Update 15.30 Uhr: Jameda hat auf das heute ergangene BGH-Urteil reagiert und die vom BGH kritisierten Verweise auf konkurrierende Ärzte entfernt. Bei einem Kurztest fanden wir in der Tat keine Konkurrenzverweise mehr bei den von uns aufgesuchten Arztprofilen. Damit verlieren die kostenpflichtigen Arztprofile auf Jameda aber ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal, da diese schon immer frei waren von Verweisen auf konkurrierende Ärzte.
Jameda weigert sich aber weiterhin Arztprofile zu löschen: “Ärzte können sich nach wie vor nicht aus Jameda löschen lassen”. Mit der Begründung, dass Jameda ja nun keine Verweise mehr auf konkurrierende Ärzte anzeigen würde. Damit entfalle nach Meinung von Jameda der Grund für das heutige BGH-Urteil, nämlich die fehlende Neutralität von Jameda. Jameda formuliert das natürlich etwas anders: “BGH gibt Klage der Ärztin statt und macht Neugestaltung von Anzeigen auf Jameda erforderlich”.
In Zusammenhang mit der Kölner Hautärztin, die bis zum BGH gegen Jameda geklagt und schließlich gesiegt hatte, tritt Jameda noch etwas nach: “Der Klage auf Löschung aus dem Arztverzeichnis vorausgegangen waren kritische Bewertungen, welche die Kölner Dermatologin auf Jameda von Patienten erhalten hatte. Jameda war dem Löschantrag der Ärztin mit Verweis auf das BGH-Urteil von 2014 (Az. VI ZR 358/13) nicht nachgekommen.“ Und weiter: “Die Bundesrichter gaben der Klage statt und entschieden, dass Jameda die Ärztin aus dem Portal löschen müsse, wobei diese ohnehin nicht mehr auf Jameda gelistet war, nachdem sie ihre Praxis aufgegeben hatte“. Update Ende
Das Ärztebewertungsportal Jameda muss den Eintrag über eine Kölner Hautärztin und Allergologin komplett löschen. Das hat der Bundesgerichtshof heute entschieden (Urteil vom 20. Februar 2018 – VI ZR 30/17). Jameda ist ein Ärzte-Bewertungsportal, auf dem man Noten und Bewertungen über Ärzte schreiben kann. Zum Arzt stehen grundlegende Informationen wie Name, akademischer Grad, Adresse der Praxis, Fachrichtung, Telefonnummer und die Sprechzeiten. Dafür muss der Arzt nichts bezahlen und dieses Kurzprofil – die sogenannten “Basisdaten” – mit den Bewertungen erstellt Jameda ohne Zutun und vorherige Zustimmung des Arztes. Der Arzt kann aber gegen Bezahlung auch ein Profil mit Foto und Selbstdarstellung seiner Behandlungsmethoden und -grundsätze hinterlegen und sich damit ansprechender präsentieren. Ein weiterer Vorteil für den zahlenden Arzt ist die unterschiedliche Art und Weise, wie Jameda konkurrierende Ärzte neben einem Arztprofil zeigt: Beim Aufruf des Profils eines nichtzahlenden Arztes können als “Anzeige” gekennzeichnet die Profilbilder unmittelbarer Konkurrenten gleicher Fachrichtung im örtlichen Umfeld mit Entfernungsangaben und Noten eingeblendet werden. Demgegenüber blendet Jameda bei Ärzten, die sich kostenpflichtig registriert und ein “Premium-Paket” gebucht haben, keine Konkurrenten ein, wie der Bundesgerichtshof ausführt. Eine Dermatologin und Allergologin aus Köln war mit Jamedas Vorgehensweise nicht einverstanden. Jameda führte die Ärztin als Nichtzahlerin gegen ihren Willen ohne Bild mit ihrem akademischen Grad, ihrem Namen, ihrer Fachrichtung und ihrer Praxisanschrift. Rief man das Profil der Ärztin auf Jameda auf, so erschienen unter der Rubrik “Hautärzte (Dermatologen) (mit Bild) in der Umgebung” weitere (zahlende) Ärzte mit demselben Fachbereich und mit einer Praxis in der Umgebung der Praxis der Klägerin. Dargestellt wird neben der Note des jeweiligen anderen Arztes die jeweilige Distanz zwischen dessen Praxis und der Praxis der Klägerin. Jameda blendet also direkte Konkurrenten der Ärztin neben deren Profil ein. Die Ärztin erhielt in der Vergangenheit mehrfach Bewertungen. Sie beanstandete durch ihre früheren Prozessbevollmächtigten im Jahr 2015 insgesamt 17 abrufbare Bewertungen auf dem Portal der Beklagten. Nach deren Löschung stieg die Gesamtnote der Klägerin von 4,7 auf 1,5. Die Kölner Hautärztin verlangte mit der jetzt stattgegebenen Klage von Jameda die vollständige Löschung ihres Eintrags und die Löschung ihrer auf der Internetseite www.jameda.de veröffentlichten Daten. Zudem klagte die Ärztin auf Unterlassung der Veröffentlichung eines sie betreffenden Profils auf der genannten Internetseite sowie auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Das Landgericht Köln hatte die Klage der Ärztin abgewiesen. Die Berufung der Klägerin vor dem Oberlandesgericht Köln blieb ebenfalls ohne Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision siegte die Ärztin nun aber vor dem BGH. Die Begründung des BGH: Nach § 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BDSG sind personenbezogene Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig ist. Dies war vorliegend der Fall. Der BGH hat mit Urteil vom 23. September 2014 – VI ZR 358/13 (BGHZ 202, 242) für das von Jameda betriebene Bewertungsportal zwar im Grundsatz entschieden, dass eine Speicherung der personenbezogenen Daten mit einer Bewertung der Ärzte durch Patienten zulässig ist. Doch der vorliegende Fall unterscheide sich vom damaligen in einem entscheidenden Punkt. Mit der vorbeschriebenen, mit dem Bewertungsportal verbundenen Praxis verlasse Jameda seine Stellung als “neutraler” Informationsmittler: Während Jameda bei den nichtzahlenden Ärzten dem ein Arztprofil aufsuchenden Internetnutzer die “Basisdaten” nebst Bewertung des betreffenden Arztes anzeigt und ihm mittels des eingeblendeten Querbalkens “Anzeige” Informationen zu örtlich konkurrierenden Ärzten bietet, lässt Jameda auf dem Profil ihres “Premium”-Kunden – ohne dies dort dem Internetnutzer hinreichend offenzulegen – solche über die örtliche Konkurrenz unterrichtenden werbenden Hinweise nicht zu.
Nimmt sich Jameda aber in dieser Weise zugunsten seines Werbeangebots in seiner Rolle als “neutraler” Informationsmittler zurück, dann kann Jameda seine auf das Grundrecht der Meinungs- und Medienfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, Art. 10 EMRK) gestützte Rechtsposition gegenüber dem Recht der klagenden Ärztin auf Schutz ihrer personenbezogenen Daten (Recht auf informationelle Selbstbestimmung, Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK) „auch nur mit geringerem Gewicht geltend machen“, wie der BGH in bestem Juristen-Deutsch ausführt. Das führe hier zu einem Überwiegen der Grundrechtsposition der Klägerin, so dass ihr ein “schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Speicherung” ihrer Daten (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG) zuzubilligen ist.