Selbstfahrende Autos sind schon lange keine Utopie mehr. Automobilhersteller und Internetfirmen aus Silicon Valley lassen Versuchsfahrzeuge über unsere Straßen fahren. Dabei wird geforscht, agil umgesetzt und ständig erprobt. Durch unterschiedliche Versuche und groß angelegte Testfahrten wurde bewiesen, dass die Technik inzwischen reif ist, unter bestimmten Voraussetzungen ein Auto allein fahren zu lassen.
Aber neben technischen sind auch ethische Fragen zu prüfen: Wie gehen wir damit um, wenn das Auto alles besser weiß? Haben wir auch das Vertrauen in die Softwareentwickler, die durch ihre Programmierungen erst das autonome Fahren ermöglichen? Wer verantwortet mögliche Unfälle? Gewinnen wir Freiräume für die Zeit im Stau oder verlieren wir an Selbstbestimmung?
Basierend auf der massiven technischen Weiterentwicklung wird dabei nicht alles besser, neuer, schneller und bequemer, sondern vor allem völlig anders.
Ich möchte mit den folgenden Gedankenanstößen die digitalisierte Mobilität mit dem vollautonomen Fahren und die dazugehörende Fahrzeugtechnik aus einer anderen Perspektive beleuchten.
1. Alles ist durch Menschen entwickelt und vorgegeben
Am Ende ist jegliche Art der Vernetzung, der Steuerung und der Kommunikation zwischen Systemen durch Menschen programmiert und vorgegeben. Im vernetzten Fahrzeug gibt es diese Programmierungen unter anderem bei den Kategorien Car-2-Web (soziale Netzwerke, E-Mail, Internet, Kommunikation mit Werkstatt usw.), Car-2-Car (Mikrowetter, Live Traffic, Warnen umgebender Fahrzeuge vor Gefahrensituationen usw.) und Car-2-Infrastructure (Verkehrsleitsysteme, Ampelassistent, Parkplatzsuche, Pay-as-you-drive-Versicherungen usw.).
Diese Entwicklungen basieren im Normalfall auf Standards, Erfahrungen, Berechnungen sowie bestehenden und erprobten Algorithmen und werden optimalerweise ständig verbessert und in den gewünschten Steuerungssystemen des Fahrzeugs zu definierten Zeiten regelmäßig Over-the-Air (OTA) aktualisiert.
In Zukunft wird das durch den vermehrten Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) noch stärker von den durch Menschen ursprünglich entwickelten Algorithmen und dem „selbstständigen“ Lernen und Optimieren der Systeme abhängen.
Der Grad der Beeinflussung durch den Fahrer nimmt dadurch immer mehr ab. Das autonome Auto wird ein adaptives, lernendes Auto sein (Beispiel Schachcomputer). Lernende Maschinenintelligenz sorgt für Überlegenheit gegenüber dem Menschen als Fahrer. Das vernetzte autonome Auto hat „hellseherische“ Fähigkeiten durch Prädiktion und Vorausschau. Dies gelingt unter anderem durch die Vernetzung mit den anderen Fahrzeugen, der Infrastruktur und dem Web. Das hat zur positiven Folge, dass das Auto beispielsweise bei erkannter Gefahr früher und stärker bremst als bei einem aktuellen Fahrzeug, das noch nicht autonom fährt. Voraussetzung hierfür ist aber, dass das Fahrzeug weiß, was beispielsweise nach der Kurve kommt, wie die Straßengegebenheiten sind usw.
Dadurch steigen auf der anderen Seite auch die Kompatibilitätsanforderungen. „Nur so stark bremsen, dass der manuelle Fahrer hinter meinem Fahrzeug eine Chance hat, nicht aufzufahren.“ Rücksicht auf den Schwächeren ist damit gefordert.
2. Nur die abgedeckten Fälle funktionieren so wie gewünscht
Der unter Punkt 1 beschriebene Aspekt basiert darauf, dass all das programmiert und auf den Fahrzeugsystemen implementiert wurde, was von den Menschen vorgegeben wurde oder sich durch Künstliche Intelligenz weiterentwickelt hat. Somit sind auch nur die Fälle und Eventualitäten abgedeckt, worüber sich Menschen im Vorfeld Gedanken gemacht haben oder die durch die Künstliche Intelligenz optimiert wurden.
In dichtem Mischverkehr, d.h. wenn manuell gesteuerte Fahrzeuge bis hin zu vollautonomen Autos zusammen im Verkehr unterwegs sind, wird ein autonomes Auto aufgrund seiner „Entscheidungsschwäche“ (es kann nur Entscheidungen treffen, die vom Programmierer vorgesehen sind – die aber trifft es schnell) eher als Hindernis wahrgenommen werden. Verglichen mit der Tierwelt könnte man sagen, dass das vollautonome Auto also eher ein scheues und schreckhaftes Naturell hat. Dies liegt an dem optimalen Zusammenspiel der Technik, Software und dem Web.
Ergänzend ist zu erwähnen, dass die Infrastruktur des hochautomatisierten Fahrens nie schläft, Regeln und Situationen präzise berücksichtigt (beispielsweise Tempolimit, Ampeln, Verkehrsschilder), die Systeme nie die Kontrolle verlieren, emotional neutral sind und die System-Reaktionen auf präzisen Messungen der eingebauten Technik basieren. Das wiederum führt zu einer permanenten Zuverlässigkeit und eindeutig nachvollziehbaren Entscheidungen und Reaktionen des Fahrzeugs.
Was ist jedoch mit Ausnahmefällen, die nicht entwickelt wurden bzw. an die im Vorfeld nicht gedacht wurde? Oder aber mit den Fällen, die so wie vom Menschen vorgegeben programmiert wurden, aber optimiert werden könnten oder ethisch und/oder moralisch nicht dem entsprechen, was als Wertverständnis der jeweiligen Kultur gesehen und gefordert wird?
Hier spielt in Zukunft unter anderem die Künstliche Intelligenz mit Machine Learning sowie Deep Learning eine Rolle. Es werden neue Fälle (geplant, zufällig oder situationsbedingt) hinzukommen, die mit immer kürzeren Entwicklungszyklen und auch Reaktionszeiten realisiert werden müssen. Darunter dürfen jedoch unter anderem Qualität, Sicherheit und auch der Datenschutz nicht leiden.
Meiner Meinung nach sind dazu für die Entwicklung der Software agile Methoden , der DevOp-Ansatz oder Scrum zwingende Voraussetzung. Nur so ist es überhaupt möglich, die vorher beschriebenen Anforderungen einzuhalten. Dabei ist immer zu bedenken, dass wir uns in einem autonom fahrenden Auto befinden. Eingriffe des Fahrers sollen minimiert bis optimalerweise vermieden werden. Der Fahrer vertraut auf die Technik, Vernetzung und Software seines Autos, damit dieses dann wie vom Fahrer gewünscht und gefordert funktioniert.
Das reicht jedoch nicht aus.
Es gibt auf den Straßen noch weitere Verkehrsteilnehmer. Andere Fahrzeuge (PKW, LKW, Motorräder, Fahrräder) werden nicht ab einem bestimmten Zeitpunkt komplett vollautonom fahren können. Dies wird sich meiner Meinung nach über viele Jahre ziehen. In dieser Übergangszeit des Mischbetriebs werden sich also die Fahrzeuge von komplett manuell und unvernetzt bis hin zu vollautonom gemeinsam auf den Straßen im gleichen Verkehr bewegen.
Und es wird immer noch die Fußgänger geben, die am Straßenverkehr teilhaben. Werden sie dann – ähnlich wie auch Fahrräder – vollautonom laufen, voll vernetzt sein, Notstopp-Assistenten, Radar, Sensoren, 360-Grad-Kameras haben?
Ich denke (Stand heute): Nein. Durch den Einsatz von beispielsweise Wearables und IoT (Internet of Things) könnte hier jedoch in Zukunft noch einiges passieren.
3. Sind Manipulationen möglich?
Das vollautonome Auto ist hochgradig vernetzt. Alle Chancen und Risiken des Internets der Dinge müssen auch fürs Auto beachtet werden!
Hier stellt sich zunächst die Frage nach der Software, nach Qualitätsstandards, Zertifizierungen und Audits. Diese werden benötigt, damit gewährleistet werden kann, dass beim autonomen Fahren alles vermieden wird, was beispielsweise unsere Gesundheit, die Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer oder auch das Leben von Tieren gefährdet.
Jedoch wird dies allein nicht reichen.
Das vollautonome Fahrzeug kann und muss meiner Meinung nach zwingend allen oben beschriebenen Anforderungen entsprechen. Zusätzlich kommen Anforderungen des Datenschutzes, der IT- sowie Cybersicherheit hinzu. Nur wenn das autonome Fahrzeug den höchsten Ansprüchen in allen genannten Punkten entspricht und laufenden Prüfungen unterzogen wird, besteht eine gute Chance, dass sich Manipulationen von außen und/oder innen bestmöglich vermeiden lassen.
Doch bedeutet dies umgekehrt nicht, dass dann alles unter den Aspekten höchster Moral und Unternehmensethik und zum Wohle der Menschen, Tiere und der Umwelt realisiert wurde. Ethik und Moral der Menschen, die die einzelnen Bausteine sowie das Zusammenspiel von Technik, Algorithmen, Vernetzung und dem Internet vorausdenken, entwickeln, verantworten und gegenprüfen, sind aber die Voraussetzung für das benötigte Vertrauen in das vollautonome Fahrzeug.
Fazit
Das Vertrauen in Technik, Vernetzung sowie in Algorithmen und deren Programmierung durch Menschen ist meiner Meinung nach die Voraussetzung und auch die Entscheidung eines jeden Einzelnen, ob und wann er in die neue zukünftige Welt des vollautomatisierten Fahrens einsteigen möchte.
Eine weitere Voraussetzung, die als selbstverständlich hierbei angenommen wird, sind die Ethik und die Moral eines jeden Beteiligten, der zur Realisierung des vollautonomen Fahrens direkt oder indirekt beiträgt.
Wenn man sich in der Zukunft für die Nutzung des vollautomatischen Fahrens entscheiden wird, dann liegen die Vorteile eindeutig auf der Hand: Schon das automatisierte und noch mehr das vollautonome Fahrzeug werden zur Unfallvermeidung beitragen – das autonome Fahrzeug verspricht für alle Passagiere Komfort, Entspannung, Sicherheit und Effizienz.
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