Linux Mint basiert bekanntlich auf der LTS-Version von Ubuntu und folgt dieser stets mit einigen Monaten Verzögerung. Das letzte Point Release 16.04.3 von Ubuntu fand im August 2017 statt und Linux Mint vollzog Anfang Dezember 2017 den analogen Schritt zu 18.3. Damit ist Linux Mint wieder auf dem Stand der Dinge mit aktuellerem Linux-Kernel 4.10 inklusive frischen Hardwaretreibern. Der Support mit Updates reicht bei Version 18.3 genau wie beim Ubuntu- Unterbau bis 2021.
Der Platzhirsch unter den Linux-Desktops war zwischen August und Dezember nicht faul: Linux Mint 18.3 erhält nämlich nicht nur den neuen Ubuntu-Unterbau, sondern eine Reihe beachtlicher Verbesserungen, die sämtliche Mint-Varianten betreffen (Cinnamon, Mate, XFCE, KDE), sowie einige Neuheiten beim Standarddesktop Cinnamon (Version 3.6).
Mit Version 18.3 fiel übrigens auch noch eine mutige strategische Entscheidung: Linux Mint verabschiedet sich vom KDE-Desktop – Version 18.3 ist das letzte Mint mit KDE-Edition. Das ist aus unserer Sicht ein vernünftiger Schritt, da sich Linux Mint in erster Linie durch seinen Stammdesktop Cinnamon definiert, für dessen Weiterentwicklung nun mehr Ressourcen freiwerden.
Infos zu Linux Mint 18.3 „Sylvia“
Webseite und Downloadlinks: www.linuxmint.com Dokumentation: www.linuxmint.com/documentation.php Release Notes für Version 18.3: www.linuxmint.com/rel_sylvia.php
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Anwendungsverwaltung mit Flatpak-Integration
Für das Mint-Team ist der grafische Paketmanager mintinstall („Anwendungsverwaltung“ auf deutschem System) der eindeutige Star der neuen Version 18.3. Die Anwendungsverwaltung wurde grundlegend überarbeitet und präsentiert sich in der Tat schnörkellos mit einem Abschnitt „Empfehlungen“ und einem Register mit „Kategorien“. Wer von vornherein weiß, was er will, nutzt rechts oben das Suchfeld. Die Ladegeschwindigkeit des Programms sowie die Reaktionszeiten beim Klick auf „Kategorien“ sind deutlich verbessert. Die Anwendungsverwaltung bleibt aber weiterhin ein opulenter Task mit erheblichen Speicherbedarf. Wichtiger als die Leistungsverbesserung scheinen uns daher zwei weitere grundlegende Neuheiten:
1. Das Tool läuft im Usermodus. Zum Suchen und Stöbern ist daher keine Passworteingabe erforderlich. Diese wird erst dann notwendig, wenn tatsächlich eine Software installiert oder entfernt werden soll. Das einmal eingegebene Passwort merkt sich das Programm während der Laufzeit, sodass die Eingabe nur ein einziges Mal erfolgen muss.
2. Unter den „Kategorien“ gibt es auch eine Schaltfläche „Flatpak“. Das ist nicht ganz logisch, da es sich bei Flatpak um keine inhaltliche Kategorie wie „Film und Klang“ handelt, sondern um eine Technik, Software in distributionsunabhängige Container zu verpacken. Trotz unlogischer Stelle ist es grundsätzlich verdienstvoll, dass die Anwendungsverwaltung die auf Flathub ( https://flathub.org/ ) angebotene Software hier an zentraler Stelle anbietet.

Die Integration von Flatpak-Containern setzt voraus, dass das Kommandozeilenwerkzeug für Flatpaks installiert ist. Dies ist in Mint 18.3 der Fall, wie Sie sich anhand folgender Terminalbefehle überzeugen können:
flatpak –help flatpak list
Die Anwendungsverwaltung dient nur als klickfreundliches Front-End für dieses Werkzeug. Flatpak-„Installationen“ werden aber darüber hinaus wie echte Installationen ordnungsgemäß in das Mint-Menü eingetragen.
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Datenbackup und Timeshift
Die Mint-Eigenentwicklung mintbackup („Datensicherungswerkzeug“ auf deutschem System) wurde für Version 18.3 umgeschrieben und vereinfacht. Das Tool sichert jetzt nur noch im Home-Verzeichnis und kann daher ohne root-Recht laufen. Die Beschränkung auf das Home-Verzeichnis kompensiert Mint 18.3 durch die Standardbeigabe des Tools Timeshift, das seinerseits die Sicherung von Systemverzeichnissen übernimmt (siehe unten).
Das Datensicherungswerkzeug bietet nur die Optionen „Wiederherstellen“ und „Jetzt sichern“. Beim Sichern kopiert es einfach alle angegebenen Ordner und Dateien mit Pfad, Zeitstempel und Rechte in ein „tar“-Archiv. Dabei kann der Benutzer Ordner und Dateien explizit ausschließen und einschließen, und die einmal getroffene Auswahl merkt sich mintbackup dauerhaft. Beim „Wiederherstellen“ müssen Sie nur den Pfad zum „tar“-Archiv angeben.

Das renovierte mintbackup ist weder funktionsreich noch raffiniert, aber als simples Tar-Front-End eine hübsche Anfängerhilfe. Das Standardziel des Backups unter „~/Dokumente/Sicherungen“ ist aber sicher suboptimal und sollte durch einen Zielpfad auf einem anderen Datenträger ersetzt werden. Eine zweite Funktion von mintbackup, welche nachinstallierte Programme protokolliert und im Falle des Falles in einem Aufwasch auf das System holt, ist eher eine Marginalie und außerdem eingeschränkt auf die Aktionen in der Anwendungsverwaltung.
Timeshift: Für die Systemsicherung holt sich Linux Mint 18.3 das bekannte Werkzeug Timeshift an Bord, das platzsparende, differentielle Schnappschüsse des Systems anfertigt. Timeshift kümmert sich nur um Systemdateien und ist somit der ideale Gegenpart zum Mint-eigenen Datensicherungswerkzeug. Die Schnappschüsse erledigt im Normalfall das Backupwerkzeug rsync. Ist Linux Mint auf dem Dateisystem BTRFS installiert, kann man alternativ die Option „BTRFS“ anwählen, da dieses Dateisystem solche Schnappschüsse selbst beherrscht.

Zurückliegende Systemsicherungen können im Timeshift-Fenster mit „Wiederherstellen“ komplett restauriert werden. Es ist aber auch möglich, über die Schaltfläche „Durchsuchen“ gezielt einzelne Dateien aus einer Sicherung in das aktuelle System zu kopieren.
Neues in Cinnamon
Cinnamon 3.6 zeigt in den „Systemeinstellungen“ das Applet „Internetkonten“. Damit integriert die Oberfläche das Tool gnomeonline-accounts, das prominente Clouddienste direkt für Gnome-Programme zugänglich macht. Bemerkenswert ist die Verbindung zu Google Drive und zu Owncoud-/Nextcloud-Servern, die dann mit dem Dateimanager Nemo besucht werden können. Bei anderen Clouddiensten sind speziellere Programme wie Evolution oder Gnome Calendar für den Zugriff vorgesehen. Das Einbinden eines Internetkontos ist einfach: Im Applet „Internetkonten“ genügt unter „Konto hinzufügen“ ein Klick auf das gewünschte Konto – etwa „Google“. Danach fordert das Tool die Authentifizierungsdaten. Sobald diese korrekt eingegeben sind und die Anmeldung mit einem anderen Gerät (Smartphone) bestätigt wurde, ist der Clouddienst integriert. So erscheint dann etwa Google Drive als Server in der Navigationsspalte des Dateimanagers Nemo und ist wie eine lokale Ressource benutzbar.

Diverse weitere Detailverbesserungen in Cinnamon 3.6 bleiben zum Teil schwer überprüfbar und wie die verbesserte Hi-DPI-Unterstützung zum Teil marginal: So beherrschen Cinnamon-Eingabefelder (etwa das Suchfeld im Hauptmenü) den Maus-Mittelklick als Einfügekommando aus der Zwischenablage. Und der Netzwerkmanager in der Systemleiste hat einen zusätzlichen Eintrag erhalten, um bei Bedarf eine erneute Suche nach Funknetzwerken auszulösen.
Neue und verbesserte Tools
Das Mint-Team legt seit Jahren Wert auf objektive Debugmöglichkeiten im Falle von Systemproblemen. Der Rechtsklick auf die Cinnamon-Systemleiste mit den Optionen „Fehler suchen“ und „Looking Glass“ sind hauptsächlich für Entwickler und das Mint-Team selbst von Belang, die Option „Cinnamon neustarten“ an dieser Stelle ist auch für Endanwender ein nützlicher Nothelfer. Jetzt kommt noch ein neues Mint-Tool hinzu:
Mintreport , auf deutschem System „Systemberichte“, kann Abstürze protokollieren und an die Mint-Entwickler schicken. Nach dem Start des Programms erscheinen im oberen Fenster die „Absturzberichte“. Über die Schaltflächen „Fehlerverfolgungssystem“ und „Pastebin“ werden deren Informationen online veröffentlicht. Die Schaltfläche „Lokale Dateien“ führt zum Archiv „crash.tar.gz“, das erfahrenen Nutzern profunde Infos über das betroffene Programm, System, Zeitpunkt, Speicher und Systemvariablen vermittelt.
Die Systemanmeldung ist unter „Systemeinstellungen -> Anmeldefenster“ individueller konfigurierbar denn je: So kann die Anmeldung Infos wie Rechnername, Uhrzeit oder Akkustand je nach Wunsch anzeigen oder eben nicht. Neu ist ebenfalls die Option, die Liste der Systembenutzer auszublenden und eine manuelle Anmeldung zu erzwingen.
Xed , der Editor auf Basis von Gedit (deutsch: „Textbearbeitung“), erhält eine unscheinbare, aber praktische neue Funktion unter „Ansicht -> Übersichtskarte“. Dies blendet am rechten Fensterrand eine Miniaturansicht ein, die zwar nicht mehr lesbar ist, aber mit der Maus sehr schnelles Navigieren in größeren Texten oder Scripts ermöglicht.
Xreader („Dokumentenbetrachter“) und Xplayer („Videos“) erhalten marginale Änderungen: Der Xreader, der hauptsächlich zur Anzeige von PDF-Dateien dient, erhält neue Navigationspfeile zum Vor- und Zurückblättern. Im Xplayer wurde die Bilddarstellung im Vollbildmodus optimiert.

Linux Mint 18.3: Neuinstallation und Upgrade
Das Livesystem von Linux Mint 18.3 eignet sich zum Ausprobieren und für Neuinstallationen (zum Upgrade älterer Versionen siehe unten). Für eine Neuinstallation wählen Sie im gestarteten Livesystem einfach den Desktoplink „Linux Mint installieren“.Für eine Uefi-Parallelinstallation neben einem bereits existierenden Windows oder Linux im Uefi-Modus benötigen Sie einen USB-Stick oder eine eigene DVD mit dem Mint-Livesystem. Secure Boot, typisch bei parallelem Windows, wird von Linux Mint nicht unterstützt und muss daher im Bios abgeschaltet werden.
Linux Mint mit Cinnamon in 64-Bit-Ausführung ist kein ausgesprochenes Leichtgewicht, hat aber noch moderate Mindestanforderungen: Eine Dualcore-CPU ab etwa 1,5 GHz Taktfrequenz ist empfehlenswert, sowie mindestens zwei GB RAM, da System und Desktop alleine schon mal circa 600 MB belegen. Eine etwas leichtgewichtigere 32-Bit-Version steht unter www.linuxmint.com/download.php zum Download bereit. Für den standardmäßigen Cinnamon-Desktop ist eine 3D-fähige Grafikkarte/Grafikchip von Vorteil, damit die Oberfläche inklusive dezenter Animationen ansprechend flott läuft.
Als Installationsprogramm nutzt Linux Mint seit je den komfortablen Installer Ubiquity von Ubuntu. Der beherrscht automatische Solo- und Dualboot-Szenarien und erkennt bereits installierte Systeme. Für kompliziertere Szenarien gibt es im Dialog „Installationsart“ die manuelle Option „Etwas Anderes“, die einen kompletten Partitionsmanager mitbringt. Notwendig ist diese manuelle Methode in jedem Fall bei Installationen auf externe USB-Datenträger.
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Upgrade der Version 18.x: Ein bereits vorliegendes Linux Mint 18, 18.1 oder 18.2 kann via Internet, also ohne Installationsmedium, ein Upgrade auf die aktuelle Version 18.3 erhalten.
Folgende Vorgehensweise ist notwendig: Zunächst bringen Sie die bestehende Version 18.2 auf den neuesten Stand:
sudo apt update sudo apt dist-upgrade
Danach starten Sie über das Menü die „Aktualisierungsverwaltung“. Ist diese auf dem aktuellen Stand (wofür die obigen Befehle gesorgt haben), dann erscheint unter „Bearbeiten“ der zusätzliche Punkt „System aktualisieren auf…18.3…“. Damit lösen Sie das Upgrade auf die neueste Version aus und müssen nur noch dem Assistenten folgen. Bei eventuellen Nachfragen, ob Konfigurationsdateien erhalten oder ersetzt werden sollen, entscheiden Sie sich für das „Ersetzen“.

Upgradeskeptische und besonders vorsichtige Anwender können vorbereitend folgende Maßnahmen vornehmen:
- Sicherung aller Benutzerdateien unter „/home“
- Deaktivieren des Bildschirmschoners während der Laufzeit des Upgrades: „Systemeinstellungen -> Bildschirmschoner -> Einstellungen“ und dort Verzögerungsintervall „Nie“
- Deaktivieren eventueller externer „Cinnamon Spices“ (Applets, Desklets, Erweiterungen und Themen unter „Systemeinstellungen -> Einstellungen“)
Optimierung nach Neuinstallation oder Upgrade
Nach einer Neuinstallation suchen Sie „Systemverwaltung -> Treiberverwaltung“ auf, um auf proprietäre Grafiktreiber umzustellen. Unter „Einstellungen -> Bildschirm“ stellen Sie – falls nötig – die optimale Auflösung ein. Der Gang zu diesem Applet ist fast nur bei Multimonitor-Betrieb notwendig. Da es seit Erscheinen von Version 18.3 schon wieder eine Reihe neuer Updates gibt, empfiehlt sich eine sofortige Systemaktualisierung:
sudo apt update sudo apt dist-upgrade
Für die laufende Aktualisierung sorgt die „Aktualisierungsverwaltung“ mit ihren Levels „1“ bis „5“. Alles, was nicht vom Mint-Team getestet wurde, sondern etwa aus den Ubuntu-Repositories stammt, wird mit Stufe 4 oder 5 bewertet und nicht berücksichtigt. Das können Sie ändern, indem Sie unter „Bearbeiten -> Einstellungen -> Ebenen“ auch die Stufen 4 und 5 als „sicher“ und „sichtbar“ markieren.
Cinnamon bietet zahlreiche individuelle Anpassungsmöglichkeiten über die „Systemeinstellungen“. Die lohnendsten Objekte sind folgende:
„Themen“ bestimmen das Aussehen des Mint-Desktops entscheidend. Der wichtigste Unterpunkt ist „Schreibtisch“, weil dieser die Farben des Hauptmenüs und der Hauptleiste festlegt. Die Auswahl des „Fensterrahmens“ für die Titelleisten aller Taskfenster und der „Symbole“ (im Dateimanager und am Desktop) verändert die Optik ebenfalls deutlich.
Unter „Fenster -> Titelleiste“ bestimmen Sie das Verhalten der Titelleiste: Die Funktion der Kontrollelemente in der Titelleiste kann ebenso individuell eingestellt werden wie das Verhalten beim Doppelklick oder Rechtsklick auf der Titelleiste. So kann etwa das Mausrad auf der Titelleiste das Fenster in Stufen transparent schalten („Deckkraft anpassen“). Die Registerkarte „Fenster -> Verhalten“ bietet die wichtige Option „Fokussierungsverhalten“: Normalerweise erhält ein Fenster erst durch einen Mausklick den Eingabefokus; mit der Option „Maus“ genügt ein Mouseover ohne Klick auf ein Fenster, um es in den Vordergrund zu bringen und damit eingabebereit zu machen.
„Effekte“ betreffen Fensteraktionen wie Verkleinern oder Schließen. Sie lassen sich komplett deaktivieren, was aus Hardwarewie Nutzersicht die schnellste und ökonomischste Lösung ist. Wer möchte, kann die Effekte aber unter „Anpassen“ differenziert einstellen sowohl hinsichtlich des Effekttyps wie auch der Effektdauer.