Ab dem 1. Juli 2017, ein Samstag, müssen in Deutschland alle neuen Prepaid-SIM-Karten mit den Ausweisdaten des Käufers verifiziert werden . Damit soll letztendlich die Bekämpfung des internationalen Terrorismus vorangetrieben werden. “Ja klar”, könnten böse Zungen jetzt behaupten. Denn die neue Regelung zur SIM-Verifizierung sorgt erst einmal dafür, dass neue SIM-Karten nicht funktionieren, ergo von den Terroristen gar nicht genutzt werden können. Doch der Reihe nach.
Ich kaufe mir am Samstag eine Prepaid-SIM-Karte bei Aldi – garantiert für ganz harmlose Zwecke. Zwei Tage später habe ich immer noch kein Netz. Meine kleine Reise starte ich am Samstag Abend mit dem Ausfüllen eines Web-Formulars, dessen Adresse dem SIM-Karten-Paket beigelegt ist. Daraufhin bekomme ich eine Nummer (die Mail mit der Nummer lässt lange auf sich warten und trifft dann gleich mehrmals ein) und den Link zu einem Video-Chat. In den soll ich mein Gesicht und meinen Ausweis halten, sobald der Mitarbeiter sich einwählt. Ein Timer zählt 120 Sekunden runter. Das ist aber nicht die Zeit, bis der Mitarbeiter auftaucht, sondern ein Timeout, wie ich bald erfahre. Nach 120 Sekunden schmeißt mich der Videochat ohne Fehlermeldung raus. Ich probiere es erneut. Und erneut. Und dann noch mal. Eine Stunde lang, immer wieder.
Schließlich – ich hatte es eigentlich schon aufgegeben – erscheint das Bild einer freundlichen Call-Center-Mitarbeitern. Sie fragt mich, wie lange ich schon warte, entschuldigt sich dafür und räumt ein, dass es einen großen Andrang gebe, in ihrem Call-Center aber nur zwei Mitarbeiter für den Vorgang abgestellt seien. Ich halte meinen Perso in die Kamera, sie nimmt ein paar Daten auf. Schon vorher musste ich zustimmen, dass die Daten gespeichert und ausgewertet werden dürfen. Zunächst wandern die Daten an den Mobilfunkanbieter und der soll mir binnen sechs Stunden meine SIM-Karte freischalten. Doch daraus wird nichts.
36 Stunden nach der Video-Verifizierung rufe ich beim Kundenservice an und frage nach. Schnell erklärt mir die Mitarbeiterin dort, es herrsche ein riesiger Andrang und ich müsse mich leider bis zu 72 Stunden gedulden. Puh. Ich atme durch und bedanke mich für die Auskunft – die Call-Center-Mitarbeiter können ja nichts für die SIM-Verifizierung und auch nichts dafür, dass ihre Brötchengeber den Andrang offenbar massiv unterschätzt haben.
Nun warte ich also auf die Freischaltung…
Service-Hotline weiß nicht weiter (Update vom 04. Juli): Und ich warte immer noch. Ich rufe bei der Hotline an und frage nach, wie das sein kann und ob man den Vorgang beschleunigen könne. Man kann leider nicht. Und man hat keine Ahnung, wie lange es noch dauern kann und warum meine Freischaltung feststecke. Auch der Second-Level-Support weiß nicht weiter. Alles in allem eine herbe Enttäuschung. Ich muss also noch etwas warten…
Ich bekomme eine sinnfreie E-Mail von Aldi Talk (Update vom 07. Juli): Ich bekomme Mail von Aldi Talk. Ist es die lang ersehnte Freischaltung? Kann ich nach 150 Stunden endlich meine SIM-Karte nutzen? Nein. Stattdessen erinnert mich Aldi Talk daran, das (bereits erfolgte) Identifizierungsverfahren doch bitte durchzuführen. Betreff: “Erinnerung zur Identifizierung Ihrer ALDI TALK Prepaid-Karte”. Das habe ich doch alles schon gemacht! Kurzer Blick auf Twitter #AldiTalk: Offenbar erhalten auch andere Betroffene diese sinnlose Mail. Ich denke ernsthaft darüber nach, die Prepaid-Karte zurückzugeben. Wie lange soll ich noch warten? Eine Info an die Betroffenen wäre mal nett.
Ich wende mich an die Pressestelle von Aldi mit folgenden Fragen:
• Wie lange müssen die Kunden sich noch gedulden? • Warum werden diese nicht informiert von Aldi Talk? • Gibt es eine Entschädigung für die Betroffenen? • Wo und wie können Betroffene ihre SIM-Karte zurückgeben?
Ich muss die Verifizierung noch einmal machen (Update vom 13. Juli). Das ergab ein nochmaliger Anruf bei der Hotline. Warum, konnte man mir aber nicht verraten. Offensichtlich wurde meine bereits durchgeführte Verifizierung nicht zur Freischaltung weitergeleitet und ist verloren gegangen. Das ärgert mich – ebenso ärgert mich die Antwort der Mitarbeiterin, ich könne die SIM-Karte nicht zurückgeben. Ich will es ein letztes Mal versuchen und starte mal wieder die Video-Verifizierung. Schon nach einer Minute klappt es, ich halte den Ausweis in die Kamera, spreche kurz mit dem Mitarbeiter, fertig. Nur eine Stunde später bekomme ich eine E-Mail: Ihre SIM wurde freigeschaltet. Meine zwölf Tage währende Odyssee ist vorrüber.
Warum nicht gleich so?
Der Erfahrungsbericht behandelt den Anbieter Aldi Talk. Wie waren Ihre Erfahrungen? Haben Sie es mit einem anderen Anbieter versucht?
P.S.: Von der Pressestelle habe ich immer noch keine Auskunft zu meinen Fragen bekommen. Lediglich die Bestätigung, dass meine Anfrage eingegangen sei.