesen: Die Bücher bleiben während der gesamten Abo-Laufzeit in der Bibliothek des Nutzers. Noch ein Vorteil: Über Onleihe können registrierte Nutzer E-Books aus ihren lokalen Bibliotheken ausleihen.
Amazon Kindle: Riesenbibliothek mit Gerätezwang
Amazons Kindle schaut beim offenen Epub-Format in die Röhre – zumindest bei kopiergeschützten Werken. Für Bücher ohne Kopierschutz lässt sich die gefragte Format-Unterstützung mit der richtigen Anleitung aus dem Netz nachrüsten. Warum Amazon den Kindle-Nutzern hier das Leben unnötig schwer macht, liegt nahe. Der E-Commerce-Gigant möchte sein eigenes Angebot anpreisen. Und das hat es in sich.
Mit etwa 5,5 Millionen Büchern, Zeitungen und Zeitschriften – darunter tausende kostenfreie Literaturklassiker – ist die Amazon-Bibliothek die umfangreichste am Markt. Und auch in Sachen Hörbücher heizt Amazon mit seinem Audible-Angebot der Konkurrenz ein. So können Besitzer des Oberklasse-Readers Kindle Oasis dieses mitnutzen.

Anders als beim Tolino gibt es bei Amazon echtes Flatrate-Lesen: Abonnenten von Kindle Unlimited greifen für ebenfalls rund 10 Euro monatlich auf über eine Million E-Books (darunter rund 100.000 deutschsprachige Werke) und E-Magazine zu.
Hardware im Vergleich
Tolinos E-Reader-Flotte ist in den letzten Jahren stetig gewachsen. Vier Varianten stehen heute zur Auswahl. Genau wie bei Amazon. Ein sonnentaugliches Display, WLAN und einen Touch-Bildschirm haben sie alle. Auch Sicherheits- und Funktions-Updates liefern beide Hersteller kontinuierlich aus. Wieso manche Bücher-Fans dennoch gern dreimal so viel für ihren E-Reader wie andere ausgeben, verraten die Details. Wir haben die Kontrahenten der jeweiligen Preisklasse unter die Lupe genommen.
Für Einsteiger: Tolino Page vs. Kindle E-Reader
Sechs Zoll, WLAN und rund 70 Euro – die Einsteigerangebote Tolino Page und Kindle E-Reader ähneln sich nur auf den ersten Blick. Während der Kindle den leicht schnelleren Prozessor, mehr Speicherplatz, eine kompaktere Bauweise und die Seitenmerker-Funktion Pageflip besitzt, überzeugt der Tolino mit dem besseren Display.
Mit mehr Funktionen: Tolino Shine 2HD vs. Kindle Paperwhite
Eine Steigerung in Sachen Bildschirm, Akku und Funktionen gibt es im nächsthöheren Preissegment. Sowohl Tolino Shine 2HD (ab 99 Euro) als auch Kindle Paperwhite (120 Euro) bieten ein integriertes Leselicht und unterstützen Word- und PDF-Formate.
Besonders dem Kindle Paperwhite tut das Display-Update auf E-Ink-Carta-Technologie (bei Tolino schon in der Einsteigerklasse) gut. Im Gegensatz zum Tolino Shine 2HD unterstützt es zudem 3G, hat zahlreiche Social-Media-Funktionen mit an Bord und ermöglicht es, ohne eine Seite zu verlassen direkt Informationen über X-Ray und Wikipedia abzurufen. Der Tolino Shine 2HD hingegen hebt sich mit der leichteren und kompakteren Bauweise und dem – je nach Tolino-Shop, in dem Sie kaufen – günstigeren Preis ab.
Für Viel-Leser: Tolino Vision 4HD vs. Kindle Voyage
Für Viel-Leser legen die beiden Anbieter in Sachen Display und Funktionen noch mehr drauf. Sowohl Tolino Vision 4HD (ab 153 Euro) als auch Kindle Voyage (190 Euro) überzeugen mit einer leichten und kompakten Bauweise, guten Akkulaufzeiten, einer benutzerfreundlichen Umblätter-Funktion und einem sensorgesteuerten Licht, das sich an die Umgebung anpasst. Während der Kindle Voyage lediglich die Helligkeit anpasst, regelt der Tolino Vision 4HD zudem die Farbtemperatur.
Auch die innovativen Umblätter-Funktionen unterscheiden sich. Beim Kindle Voyage reicht dank der sogenannten Pagepress-Funktion ein kleiner Druck am Bildrand und der Leser springt ohne einen Finger heben zu müssen auf die nächste Seite.
Tolino nennt seine Umblätter-Funktion Tap2Flip: Ein ordentlicher Fingertipp auf der Rückseite genügt, und die nächste Buchseite erscheint. Auf die vorherige Seite – anders beim Kindle Voyage – kommt man allerdings auf diesem Weg nicht. Dafür punktet der Tolino Vision 4HD mit einem spritzwassergeschützten Gehäuse und doppelt so viel internem Speicher (acht Gigabyte).
Für Lese-Enthusiasten: Tolino Epos vs. Kindle Oasis
Wer es gern etwas größer hat, sollte sich die Highend-E-Reader der beiden Kontrahenten ansehen. Während der Kindle Oasis einen 7-Zoll-Bildschirm mitbringt, legt Tolino mit seinem Epos nochmal fast ein Zoll (7,8 Zoll) drauf. In Sachen interner Speicherplatz unterscheiden sich die beiden Highend-Geräte in der Standardausführung nicht (acht Gigabyte). Den Kindle Oasis gibt es zudem in einer Spezialversion mit 32 Gigabyte.
Ein interessantes Novum des Amazon-Premiumreaders ist die Ladehülle. Sie lädt sich gleichzeitig mit dem Kindle auf, wenn beide zusammengesteckt und mit einer Stromquelle verbunden sind. Auf Reisen können Sie dann mit der Ladehülle die Akkulaufzeit Ihres E-Readers verlängern. Und Amazon hat noch ein Kaufargument in der Schublade. So erhalten Besitzer eines Kindle Oasis einen Audible-Zugang für rund 200.000 Hörbücher.
Dass es diese Funktionen-Vielfalt nicht für lau gibt, liegt auf der Hand. Mit rund 230 Euro s ist der Kindle Oasis etwas teurer als die günstigsten Angebote des Tolino Epos (ab 199 Euro).
Fazit
Was die Hardware betrifft, gibt es auf beiden Seiten ähnlich gestrickte Produkte. Das zeigen auch die Preise, die sehr nahe beieinander liegen. Während Tolino durchwegs mit guten Displays die Leserschaft überzeugen will, hat Kindle mit einem 3G-Modul und Social-Media-Funktionen in Sachen Konnektivität die Nase vorn.
Entscheidendere Unterschiede gibt es in Sachen Angebot und Konzept: Während die Tolino-Allianz mit einem offenen Plattform-Ansatz den Kunden mehr Flexibilität verspricht, punktet Amazon mit echtem Flatrate-Lesen und einer umfangreicheren Online-Bibliothek.