Audi hat auf einem Event in Barcelona die neue Generation seiner Oberklassen-Limousine A8 vorgestellt. Die Ingolstädter packen in Sachen IT, Infotainment und Sicherheits-Assistenzsysteme fast alles rein, was derzeit technisch machbar und bezahlbar ist. Doch einige Funktionen fehlen dem A8 trotzdem. Teilweise zu Recht.
Das Infotainmentsystem MMI mit den Audi-Connect-Diensten sowie dem Audi Virtual Cockpit, dem Head-up-Display und der Sprachsteuerung hat Audi natürlich für den neuen A8 weiterentwickelt.

Den Menü-Punkt Audi Connect suchen A8-Fahrer künftig aber vergeblich. Darunter fasst Audi bisher die internetbasierten Dienste zusammen. Also zum Beispiel den Nachrichten-Ticker, die Kraftstoff-Preisrecherche und die Parkplatzsuche sowie Google Earth. Außerdem kommen über Audi Connect die Echtzeit-Verkehrsinformationen für die Navigation und der Wetterbericht. Die Google-Websuche steht dem Audi-Fahrer über Connect ebenfalls zur Verfügung.
Alle diese Dienste gibt es auch im Audi A8, nur eben nicht mehr unter einem separaten Menü-Punkt „Connect“, sondern an den jeweils sinnvollen Orten im Infotainmentsystem. Also die Verkehrslagedaten beispielsweise unter „Navigation“.

Die Bahnverbindungssuche sowie die Flugverbindungssuche hat Audi allerdings ganz entfernt. Die Kunden hätten diese Dienste kaum genutzt, erklärte uns ein Audi-Mitarbeiter auf Nachfrage.

Komplett neu ist das haptische Feedback bei der Touchscreen-Eingabe mit dem Finger. Der Benutzer spürt also einen gewissen Widerstand auf dem 10,1-Zoll-Touchscreen, wenn er zum Beispiel die Temperatur der Klimaanlage ändert (auf dem unteren der beiden in der Mittelkonsole übereinander verbauten Touchscreens) oder wenn er im oberen Touchscreen den Menü-Punkt wechselt. Zusätzlich hört der Fahrer einen leisen Klick.
Das klappte in einem ersten Test auf dem Audi-Event in Barcelona ganz gut, allerdings kann der Fahrer das umfangreiche Bedienmenü des Audi MMI trotzdem nicht blind bedienen. Eine gewisse Ablenkungsgefahr bleibt – das gilt für alle modernen Infotainmentsysteme aller Hersteller. Audi erklärte deshalb auf unsere Nachfrage, dass in der Tat die Lenkradtasten in Kombination mit der Sprachsteuerung nach wie vor das optimale und sicherste Bedienkonzept sind. Ergänzt durch das hervorragend ablesbare Head-up-Display, das alle wichtigen Informationen direkt in das Sichtfeld des Fahrers projiziert. Den bekannten Dreh-/Drück-Steller und das Touchpad des Vorgängermodells gibt es im A8 dagegen nicht mehr.

Echtzeitverkehrsdaten und Karten
Auch im neuen A8 bezieht Audi seine Echtzeit-Verkehrslagedaten nach wie vor von Tomtom und nicht vom konzerneigenen Here. Wie unser Test von Here We Go beweist – zu Recht. Denn die Verkehrslagedaten von Here sind nun einmal nicht die genauesten, Tomtom und vor allem auch Google Maps sind exakter. Das Kartenmaterial bezieht Audi dagegen durchaus von Here.
Übrigens: Die Echtzeit-Verkehrsinformationen in den USA bekommt Audi von Inrix und nicht von Tomtom. Offensichtlich ist Audi bei der Evaluation der Verkehrslagedaten zu der Erkenntnis gekommen, dass in den USA Inrix genauer als Tomtom ist.

Update 16.9.: Audi Night Vision Assistant: Nachtsichtgerät
Das Nachtsichtgerät Audi Night Vision Assistant erfasst mit seiner passiven Infrarotkamera Lebewesen und Gegenstände vor dem Audi und zeigt ein entsprechendes graustufiges Wärmebild im Audi Virtual Cockpit direkt vor dem Fahrer an. Sofern das System eine akute Gefahr zu erkennen glaubt, gibt es außerdem eine Warnmeldung aus. Die Technologie Audi Night Vision bieten die Ingolstädter schon etwas länger an, das Nachtsichtgerät ist also nicht auf den A8 beschränkt.

Carplay und Android Auto: Kein wireless
Natürlich kann der Fahrer eines A8 auch Carplay und Android Auto nutzen. Und ebenso natürlich ist Mirrorlink nicht an Bord – sondern faktisch tot. Und natürlich sehen Carplay und Android Auto auf dem großen (oberen) Touchscreen im A8 super aus und lassen sich sehr gut bedienen.
Trotzdem zeigt der hochpreisige A8 hier eine bemerkenswerte Schwäche: Carplay gibt es nach wie vor nur über das Lightning-Kabel und nicht kabellos. Wireless Carplay steht zum Start des A8 nicht zur Verfügung, bestätigte uns ein Audi-Mitarbeiter. Dass Erzrivale Daimler in seinen Mercedes-Fahrzeugen ebenfalls kein Wireless Carplay anbietet, ist da nur ein schwacher Trost: Denn BMW bietet Wireless Carplay seit der zweiten Hälfte 2016 für nahezu alle Modelle an, auch für den relativ preiswerten 1er. Und Wireless Carplay überzeugte in unserem Test – übrigens der erste Test von Wireless Carplay weltweit – durchaus.
Wireless Carplay kommt mit MIB2+
Michael Crusius, Pressesprecher Kommunikation Technologie/Innovationen bei Audi, zum Fehlen von Wireless Carplay: “Bei der kabelgebundenen Variante der Smartphone-Anbindung hat der Kunde immer zugleich den Vorteil des gleichzeitigen Ladens des Smartphone-Akkus. Das kabellose Audi Smartphone Interface werden wir im Rahmen von Modellpflegemaßnahmen Mitte nächsten Jahres (also 2018) anbieten.” Und weiter: “Alle neuen kommenden Modelle von Audi ab SW-Stand KW 22/2018 werden Wireless Carplay haben. Die Vorbereitungen für Wireless Android Auto laufen übrigens auch schon.”
Mit „neuen kommenden Modelle“ sind keine Facelift-Modelle gemeint, sondern nur komplett neue Fahrzeuggenerationen, die die neueste Generation des Infotainmentbaukasten MIB2+ verwenden, mit dem der A8 im Herbst 2017 als erstes Modell startet. Somit betrifft das die 2018 kommende Generation von A6/A7 und folgende. Alle aktuellen Modellreihen auf Basis des MIB2 bekommen kein Wireless Carplay.
Und was ist mit A8-Exemplaren, die vor Mitte 2018 verkauft wurden? Crusius: “Eine Nachrüstlösung in Form eines Software-Updates für ältere SW-Stände ist nicht geplant”.
Keine Gestensteuerung
Neben Wireless Carplay fehlt auch eine Gestik- oder Gestensteuerung im neuen A8. Der Unterschied zu Wireless Carplay: Niemand dürfte das vermissen. Denn im 7er-BMW, in dem die „Gestiksteuerung“ bereits nutzbar ist, ist deren Fehlerquote viel zu hoch, wie unser Test im BMW 7er zeigte. Und der Audi-Mutterkonzern Volkswagen experimentiert zwar auch intensiv und seit Jahren mit der Gestensteuerung, doch deren Nutzen scheint sich ebenfalls in Grenzen zu halten, soweit wir das nach unseren ersten Versuchen damit auf diversen VW-Events beurteilen können. Im VW Golf steht eine Gestensteuerung ebenfalls zur Verfügung, sofern der Kunde diese Funktion kauft.
Audi kam offensichtlich zu dem Schluss, dass die Kombination aus mehreren großen und gut ablesbaren Bildschirmen, darunter zwei zuverlässig reagierende Touchscreens, Head-up-Display, guter Sprachsteuerung und Lenkradtasten die bessere Kombination ist. Und verzichtet deswegen komplett auf Gefuchtel vor dem Armaturenbrett…
Audi äußert sich zur Gestensteuerung
Michael Crusius erklärte uns zum Verzicht auf die Gestensteuerung folgendes: “Ich persönlich bin davon überzeugt, dass die technologischen Fortschritte in der Sprachbedienung in einigen Jahren alle anderen Bedienmöglichkeiten dominieren werden. Im A8 haben wir mit der neuen Generation des Sprachdialogsystems wieder einen großen Schritt getan. Wir haben nun erstmals einen hybriden Dialogmanager, der die Spracheingaben auf Rechnern im Backend auswertet und situationsbezogen beantwortet.”

Als Steuerzentrale für all diese Funktionen dient der Modulare Infotainment-Baukasten in neuer Ausbaustufe, der MIB 2+. Er integriert einen K1-Prozessor vom Audi-Kooperationspartner Nvidia. Ein zweiter K1-Chip erzeugt die Grafiken auf dem Audi Virtual Cockpit, das als digitales Kombiinstrument eine Auflösung von 1.920 x 720 Pixel bietet.
48 statt 12 Volt als Standard
Der Audi A8 ist übrigens der erste Audi, der 48 Volt als Standard-Stromsystem verwendet und 12 Volt nur noch als Subsystem.
Aktive Schlaglocherkennung
Mit dem für Audi neuen Active Suspension System scannt der A8 mit einer oben in der Windschutzscheibe verbauten Kamera die Straße vor sich, besonders den Bereich zwischen 5 und 20 Metern vor dem Fahrzeug, und passt daran fortlaufend die Dämpfung des Fahrwerks an. Das soll für optimalen Fahrkomfort sorgen. Richtig neu ist das aber nicht, Daimler bietet das in der S-Klasse schon seit Jahren an.
Stau-Pilot: Autonomes Fahren mit Level 3
Wie bereits vor zwei Jahren auf der CES in Shanghai angekündigt, verkauft Audi den A8 ab 2018 auch mit dem neuen Audi AI Stau-Piloten für Autobahnen und Bundesstraßen mit deutlich erkennbarer Fahrbahnmarkierung. Er ermöglicht es dem Fahrer bei langsamem Verkehr, die Hände vom Lenkrad und die Füße von den Pedalen zu nehmen – der Stau-Pilot lenkt, bremst und beschleunigt den Audi dann autonom. Neben den Radarsensoren, einer Frontkamera und den Ultraschallsensoren nutzt Audi dafür auch einen Laserscanner.
Sobald der Stau-Pilot auf Probleme stößt, zum Beispiel, weil eindeutige Fahrbahnmarkierungen fehlen oder wenn die Geschwindigkeit über 60 km/h steigt, fordert der Stau-Pilot den Fahrer wieder dazu auf, die Führung des Fahrzeugs zu übernehmen. Der A8-Fahrer darf also weder schlafen noch den Fahrersitz verlassen.
Audi nennt das den Einstieg in das autonome Fahren auf Level 3 – mit dem vollautonomen Fahren, bei dem der Fahrer ein Nickerchen machen oder seinen Sitz umdrehen kann, hat das aber noch lange nichts zu tun. Ein Audi AI-Remote-Parkpilot und ein Audi AI-Remote-Garagenpilot ergänzen den Stau-Piloten. BMW bietet im 7er bereits ähnliche Funktionen an.
Übrigens sind alle Sicherheitssysteme redundant, also doppelt vorhanden. Falls eines mal ausfallen sollte.
Preis
Der neue Audi A8 und der A8 L werden am Standort Neckarsulm gebaut und starten im Spätherbst 2017 auf dem deutschen Markt. Der Grundpreis für den A8 beträgt 90.600 Euro, der A8 L startet bei 94.100 Euro. Für die oben erwähnten zusätzlichen Funktionen darf der Kunde aber noch einmal extra zahlen.
Audi A4 mit Connect, MMI, Carplay, Android Auto und App im Test Test: Audi TT mit MMI Navigation plus, Touch und Connect