„Deutschland will eine Vorreiterrolle bei der Durchdringung und Nutzung digitaler Dienste einnehmen. Die Nachfrage nach schnellen Internetverbindungen steigt rasant … Das Ziel der Bundesregierung ist es, dass mittels eines effizienten Technologiemix eine flächendeckende Breitbandinfrastruktur mit einer Downloadgeschwindigkeit von mindestens 50 MBit/s bis 2018 entsteht … Hierzu wird die Bundesregierung die erforderlichen Rahmenbedingungen …“. Schon die Jahreszahl 2018 macht klar, dass die zitierten Pläne nicht dem aktuellen Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD entnommen sind. Der Auszug stammt vielmehr aus der „Digitalen Agenda“, die sich die derzeit weiter geschäftsführend tätige Große Koalition vor vier Jahren gegeben hat .
Siehe auch: Mobilfunk – GroKo plant offenbar Gigabit-Ausbau bis 2025
Breitbandziel für 2018 verfehlt, Politik formuliert neue Ziele
Der aktuelle „Tätigkeitsbericht Telekommunikation und Post“ der Bundesnetzagentur aber macht klar, dass die Politik ihr selbst gestecktes Ziel nicht erreicht. Denn Ende 2017 standen nur für 77 Prozent aller deutschen Haushalte Internetanschlüsse mit mindestens 50 MBit/s zur Verfügung. Während die Quote in den Städten bei rund 90 Prozent lag, konnte in den ländlichen Regionen nur gut jeder dritte Haushalt (36 Prozent) auf 50 MBit/s zurückgreifen. In einigen strukturschwachen Landkreisen lag die Quote gar bei 20 Prozent, wie weitere Auswertungen zeigen. Angesichts dieses Rückstandes halten es Experten für ausgeschlossen, das 50-MBit-Ziel im Laufe dieses Jahres noch zu schaffen. Auch im internationalen Vergleich hinkt Deutschland bei den schnellen Breitbandanschlüssen hinterher, wie die neuesten Zahlen des Glasfaser-Interessenverbands FTTH Council Europa von September 2017 zeigen: Hierzulande verfügen nur 2,3 Prozent aller Haushalte über einen Glasfaserzugang. Im europäischen Vergleich liegt die Bundesrepublik damit an 29. Stelle – weit hinter dem EU-Durchschnitt von 13,9 Prozent und kaum besser als die 1,6 Prozent im Vorjahr, damals immerhin Platz 26. Nun stellt FTTH/FTTB (Fibre to the Home/ Building) nur eine Technik für schnelles Internet dar. Insbesondere die Kabelprovider wollen noch dieses Jahr mit ersten Gigabit-Anschlüssen die derzeit verfügbaren 50 MBit/s verdoppeln. Andererseits hatte gerade die Deutsche Telekom in den vergangenen Monaten massiv in die umstrittene Vectoring-Technik investiert, die auf die bestehende Infrastruktur der DSL-Kupferleitungen aufsetzt. Umstritten deshalb, weil Vectoring derzeit maximal 100 MBit/s erlaubt. Erst die Kombination mit Glasfaser bis zum Verteilerkasten steigert die Bandbreite auf 250 MBit/s. Ursprünglich wollte die Telekom dieses „Supervectoring“ bereits in der zweiten Jahreshälfte anbieten, jetzt wurden die Pläne auf 2019 verschoben. Dass der Bedarf nach hohen Bandbreiten da ist, zeigen aktuelle Zahlen der Bundesnetzagentur. Rund 13 Prozent der insgesamt 32,5 Millionen Breitbandkunden in Deutschland buchen bereits Zugänge mit 100 MBit/s und mehr – und zwar bundesweit. Die Buchungsquote derjenigen, denen solche Bandbreiten überhaupt zur Verfügung stehen, liegt also deutlich höher. So sieht Netzagenturchef Jochen Homann 50 MBit/s auch nur als Zwischenziel: „Mit steigenden Anforderungen an die Leistungsfähigkeit ist klar, dass wir weiter denken müssen als bis zum 50-MBit/s-Ziel 2018. Deutschland braucht gigabitfähige Infrastrukturen“. Wie also wollen Wirtschaft und Politik die dargestellten Probleme lösen und Deutsch-lands Breitbandinfrastruktur in den kommenden Jahren ausbauen?

©FTTH Council Europe, Stand September 2017
Wie läuft der Ausbau weiter? Gigabit als neues Versprechen
Noch ist die neue Große Koalition nicht unter Dach und Fach – davor steht der Mitgliederentscheid der SPD, dessen Ergebnis voraussichtlich am 4. März und damit nach Erscheinen dieser Ausgabe feststeht –, die Pläne der möglichen Koalitionspartner aber liegen vor. Zum Breitbandausbau heißt es im Koalitionsvertrag vollmundig: „An die Weltspitze im Bereich der digitalen Infrastruktur: Wir gestalten den Weg in die Gigabit-Gesellschaft mit höchster Priorität. Deshalb wollen wir den flächendeckenden Ausbau mit Gigabit-Netzen bis 2025 erreichen. Wir wollen den Netzinfrastrukturwechsel zur Glasfaser. Unser Ziel lautet: Glasfaser in jeder Region und jeder Gemeinde, möglichst direkt bis zum Haus.“ Dazu sollen in der neuen Legislaturperiode 10 bis 12 Millionen Euro öffentliche Gelder investiert werden, und zwar ausschließlich in die Glasfasertechnik. Systematisch ausgebaut werden sollen die bislang unterversorgten Gebiete in ländlichen Regionen. Finanziert werden soll der Ausbau unter anderem durch die Versteigerung neuer Mobilfunkfrequenzen (5G, siehe Kasten unten). Ferner sieht der Koalitionsvertrag vor, neue Anreize für den privatwirtschaftlichen Glasfaserausbau zu schaffen. Ein „rechtlich abgesicherter Anspruch zum 1. Januar 2025“ soll den flächendeckenden Gigabit-Ausbau sicherstellen – mehr also als nur eine bloße Absichtserklärung wie 2014.
Internet-Tarife im Vergleich: Wie surft man am besten?
Ausbau bei WLAN und digitaler Verwaltung – Fazit und Ausblick
Darüber hinaus plant die mögliche Koalition Investitionen in die digitale Infrastruktur, darunter in den Ausbau von WLAN. Dazu gehören offene und kostenfreie Hotspots in allen öffentlichen Einrichtungen des Bundes sowie in den Zügen und Stationen der Deutschen Bahn. Ferner soll die Verwaltung digitalisiert werden, damit die Bürger nicht für alles persönlich auf Ämtern und Behörden erscheinen müssen. Im Koalitionspapier heißt es dazu: „Der elektronische Personalausweis wird zu einem universellen, sicheren und mobil einsetzbaren Authentifizierungsmedium“. Zwar lässt sich der 2010 eingeführte elektronische Personalausweis schon jetzt für manche Behördengänge verwenden, das Einsatzspektrum aber ist noch ziemlich klein. Angesichts der bislang schleppenden Entwicklung und der verfehlten Ziele klingen die neuen Pläne zwar positiv, bei der Realisierung ist aber Skepsis angebracht. Das gilt nicht nur für die Digitalisierung der Verwaltung, sondern auch für den Breitbandausbau. Denn die Provider ziehen keineswegs alle an einem Strang – hinter den Kulissen findet vielmehr ein Hauen und Stechen statt, wie einmal mehr der Vectoring-Streit 2017 offenbarte. Im Kern ging es hier um die Frage, ob vor allem die Deutsche Telekom ihren Wettbewerbern den Zugang zu den Endkunden durch den Einsatz dieser speziellen Technik verwehren darf oder nicht. Sie darf, wie die Netzagentur später entschied. Wie so oft geht es also wieder einmal um Kunden, Geld und Wettbewerb. Dass Vodafone als Betreiber des größten deutschen Kabelnetzes (ehemals „Kabel Deutschland“) ganz andere Interessen hat als die Provider von Glasfaser, wo der Auf- und Ausbau der Infrastruktur viel Geld kostet, liegt auf der Hand. Die Deutsche Telekom wiederum könnte schon bald vom Vectoring- zum Glasfaser-Befürworter mutieren. Erst vor wenigen Wochen veröffentlichte der Bundesrechnungshof einen zwei Jahre lang unter Verschluss gehaltenen Bericht zum Breitbandausbau in der zurückliegenden Legislaturperiode: Zwar wird der Begriff „Chaos“ darin nicht genannt, seinen Inhalt könnte man aber so zusammenfassen . Für die Zukunft lassen die bisherigen Erfahrungen also nicht unbedingt das Beste erwarten.
Neuer Mobilfunkstandard 5G
Die neue, nach LTE nun fünfte Mobilfunkgeneration (kurz: 5G) steht in den Startlöchern. Noch sind die technischen Standards für die mit bis zu zehn GBit/s deutlich schnellere Mobilfunktechnik nicht vollständig verabschiedet, so laufen doch längst Live-Feldversuche: seit Herbst durch die Deutsche Telekom in Berlin und zuletzt während der Olympischen Winterspiele in Südkorea.
Noch in diesem Jahr sollen in Deutschland die neuen Mobilfunkfrequenzen versteigert werden – und im nächsten Jahr der Netzausbau beginnen. Mit höheren Datenraten, geringeren Latenzzeiten, weniger Energieverbrauch der Mobilgeräte und höherer Netzzuverlässigkeit könnten die ersten 5G-Netze dann 2020 in Betrieb gehen.